Der nicht stattfindende Weltuntergang rückt immer näher und es tut sich nichts. Das ist wenig überraschend, da die ganzen 2012-Geschichten Unsinn sind und der 21.12.2012 ein ganz normaler Tag sein wird. Die Anhänger der 2012-Theorien müssen sich aber langsam etwas anderes überlegen. Kein böser Planet X nähert sich der Erde, Polsprünge und Sonnenstürme bleiben aus und selbst der Euro ist noch nicht abgeschafft worden. Schlechte Zeiten für Schwarzseher – wahrscheinlich deswegen haben zur Zeit eher die esoterischen “Zeitenwende”-Thesen Konjunktur. Laut denen wird es im Dezember keine Katastrophen geben und auch keinen Weltuntergang. Sondern etwas anderes. Was genau ist schwer zu erklären. Um es mit den Worten einer Frau zu sagen, die ich kürzlich bei einer Veranstaltung in Wien getroffen habe: “Ich glaub nicht an den Weltuntergang. Aber man merkt schon, dass sich alles verändert. Die Schwingung der Menschheit erhöht sich und das wird sicher noch stärker werden.”.
Die “Zeitenwende” ist ein beliebtes Thema unter Esoterikern. Alles soll demnächst irgendwie anders werden. Alles soll vor allem besser werden, zumindest dann, wenn man richtig vorbereitet ist. Und vor allem, wenn man richtig schwingt. Denn Schwingungen, Frequenzen und Resonanzen spielen in der Esoterik eine große Rolle. Alles schwingt irgendwie; allerdings nicht so, wie die Physiker das Wort “Schwingung” auffassen. Die Schwingungen sind “feinstofflich” oder sonst irgendwie anders; so genau kann das keiner sagen. Hauptsache ist, dass sich die Schwingungen und Frequenzen erhöhen! Denn dass tun sie angeblich, weswegen uns ja auch demnächst die Zeitenwende bevorsteht.
Es ist schwierig, halbwegs vernünftig über dieses Thema zu reden, weil die meisten Esoteriker nur eine vage Vorstellung der Bedeutung dieser Aussagen haben. Ab und zu fällt aber ein konkreter Begriff: Schumann-Resonanz! Die soll sich “erhöhen” und das soll große Auswirkungen haben. Auf der Homepage der “Wahren Forschungsgruppe – Institut für Welteislehre” kann man lesen
“Durch die inzwischen messbare Verschiebung der Erd-Magnetpole zur geographischen Erd-Achse kommt es zur Erhöhung der Schumann-Frequenzen, die für das Leben auf dieser Erde von großer Bedeutung, besonders auch für uns Menschen, ist. Die Frequenz scheint sich in Richtung Alpha-Bereich menschlicher Hirnströme zu verschieben. Das würde bedeuten, daß Menschen zu größerer Kreativität und einem höheren Bewußtsein befähigt werden.”
Und ein Panik-Blog mit der üblichen Werbung für Gold-Ankauf und Bunker erklärt uns:
“Wir wissen, alles besteht aus Schwingungen – das Licht, der Klang und auch die Materie. Somit steht der Mensch, der selbst schwingt, ständig in Resonanz zu externen Schwingungen. Diese beeinflussen uns sehr. So sehr, dass wir in hohem Masse auf Schwingungen reagieren. Selbst die Erde schwingt. Diese Grundschwingung der Erde, die der deutsche Physiker Winfried Otto Schumann entdeckte und nach ihm benannt wurde, die sogenannte Schumann-Resonanz, beeinflusst uns alle.”
Aber es kommt noch besser, weiß man in der Esoterik-Szene:
“Die Schumann-Frequenz ist aber auch eine Resonanzfrequenz des menschlichen Gehirns. (…) Schumann-Frequenzen ermöglichen es also dem Menschen, mit seinem Bewusstsein in direkten Kontakt zur Erde zu treten und Informationen ausserhalb seiner fünf Sinne aufzunehmen, wenn sie zum Beispiel einer solchen Schumann-Welle aufgeprägt sind. Hierzu muss er natürlich einen Bewusstseinszustand erreichen, in dem sein Gehirn gerade die passenden Wellenlängen produziert.”
Auch hier werden Begriffe wie Schwingung, Frequenz oder Wellenlänge ohne Verständnis wild durcheinander geworfen. Aber zumindest ein Wort gibt es wirklich: Schumann-Resonanz. Besagter Winfried Otto Schumann war tatsächlich Physiker und die Schumann-Resonanz ist real. Mit dem ganzen esoterischen 2012-Bewusstseinskram hat sie allerdings nichts zu tun.
Die Schumann-Resonanz beschreibt stehende elektromagnetische Wellen. Eine elektromagnetische Welle ist erstmal nichts besonderes. Die Welt ist voll davon. Licht ist eine elektromagnetische Welle. Wärmestrahlung ist eine elektromagnetische Welle. Radio- und Fernsehsignale werden mittels elektromagnetischen Wellen übertragen. Wenn wir uns an einem warmen Sommertag am Strand in die Sonne legen, dann baden wir in elektromagnetischen Wellen und wir an einem kalten Wintertag die Heizung einschalten ebenso. Jede Welle hat natürlich eine bestimmte Frequenz, also eine Geschwindigkeit, mit der sie auf und ab schwingt. Sichtbare Lichwellen schwingen zum Beispiel schneller auf und ab als die Wellen der Wärmestrahlung und beide schwingen viel schneller als die Radiowellen. Misst man bei einer sich ausbreitenden Welle die Abstände zwischen zwei Wellenbergen, dann bekommt man die Wellenlänge. Je schneller eine Welle schwingt, je höher also ihre Frequenz ist, desto kürzer ist ihre Wellenlänge.
