Sowohl die Wirtschaft als auch die Politik bemühen sich, mehr junge Menschen dazu zu bewegen, einen naturwissenschaftlich-technischen Beruf zu ergreifen. Warum auch nicht, immerhin sind gut ausgebildete Fachkräfte nötig, wenn man in Deutschland weiterhin auf hohem Niveau forschen und produzieren will. Und am besten ist es natürlich, wenn man die Jugendlichen schon möglichst früh für die Naturwissenschaft begeistern kann. Zum Beispiel in der Schule. Zum Beispiel mit einem Projekt wie HannoverGEN.
Das ist ein Schulprojekt, das 2011 als “Ausgewählter Ort” der von der Bundesregierung organisierten Initiative “Land der Ideen” ausgezeichnet wiurde. Die Begründung dafür lautete:
“Kaum eine Technologie ist in Deutschland so umstritten wie die Grüne Gentechnik. Hier setzt das Projekt HannoverGEN an. In eigens eingerichteten Laboren an vier Stützpunktschulen können Schüler mit biotechnologischen Methoden experimentieren. Gleichzeitig setzen sie sich mit den Chancen und Risiken der gentechnischen Veränderung von Pflanzen in Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft auseinander. Wissenschaftler und Didaktiker weisen in das Thema ein und unterstützen den Unterricht vor Ort. So vermittelt HannoverGEN nicht nur Wissen, sondern fördert auch den verantwortungsbewussten Umgang mit bioethischen Themen.”
Das klingt nach einem sehr interessanten Projekt. Denn die Gentechnik ist nicht nur ein Teil der Wissenschaft, der heute schon von enormer Bedeutung ist. Sie wird in Zukunft noch viel wichtiger werden. Gleichzeitig ist die Gentechnik ein enorm emotionales Thema über das der Durchschnittsbürger meistens nicht im Detail Bescheid weiß. Vorurteile und Propaganda der verschiedensten Pro- bzw. Contra-Gentechnik-Lobbyisten prägen die öffentliche Diskussion und es wäre daher enorm wichtig, dass man den Jugendlichen beibringt, WAS Gentechnik eigentlich ist, WO sie überall verwendet wird und WIE sie sich selbst eine Meinung bilden. Wenn die Schüler nun also in einem Projekt wie HannoverGEN die Möglichkeit haben, in speziell eingerichteten Labors selbst zu forschen und die Gentechnik kennen zu lernen, dann klingt das nach einer tollen Initiative. Eigentlich genau das, was man haben möchte, wenn man die Jugendlichen von der Naturwissenschaft begeistern will.
Ja, eigentlich schon. Und bei jedem anderem Thema wäre das wohl auch so. Hier aber geht es um Gentechnik. Und Gentechnik ist böse. Gentechnik darf nicht stattfinden. Zumindest nicht in Niedersachsen, wenn es nach der neuen rot-grünen Landesregierung geht. Im Koalitionsvertrag wird ganz explizit gesagt:
“Im Verbund mit der Landwirtschaft wird die rot-grüne Koalition alle Möglichkeiten ausschöpfen, Niedersachsen gentechnikfrei zu halten und dafür keine Fördermittel bereitstellen.”
Niedersachsen hat also in Zukunft gentechnikfrei zu sein. Und dazu zählt offensichtlich nicht nur der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Sondern auch die Information der Schüler über das Thema. Denn der Abschnitt “Gentechnikfreies Niedersachsen” endet mit den Worten:
“Das Projekt HannoverGEN wird beendet.”
Tja. Das sieht ein wenig absurd aus. Aus Sicht der rot-grünen Regierung ist HannoverGEN ein böses Propaganda-Projekt der gentechnik-freundlichen alten schwarz-gelben Landesregierung. Die Grünen sagen auf ihrer Homepage:
“Mit dem Projekt NiedersachsenGen – also mit Genlaboren an Schulen in jedem Landkreis für 15 Millionen Euro – versucht [die CDU/FDP-Landesregierung], die Akzeptanz für genmanipulierte Lebensmittel zu erhöhen. Wir wollen die einseitige Gentechnik-Propaganda der Landesregierung beenden.”
Damit stimmen sie mit Greenpeace überein:
“Der Ansatz von HannoverGEN mag daher auf den ersten Blick begrüßenswert erscheinen, doch eine genauere Auseinandersetzung mit der Entstehung, den Rahmen und Inhalten des Projektes zeigt, dass es sich um einen skandalösen Versuch der Landesregierung handelt, mit höchst zweifelhaften Methoden mehr Akzeptanz für die Gentechnik in Niedersachsen zu schaffen.”
Ist also HannoverGEN doch nur böse Propaganda, mit der die armen Schüler “umgedreht” werden sollen? Man beruft sich bei Grünen und Greenpeace auf eine Studie des “Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft” mit dem Titel: “Keine Akzeptanzbeschaffung für Agro-Gentechnik in den Schulen! HannoverGEN und NiedersachsenGEN stoppen!”. Man muss sie eigentlich gar nicht lesen; der Titel ist schon relativ deutlich. Und nicht überraschend, betrachtet man die Firmen und Organisationen, die die Studie finanziert haben: Das “Bremer Bündnis gegen Gentechnik in Lebensmitteln” oder der “AK Gegen Gentechnologie Göttingen”. Oder die Naturkostproduzenten Demeter, Kornkraft und Naturkost Nord. Eine sonderlich objektive Betrachtung ist hier wohl nicht zu erwarten. Und natürlich sehen die Projektkoordinatoren von HannoverGEN die Studie ganz anders und weisen in einer Stellungnahme” auf diverse methodische Fehler hin.
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