Das hat man in diesem Fall aber leider nicht getan. Man hat ein Stück Berg bei Lech beschneit. Und dann anscheinend gewartet, bis im Fernsehen das Panoramabild der Gegend auftaucht:
Rechts ist der “belebte” Schnee, links der normale und weil rechts noch mehr Schnee da ist, sind die Behauptungen belegt! Oder? Nein, natürlich nicht. Es gibt jede Menge Gründe, warum der Schnee ungleichmäßig abschmelzen kann, die alle nichts mit irgendeiner “Wasserbelebung” zu tun haben. Um die ausschließen zu können braucht es ein vernünftiges Experiment, so wie oben beschrieben. Es braucht eine statistische Auswertung. Laut der Firma hat der belebte Schnee 2 Stunden länger gehalten. Das klingt erstmal gut. Aber Schnee hat kein Uhrwerk. Mal schmilzt er schneller, mal langsamer und wenn man wissen will, ob es außergewöhnlich ist, dass es mal zwei Stunden länger gedauert hat, dann braucht man mehr Experimente und Statistik. Nur so kann man sagen, ob der eine Schnee wirklich länger hält als der andere. Die Angabe der “30 Prozent” ist sowieso ein wenig seltsam. Im Text wird erzählt, man hätte die Schneefelder eineinhalb Tage beobachtet. Der “belebte” Schnee hätte zwei Stunden länger gehalten. 2 Stunden von 36 Stunden, das macht nach meiner Rechnung 5 Prozent (und die müssen – wie schon gesagt – noch lang nicht statistisch signifikant sein). Wie kommt man auf 30 Prozent?
Ganz einfach. Steht wieder auf der Homepage (Webcite). Man zählt nur die Stunden, in denen die Temperatur über 0 Grad lag. Dann kommt man auf ein Verhältnis von 6,5 Stunden Haltbarkeit zu 8,5 Stunden und den erwähnten 30 Prozent. Aber natürlich ist das auch ziemlich beliebig. Wie wurde die Temperatur gemessen? Gab es über die ganze Gegend verteilte Thermometer die die Temperatur im Boden und im Schnee gemessen haben? Wohl eher nicht, wahrscheinlich hat man einfach an einer Stelle die Lufttemperatur gemessen.
Die Geschichte mit dem Kunstschnee aus “belebtem” Wasser ist ein schönes Beispiel, das für die gesamte Esoterik/Pseudowissenschaftsszene stehen kann. Da hat man zuerst die wie üblich sehr dramatischen Behauptungen; Behauptungen, die die komplette Naturwissenschaft über den Haufen werden würden, wenn sie wahr wären. Sollte die Sache mit dem Wasserbelebungskunstschnee tatsächlich stimmen, dann wäre Wintersport das geringste Problem der Entwickler. Dafür hätte sie dann sowieso keine Zeit mehr. Sie würden Nobelpreise für Physik, Chemie und Medizin bekommen; wären die berühmtesten Wissenschaftler seit Newton und Einstein und hätten die Grundlage für eine völlig neue Physik gelegt. Überraschenderweise ist das den Leuten, die entsprechende Produkte anbieten, meist völlig egal. Ihnen ist zwar bewusst, dass sie der echten Wissenschaft komplett widersprechen; sind aber absolut überzeugt, dass sie recht haben und die gesamte Physik unrecht. Trotzdem scheinen sie nicht das geringste Interesse zu haben, mit ihrer “Forschungsarbeit” die größte wissenschaftliche Revolution aller Zeiten einzuläuten, sondern wollen einfach nur ihren Kram verkaufen. Dieser Unwille, die dramatischen Konsequenzen der eigenen Behauptungen zu akzeptieren, fasziniert mich immer wieder.
Gerade an der Schnee-Geschichte sieht man die gespaltene Einstellung zur Wissenschaft sehr schön. Man verwendet
einerseits jede Menge wissenschaftlich klingende Ausdrücke – “Molekularstruktur” zum Beispiel – und könnte die Behauptungen auch prinzipiell wissenschaftlich sauber belegen. Sowohl im Labor als auch im Experiment gäbe es ausreichend Möglichkeiten, die Behauptung zu belegen, dass “belebter” Kunstschnee länger hält als normaler Kunstschnee. Aber man tut es nicht. Man begnügt sich mit simplen Beobachtungen, die den Anschein eines Experiments erwecken, aber mit echter Wissenschaft nichts zu tun haben.
Natürlich ist es mühsam, vernünftige Experimente zu machen. Das dauert und das kostet Geld. Wissenschaft ist ein mühsames Geschäft. Es ist also nicht überraschend, dass man sich diese mühsamen und teuren Experimente sparen will. Tatsächlich überraschend dagegen – und auch ziemlich deprimierend – ist es, dass man damit durchkommt. Dass sich auch so genug Kunden finden, die bereit sind, für so etwas Geld auszugeben. Aber ok – hier geht es ja ums Skifahren und den Tourismus – also sind es ja wahrscheinlich sowieso nur größtenteils öffentliche Gelder, die hier verschwendet werden. Und über sowas regt sich schon lang keiner mehr auf…
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