Wie schon gesagt, entstehen elektromagnetischen Wellen auf künstlichen Weg aber auch ständig und überall auf ganz natürliche Art und Weise. Nicht nur die Sonne sendet ständig elektromagnetische Wellen aus, auch Gewitter erzeugen sie beispielsweise. Werden durch Blitze elektromagnetische Wellen in der Atmosphäre erzeugt, dann breiten sie sich dort aus. Die Atmosphäre der Erde wirkt für sie wie ein Wellenleiter. Ungefähr 80 Kilometer über dem Erdboden beginnt die sogenannte Ionosphäre. Das ist eine atmosphärische Schicht, in der die energiereiche Sonnenstrahlung die Moleküle der Luft ionisiert, also Elektronen aus der Hülle der Atome schlägt und sie so elektrisch leitfähig macht. Der Raum zwischen Ionosphäre und Erdboden wirkt wie ein Wellenleiter; reflektiert die Wellen und sie können sich um die ganze Erde herum ausbreiten (das machen aber nicht alle, die kurzwellige Strahlung wird schneller absorbiert und gestreut als die langwelligere). Wenn die Welle nach einem Umlauf um die Erde wieder exakt auf ihren Ausgangspunkt trifft, kann sie sich selbst verstärken und eine stehende Welle bilden. Das passiert natürlich nur, wenn die Wellenlänge stimmt. Ist sie zu kurz oder zu lang, kommt es nicht zur Resonanz und die Welle verschwindet. Der Physiker Winfried Otto Schumann hat in den 1950er Jahren ausgerechnet, welche Frequenz so eine Welle haben muss, damit es zur Resonanz kommt.
Wenn eine Welle eine Frequenz von 7,83 Hertz (das entspricht einer Wellenlänge von 38288 Kilometer) hat, dann trifft sie nach einer Runde um die Erde wieder genau auf ihren Ausgangspunkt. Auch bei 14,1 oder 20,3 Hertz kommt es zur Resonanz. Und im Prinzip noch bei unendlich vielen weiteren Frequenzen – die sind dann aber nicht mehr so stark, weil sie immer öfter an der Ionosphäre reflektiert werden müssen. Die Erde und ihre Ionosphäre ist natürlich kein unveränderliches System. Die Erde ist keine exakte Kugel und je nachdem wo man sie umkreist ist der Weg ein bisschen länger oder kürzer. Die Stärke der Sonneneinstrahlung ändert sich im Laufe eines Tages (Tag-und-Nacht-Zyklus) und damit auch die Dicke der Ionosphäre und ihre Höhe über dem Boden. Auch im Laufe eines Jahres änderen sich die Eigenschaften der Ionosphäre periodisch. Das alles hat Auswirkungen auf die Frequenz, bei der es zur Schuhmann-Resonanz kommt. Es sind also nicht immer exakt 7,83 Hertz sondern manchmal ein bisschen weniger und manchmal ein bisschen mehr.
Und das war es auch schon mit der Schumann-Resonanz. Kein großes Geheimnis, nur eine elektromagnetische Welle. Es gibt keine “Erhöhung” der Resonanz, nur die üblichen und bekannten periodischen Variationen. Wenn sich die Schuhmann-Frequenz tatsächlich kontinuierlich erhöhen, dann hätte sich entweder die Größe der Erde dauerhaft ändern müssen, oder die Position der Ionosphäre. Beides hätte man gemerkt.
Auch mit dem Gehirn hat das alles nichts zu tun. Behauptungen, dass die Schuhmann-Frequenz irgendeinen Einfluss auf unser Gehirn hat, zeigt nur wieder, dass viele Leute zu wenig Ahnung von der Bedeutung bestimmter Wörter haben. Es stimmt, dass die Aktivität des Gehirns immer wieder rhythmische Phasen aufweist und mit bestimmten Frequenzen größer und kleiner wird. Einer dieser Rhythmen sind Alpha-Wellen, bei denen sich die Aktivität mit einer Frequenz von 8 bis 13 Hertz ändert. Aber nur weil das eine ähnliche Zahl ist wie die Schuhmann-Frequenz, müssen die beiden Phänomene nicht zwangsläufig zusammenhängen! “Hertz” bedeutet einfach nur “Schwingungen pro Sekunde”. Wenn ich meine Hand 7 Mal pro Sekunde auf und ab bewege, dann schwingt sie auch mit einer Frequenz von 7 Hertz. Mit der Schuhmann-Frequenz hat das trotzdem nichts zu tun. Das wäre in etwa so, als würde man behaupten, der Mensch würde in einer besonderen Beziehung zur Insel Malta stehen, weil die Körpertemperatur ungefähr 36 Grad beträgt und Malta auf einer geografischen Breite von 36 Grad liegt…
Die Schuhmann-Frequenz existiert. Es sind elektromagnetische Wellen (sehr langwellige Radiowellen übrigens), die natürlich auftreten und keineswegs besonders mysteriös sind. Es gibt keine “Erhöhung” dieser Frequenz und auch unser Gehirn beeinflussen sie nicht. Das ganze Gerede von Schwingungen, Resonanzen und Frequenzen in der esoterischen Szene ist nur Geschwurbel ohne realen Hintergrund. Die “Zeitenwende” ist genauso Unsinn wie der Weltuntergang. Wenn wir wollen, dass die Welt besser wird, dann müssen wir das schon selber machen, anstatt auf irgendwelche mysteriösen Schwingungen zu vertrauen.
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