Auch NGC 4845 ist so ein ruhiges schwarzes Loch. In den letzten 10 Jahren hat man dort keine Aktivität beobachtet. Im Januar 2011 aber hat das Weltraumteleskop INTEGRAL der Europäischen Weltraumagentur ESA dort aber einen Ausbruch an Röntgenstrahlung beobachtet. Was da genau passiert ist, haben Marek Nikolajuk von der Universität Bialystok in Polen und seine Kollegen probiert herauszufinden (“Tidal disruption of a super-Jupiter by a massive black hole”).
Dazu haben sie die Daten von INTEGRAL ausgewertet, aber auch die anderer Instrumente. Zum Beispiel die der Weltraumteleskope XMM-Newton und Swift. Aber auch MAXI (Monitor of All-sky X-ray Image) wurde eingesetzt. Es stammt von der japanischen Weltraumagentur JAXA, ist auf der Raumstation ISS montiert und sieht ein wenig so aus wie ein großer Toaster:
Mit all diesen Instrumenten hat man genau beobachtet, wie stark die Röntgenstrahlung war, wie sich ihre Stärke im Lauf der Zeit verändert hat, wie sich die Strahlung zusammensetzt, und so weiter. Leider kann man ja nicht direkt sehen, was in NGC 4845 passiert. Das schwarze Loch ist sowieso unsichtbar und auch der Rest ist mit 47 Millionen Lichtjahren viel zu weit weg, um irgendwelche Objekte konkret zu beobachten. Aber man kann die Beobachtungsdaten mit Modellen vergleichen. Man kann am Computer simulieren, was passiert, wenn verschiedene Objekte von einem schwarzen Loch verschluckt werden. Je nachdem, wie groß die Objekte selbst sind, wie schwer das schwarze Loch ist und wie genau sie “aufgefressen” werden, erhält man verschiedene Arten von Strahlungsausbrüchen. Und diese Simulationen kann man dann mit der Beobachtung vergleichen und schauen, was am besten passt.
Genau das hat man in diesem Fall getan und die Ergebnisse zeigen, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Himmelskörper handelt, der 14 bis 30 Mal schwerer ist als der Planet Jupiter, der hier vom schwarzen Loch verschluckt wird. Es handelt sich also entweder um einen sehr großen Gasplaneten oder aber um einen braunen Zwerg, ein Mittelding zwischen Stern und Planet. Das schwarze Loch hat das Objekt auch noch nicht komplett verschluckt, sondern erst ein wenig daran geknabbert. Ein Himmelskörper in unmittelbarer Nähe eines schwarzen Lochs leidert ja vor allem an den Gezeitenkräften, denn die sind dort gewaltig. Der Unterschied in der Gravitationskraft zwischen der Loch-nahen Seite und der Loch-fernen Seiten des Planeten/braunen Zwergs ist so groß, dass er regelrecht auseinander gerissen wird! Momentan hat sich das Loch erst 10 Prozent seiner Masse einverleibt – aber der Rest wird sicherlich noch folgen.
Auch das schwarze Loch in unserer Milchstraße frisst ab und zu eine Kleinigkeit (ich habe darüber hier, hier und hier berichtet). Es ist aber schön, so etwas auch einmal in einer anderen Galaxie zu beobachten.
Dieses Video zeigt, wie man sich den Prozess in etwa vorstellen kann:
Ich persönlich finde das vor allem deswegen interessant, weil man hier ein substellares Objekt gesehen hat. Naja, “gesehen” hat. Aber auch wenn dieser Planet/brauner Zwerg bald nicht mehr existiert und wir nur indirekt über seine Existenz Bescheid wissen, ist es doch irgendwie ziemlich cool, dass wir so einen Himmelskörper aus einer Entfernung von 47 Millionen Lichtjahren identifizieren können! Es wird zwar noch ein wenig dauern, bis wir ernsthaft nach extragalaktischen Planeten suchen können. Aber solche kleinen, indirekten Beobachtungen sind nicht unwichtig, wenn wir herausfinden wollen, ob die Dinge in anderen Galaxien genauso ablaufen wie bei uns. Wir wissen mittlerweile, dass in unserer Milchstraße jede Menge Planeten einfach so durchs All fliegen, ganz ohne an einen Stern gebunden zu sein. Diese Planeten werden im Zuge der chaotischen Vorgänge bei der Planetenentstehung aus ihren Systemen geworfen und bewegen sich fortan allein durchs All. Es ist höchstwahrscheinlich, dass das auch in anderen Galaxien passiert und es ist ebenso wahrscheinlich, dass es genau so ein Himmelskörper ist, der vom schwarzen Loch in NGC 4845 gefressen wird. Marek Nikolajuk und seine Kollegen haben probiert, abzuschätzen, wie oft so etwas vorkommt. Nimmt man die Statistiken über die frei herumfliegenden Planeten in unserer Milchstraße und kombiniert sie mit der Zahl der Galaxien in der näheren Umgebung, die wir beobachten können, dann müsste es ein paar solcher Ereignisse pro Jahrzehnt geben. Das ist eine überprüfbare Vorhersage; man kann nun in alten Daten und mit neuen Beobachtunge nachsehen, ob das wirklich stimmt. Und so Informationen über die Planeten fremder Galaxien erhalten, die einige Millionen Lichtjahre weit entfernt sind. Wie schon gesagt: Ich finde das enorm beeindruckend!
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