Biologen haben es gut. Im Gegensatz zu den Physiker haben sie ihre große, einheitliche Theorie schon gefunden: Die Evolution. Die Evolutionstheorie erklärt wunderbar, wie die Lebewesen sich entwickeln, verändern und zu dem wurden, was wir heute beobachten. Wie das Leben selbst entstanden ist, ist allerdings kein Teil der Evolutionstheorie – auch Darwin hat zu diesem Thema nie offiziell irgendetwas publiziert. Das heißt aber nicht, dass die Wissenschaftler vollkommen ahnungslos sind. Es gibt viele gute Ansätze, um die Entstehung des Lebens zu erklären. Einer davon wurde vorgestern auf der Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Jena vorgestellt. Der Chemiker Henry Strasdeit von der Universität Hohenheim hielt einen Vortrag zum Thema: “Schritte zum Leben: präbiotisch-chemische Evolution auf erdähnlichen Planeten”. Seine These: Die ersten lebendigen Zellen haben sich auf Vulkaninseln entwickelt und könnten das auch auf extrasolaren Planeten tun.
Damit die Evolution einsetzen und aus dem ersten gemeinsamen Vorfahren aller Lebewesen die große Vielfalt des Lebens machen kann, müssen zuerst einmal die ersten Protozellen entstehen. Irgendwie muss das dafür nötige chemische Inventar aus den einfachen chemischen Elementen zusammengebaut werden, das auf der frühen Erde zur Verfügung stand. Für diesen Prozess gibt es erstmal zwei prinzipielle Möglichkeiten. Es kann heterotroph passieren: Die “Ursuppe” ist die Quelle verschiedenster organischer Moleküle und daraus entstanden komplexe Moleküle wie die RNA, die ersten Vorläufer des Lebens. Das entspricht dem “warm little pond”, dem warmen, kleinen Tümpel, den Darwin sich vorstellte, als er sich in einem Brief doch einmal über die Entstehung des Lebens geäußert hat. Das aber ist aus chemischer Sicht unplausibel; solche Reaktionen laufen normalerweise nicht ab. Die zweite Möglichkeit ist ein autotropher Prozess. Unabhängig von der Ursuppe werden die ersten Biomoleküle in spezieller Umgebung synthetisiert, zum Beispiel an Eisen-Schwefel-Bläschen, die man auf der frühen Erde fand. Das ist möglich und es gibt jede Menge Hypothesen dazu – aber noch keine Experimente, die solche Prozesse belegen können.
Mittlerweile geht man eher von einer Fusion beider Prozesse aus. Einem sogenannten autokatalytischen chemischen Netzwerk, das kleine organische Moleküle herstellt. Das soll folgendes heißen: bestimmte simple chemische Grundstoffe können miteinander reagieren. Die Reaktionsprodukte selbst wirken dann als Katalysator für andere Reaktionen, die wiederum als Katalysator für weitere Reaktionen wirken. So entsteht ein Netzwerk, bei dem das gesamte System autokatalytisch, also selbstverstärkend, ist, obwohl die einzelnen Reaktionen des Netzwerks nicht autokatalytisch sein müssen.
Es dabei auch eher selten, dass die Reaktionen sehr kompliziert sind. Anstatt einer Reaktion, bei der viele verschiedene Elemente zusammen kommen müssen ist es wahrscheinlicher, das viele einfache Reaktionen hintereinander ablaufen. Und das geht am besten in einer Umgebung, in der man viele verschiedene chemische und physikalische Umgebungen finden kann. Und die findet man auf Vulkaninseln!
In den Wolken aus Asche gibt es durch die Reibung Vulkanische Blitze, die Energie liefern und Reaktionen zwischen den Gasen begünstigen können. Die Lava die aufs Meer trifft setzt ebenfalls jede Menge Energie frei. In den ausgewaschenen Löchern der Lavafelder in der Nähe der Küste können sich Tümpel mit unterschiedlich salzhaltigen Lösungen bilden und dann gibt es auf Vulkaninseln auch noch jede Menge unterschiedliche Mineralien und Steine. Vulkaninseln bieten also tatsächlich jede Menge Grundlagen für die verschiedensten chemischen Prozesse.
Genau solche Prozesse erforschen die Chemiker und probieren Reaktionsketten zu finden, die tatsächlich am Ende die Vorläufer der ersten Zellen erzeugen könnten. Aus anorganischen Gasen in den Aschewolken könnten durch die Blitze zum Beispiel Aminosäuren entstehen. Andere Bausteine können entstehen, wenn die Salzkruste an der Küste, wo Lava ins Meer fließt, verdampft und dabei sogenannte Pyrolle erzeugt und noch dazu Salzsäure, die als Katalysator für chemische Reaktionen wirken kann. Aus all dem Zeug können schließlich Porphyrine entstehen und die für das Leben eine wichtige Rolle spielen (zum Beispiel als Vorläufer von Chlorophyll oder Häm).
All diese Reaktionen haben die Chemiker auch im Labor nachvollzogen – was gar nicht so einfach ist, da man die hohen Temperaturen simulieren muss, die auf Vulkaninseln in der Lava herrschen können und alles unter Ausschluss von Sauerstoff stattfinden muss (den es früher auf der Erde ja nicht gab, sondern der erst als Ausscheidungsprodukt der ersten Lebewesen in die Welt kam). Die Wissenschaftler haben sich die Sache auch vor Ort angeschaut und auf Vulkaninseln wie La Reunion Feldstudien angestellt.
Eine faszinierende Geschichte. Ich selbst habe leider zu wenig Ahnung von Chemie, um beurteilen zu können, wie plausibel das alles wirklich ist (und ich hoffe, ich hab bei meinem Bericht über den Vortrag nicht zu viele Fehler gemacht). Aber es ist eine äußerst interessante Vorstellung, dass es gerade die Vulkane sind, die für das Leben auf der Erde verantwortlich sind. Vor allem auch deswegen, weil wir ja auch Vulkane auf anderen Planeten (Mars, Venus) kennen. Auf dem Mars gab es früher aktive Vulkane und flüssiges Wasser – vielleicht gab es auch dort Leben? Es wird vermutlich noch lange dauern, bis wir herausgefunden haben werden, wie das Leben wirklich entstanden ist – falls wir es überhaupt irgendwann herausfinden werden. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir erst dann aufhören werden nach unserem Ursprung zu suchen, wenn wir ihn gefunden haben!
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