“Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.” Dieser Satz stand in der ersten Fassung des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Das hat einige Politiker anscheinend gestört, denn jetzt findet der Satz sich nur noch in abgewandelter Form an weniger prominenter Stelle (Marcus hat das schön zusammengefasst). Anscheinend wollten einige Politiker dem Volk die Erkenntnis, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden, nicht zumuten. Ist auch irgendwie logisch, denn es gibt wenige Reiche, aber sehr viele Arme und diese armen Menschen (und auch die nicht so armen aber auch nicht so reichen) ärgern sich verständlicherweise über die Ungleichheit im Land. Und das will man als Politiker möglichst vermeiden. Aber die soziale Ungleichheit ist nicht einfach ärgerlich – sie macht uns krank und hat ganz konkrete Auswirkungen auf unser Leben.
Das zumindest belegen die Forschungsergebnisse des britischen Gesundheitswissenschaftlers Richard Wilkinson. Man könnte ja meinen, dass die Lebenserwartung in “reichen” Ländern höher ist als in “armen” Ländern. Und das stimmt auch, wenn man zum Beispiel ein von Kolonialisierung ausgebeutetes und von Bürgerkriegen zerstörters Land in Afrika mit einem wohlhabenden Land in Europa vergleicht. Aber wenn man sich nur die wohlhabenden Länder ansieht, spielt es keine Rolle, wie wohlhabend sie sind. Das hat keinen Einfluss auf Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Bildung, soziale Durchlässigkeit, und so weiter. Aber die soziale Ungerechtigkeit hat einen Einfluss! Je größer der Unterschied zwischen arm und reich, desto schlechter die Bedingungen, wie Wilkinson in seinem Vortrag zeigt:
Das ist schon ein wenig beunruhigend. Die ökonomische Ungleichheit macht Menschen und die Gesellschaft als ganzes krank. Ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit macht die armen nicht nur weniger arm. Ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit würde das Leben aller Menschen beeinflussen und verbessern. Umso seltsamer, dass sich so viele Politiker dagegen wehren, die Kluft zwischen Arm und Reich 1) anzuerkennen und 2) zu verringern. Ich hoffe, das ändert sich. Eine Gesellschaft, in der einige so enorm viel mehr besitzen als so viele andere kann auf Dauer nicht funktionieren (und die Schweizer scheinen das schon erkannt zu haben). Irgendwann muss diese Erkenntnis auch bei den Politikern ankommen. Spätestens dann, wenn die unzufriedenen Menschen immer mehr Extremisten und Populisten in die Parlamente wählen…
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