“Unabhängig von der Parteizugehörigkeit, die größte Mehrheit im Bundestag bilden ja die Internet-Dooffinder (…) Die lassen sich natürlich von Papierbedruckern auch dazu verleiten, ein bizzares Gesetzungetüm zu verfassen.”
Ich bin fast geneigt, das zu glauben. Wahrscheinlich haben die Leute im Parlament tatsächlich keine Ahnung, was für einen absurden Quatsch sie da beschlossen haben.
Es wird aber noch absurder. Denn das “bedingungslose Grundeinkommen” für die Presse (wieder ein Zitat von Mario Sixtus), das von Google bezahlt werden soll, existiert im nun beschlossenen Gesetz gar nicht mehr (hier ein kurzer Überblick”). Denn kurz vor Beschluss wurde ein kleiner Halbsatz eingefügt und die relevante Passage lautet nun:
“Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.”
Neu ist der Teil ab “es sei denn, …” und der bestätigt nun, dass Google genau so weiter machen kann, wie bisher (Was die Verlage natürlich nicht glauben wollen). Das ganze Gesetz ist also sinnlos; der Zweck, aus dem die Verlage es sich gewünscht haben, wird nun nicht mehr erfüllt. Wer davon nun eigentlich betroffen ist, weiß niemand. Der parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, nannte das Leistungsschutz daher auch ein “Arbeitsbeschaffungsprogram für Rechtsanwälte”.
Das Gesetz schützt nichts, was nicht sowieso bis jetzt auch schon durch andere Gesetze geschützt wird. Es gibt ein Urheberrecht, das klärt, wem welche Inhalte gehören, was andere damit anstellen dürfen, was zulässige Zitate sind und was nicht und so weiter. Das einzige, was das neue Leistungsschutzrecht schafft, ist Unsicherheit. Über die einzelnen Worte in diesem Gesetz werden sich in den nächsten Jahre jede Menge Rechtsanwälte streiten. Ist ein Text aus einem privaten Blog, das eine Werbeanzeige veröffentlicht oder einen Flattr-Button benutzt und so ein paar Cent einnimmt, schon ein gewerbliche Nutzung? Wie klein sind “kleinste Textausschnitte”? Wie groß ist der Unterschied zwischen “klein” und “kleinst”? Ist es ok, einen Satz zu zitieren? Sind zwei ok? Auch drei noch?? Über all das werden sich Gerichte streiten und die Abmahnanwälte werden schon die Formbriefe aufsetzen… Leider gibt es ja in Deutschland jede Menge Anwälte, deren Geschäftsmodell darin besteht, genau solche unklaren Formulierungen auszunutzen, und mit den entsprechenden Abmahnungen Geld zu verdienen. Ein Blogger ist kein Verlag mit Rechtsabteilung und großem Budget und kann sich einen Rechtsstreit meist nicht leisten. Betroffen sind aber nicht nur Blogger, sonder auch die, deren Arbeit ja angeblich mit dem Gesetz geschützt werden soll: die Journalisten.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses vollkommen absurde Gesetz bald wieder korrigiert wird. Der Bundesrat könnte es noch ablehnen und eine Überarbeitung erzwingen. Ich werde daraus aber fürs Erste trotzdem meine eigenen Konsequenzen ziehen. Ich werde nicht mehr auf die Artikel in deutschen Zeitungen verlinken und sie nicht mehr zitieren. Einerseits, um ein Zeichen zu setzen (auch wenn das die Presseverlage wohl ziemlich wenig kratzen wird, ob ich sie verlinke oder nicht). Andererseits auch, weil ich keine Lust habe, irgendwann einmal einen absurden Rechtsstreit führen zu müssen. Ich bin ja kein Medienblog sondern schreibe hauptsächlich über Wissenschaft. Aber ich habe doch immer wieder Mal auf interessante Artikel in der Presse hingewiesen bzw. sie als Quelle und weiterführende Informationen verlinkt. Das werde ich nun nicht mehr tun. Das ist schade, denn es gibt ja durchaus viele gute Artikel, denen man viele Leser wünschen möchte (zum Beispiel einen Artikel von Till Kreutzer von der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht, denn ich aber trotzdem nicht verlinken werde).
Die ganze Geschichte um das Leistungsschutzrecht hat mich an ein Buch erinnert, das ich kürzlich gelesen habe. Darin geht es ebenfalls um absurde Urheberrechtsgesetze – und darüber, wie sie zum Weltuntergang führen… Das Buch heißt “Year Zero” (auf deutsch: Galaxy Tunes®) und wurde von Rob Reid geschrieben. Die Ausgangslage ist herrlich absurd: Das Universum ist voll mit Aliens. Und sie sind in allem besser als wir Menschen. Nur nicht, was die Musik angeht. Hier sind die Menschen die besten Musiker des ganzen Universums. Sie wissen aber nichts davon, weil die Aliens bis jetzt keinen Kontakt zur Erde aufgenommen haben. In der ersten Euphorie über die fantastische Musik haben sie aber unbemerkt durch die Menschen sämtliche Songs auf der Welt kopiert und überall in der Galaxis verteilt. Leider gibt es bei den Aliens aber ein enorm wichtiges Gesetz, eine Art “erste Direktive”, die besagt: Die lokalen Gesetze der jeweiligen Planeten sind immer unbedingt zu befolgen! Und auf der Erde existieren nun mal eben leider jede Menge absurde Urheberrechtsgesetze…
Kommentare (55)