Achtung, die Sprachpolizei kommt! Im Namen der “selbsgerechten Political Correctness” wollen Gesinnungspolizei und Gutmenschen eine “Säuberungskampagne” durchführen. Gedankenlose Kulturbanausen suchen unsere guten alten Kinderbücher heim um sie aufs Übelste zu entstellen! Schützt die Sprache!! Schützt die Kinder!!! Nieder mit der politisch korrekten Sprachpest!!!!
Ernsthaft: Ich verstehe die Aufregung um die aktuelle Überarbeitung des Kinderbuchs “Die kleine Hexe” nicht. Als Otfried Preußler das Buch im Jahr 1957 geschrieben hat, hat er das Wort “wichsen” verwendet. Kinder sollen im Buch “ordentlich durchgewichst” werden. Das Wort “wichsen” hat drei Bedeutungen. Es steht für “polieren”, “verhauen” und “masturbieren”. Heute ist fast nur noch die letzte Bedeutung gebräuchlich. Preußler verwendete das Wort im Sinne von “verhauen”. Das wird in der aktuellen Fassung klargestellt und die Kinder werden nicht mehr “durchgewichst” sondern eben “verhauen”. Auch das von Preußler verwendete Wort “Negerlein” bedeutet heute etwas anderes als damals und wird in der Überarbeitung angepasst.
Und? Weswegen muss man sich da so gewaltig aufregen? Liest man das, was Journalist Burkard Müller-Ullrich beim Deutschlandradio schreibt, könnte man das Gefühl bekommen, wir würden kurz davor stehen, einer bösen politisch-korrekten Diktatur unterworfen zu werden, die uns vorschreibt, was wir sagen und denken dürfen… (und Jörg Rings hat diesen vollkommen absurden Artikel in seinem Blog ordentlich auseinander genommen). Auch anderswo regt man sich über die Korrekturen auf. Aber warum?
Ich bin selbst Autor und habe drei Bücher geschrieben. Keine Kinderbücher und keine Romane, sondern wissenschaftliche Sachbücher. Aber gerade die eignen sich gut als Beispiel für das Problem. In meinem Buch “Krawumm!” habe ich zum Beispiel beschrieben, wie unser Mond bei einer großen Kollision entstanden ist. Das ist die Theorie, die die Fakten und Beobachtungen bisher am besten beschreibt und von der die meisten Wissenschaftler überzeugt ist. Und auch wenn es unwahrscheinlich ist, kann sie sich trotzdem irgendwann als falsch heraus stellen. Wenn es so wäre, und wenn es irgendwann eine Neuauflage meines Buchs geben würde, dann wäre ich selbstverständlich daran interessiert, diesen Teil zu überarbeiten und an die veränderten Bedingungen anzupassen. Wissenschaftliche Erkenntnisse ändern sich. Wissenschaft ist nicht starr sondern ständig in Bewegung. Genauso wie die Sprache!
Auch die Sprache ändert sich. Vor 50 Jahren hätte sicher noch jeder gewusst, dass “wichsen” nicht nur mit Masturbation zu tun hat, sondern zum Beispiel auch mit sauberen Schuhen. Aber weil sich die Verwendung der Sprache ändert, ist das heute nicht mehr der Fall. Je älter ein Text wird, desto schwieriger ist er zu verstehen. Wer es testen will, soll einfach mal probieren, das Original des Nibelungenlieds zu lesen. Es geht, so gerade eben noch, aber man verpasst viel, ist oft verwirrt und versteht nicht immer, worum es eigentlich geht. Und genauso verwirrt dürften auch die Kinder von heute sein, wenn sie lesen, dass irgendwer “durchgewichst” wird. Es ist im Sinne des Autors, seinen Text zu aktualisieren und wieder verständlich zu machen (und da Otfried Preußler noch lebt und sich bis jetzt noch nicht negativ zu der Überarbeitung geäußert hat, dürfte er wohl damit einverstanden sein).
Aber natürlich beschränkt sich die Diskussion meist auf das N-Wort! “Die politisch-korrekte Sprach- und Gesinnungspolizei will uns verbieten “Neger” zu sagen! Und als nächstes werden alle in den Knast gesteckt, die kein Binnen-I verwenden!!” Dieses Thema eskaliert meistens ziemlich schnell. Dabei steckt genau das gleiche dahinter wie beim “wichsen”. Sprache ändert sich. Vor 50 Jahren war es noch in Ordnung, dieses Wort zu verwenden (bzw. das Bewusstsein, dass es sich um ein Schimpfwort handelt war wesentlich geringer). Heute hat es sich aber zu einem echten Schimpfwort gewandelt. Und da Otfried Preußler es in seinem Buch nicht als Schimpfwort verwendet hat, wird auch hier wieder eine Eindruck erzeugt, der nicht der Intention des Autors entspricht. Eine Überarbeitung trägt dem Rechnung und passt den Text der veränderten Sprache an.
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