(Nachtrag: Es steht zwar gleich direkt da unten, aber das sieht anscheinend nicht jeder, also schreibe ich das nochmal fett und hier oben hin: Dieser Artikel ist ein Gastartikel von Dr. Stefan Uttenthaler. Er ist nicht von mir. Von mir stammt nur die Einleitung.)
Vor einiger Zeit hat die österreichische Tageszeitung “Die Presse” ein Gespräch veröffentlicht, in dem drei Physiker über Gott und Religion diskutieren. Nicht irgendwelche Physiker. Sondern der für seine Beam-Experimente weltbekannte Physiker Anton Zeilinger, der ebenso bekannte Walter Thirring und Reinhold Bertlmann, denn man vor allem von der Anekdote über “Bertlmanns Socken” (ein Vergleich mit dem EPR-Effekt) kennt. Die drei Wissenschaftler glauben alle drei auf die eine oder andere Art an etwas, das man “Gott” nennen könnte und das ist für Naturwissenschaftler doch eher untypisch. Was sie genau glauben und warum, erklären sie im Presse-Artikel “Zufall ist, wo Gott inkognito agiert” (WebCite).
Ich persönlich bin ja der Meinung, dass sich Wissenschaft und Religion absolut nicht vertragen. Wissenschaft basiert darauf, dass man Dinge ganz explizit nicht einfach so glaubt, während Religion genau das verlangt. Es sind für mich zwei einander widersprechende Weltsichten und wenn ich auch weiß und akzeptiere, dass es viele Wissenschaftler gibt, die offensichtlich diese beide einander widersprechenden Denkmuster gleichzeitig denken können, gehöre ich selbst nicht dazu. Genau so wie ein “junger, nicht-berühmter Physiker”, der so wie die drei alten, berühmten Physiker aus dem Artikel auch aus Österreich kommt. Dr. Stefan Uttenthaler aus Wien hat bei zwei der drei Physikern studiert und eine Replik auf das Presse-Gespräch verfasst, die ich hier im Blog gerne als Gastartikel veröffentliche.
P.S.Für das in der Diskussion mit Sicherheit wieder auftauchende Argument: “Aber das was du als “Gott” bezeichnest ist ja gar nicht die richtige Definition”, siehe diesen Artikel.
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Ein junger, nicht-berühmter Physiker denkt über Gott nach
Vor kurzem erschienen in der Presse zwei Artikel, in denen drei nicht-junge, berühmte Physiker laut über Gott nachdachten. Der eine Artikel war eine Diskussion zwischen den Professoren Reinhold Bertelmann, Walter Thirring und Anton Zeilinger, der andere ein Bericht vom Vortrag von Walter Thirring anlässlich der Verleihung des Watzlawick-Ehrenrings an ihn. Dies hier ist eine Replik eines jungen, nicht-berühmten Physikers auf diese beiden Artikel.
Eines möchte ich vorausschicken. Ich habe bei zwei dieser Professoren studiert, ich habe eine persönlich sehr hohe Meinung von ihnen. Sie mögen es mir nicht verübeln, wenn ich in einigen Punkten eine erheblich abweichende Ansicht vertrete. Das ist nicht als Angriff auf ihre Person zu verstehen; als gute Wissenschafter sind sie es gewohnt, zwischen ihrer Person einerseits und ihren Hypothesen und Theorien andereseits zu unterscheiden. Als gute Wissenschafter müssen sie es aber auch gewohnt sein, ihre Hypothesen zu verwerfen, wenn sie hinreichend falsifiziert sind oder als logisch widersprüchlich identifiziert wurden.
Damit möchte ich in medias res gehen und gleich eine untergriffige Aussage von Prof. Thirring aufgreifen, wenn er sagt, man muss schon irgendwie schwachsinnig sein, wenn man gar nichts glaubt. Ich danke Prof. Thirring für seinen aufrichtigen Respekt vor Andersgläubigen! Weiter unten schimmert seine Abneigung gegen Nichtgläubige abermals durch, wenn er betont, dass ein frommer Mathematiker aus Tirol „mit einem langen Leben belohnt“ wurde. Wurde sein atheistischer Kollege etwa mit einem frühen Tod bestraft? Solchen Aussagen ist nichts hinzuzufügen.
Als nächstes möchte ich dem Presse-Journalisten Thomas Kramar, der das Gespräch im ersten Artikel moderiert hat, in seiner Behauptung widersprechen, das Weltall sei etwas Höheres. Das Weltall, das Universum, umfasst alles, auch uns selber, wir sind ein Teil des Weltalls, wir sind aus ihm hervorgegangen. Wenn aber Alles etwas Höheres ist, gegenüber was ist es dann „höher“? Das ist ein logischer Widerspruch, somit kann das Weltall als Ganzes nichts Höheres sein.
Die nächste Passage, die ich kritisieren möchte, ist das von Prof. Thirring vorgebrachte Zitat von Hermann Bondi, der gesagt haben soll, dass der Atheismus eigentlich logisch unkonsistent sei, da er etwas verneint, das so vage definiert ist. Dafür, dass der Gottesbegriff vage definiert ist, sind aber nicht die Atheisten zuständig, sondern die Gottgläubigen, die sich auf keine klare Definition einigen können.
Ich verstehe nicht, warum hinter dem „Klicken“ eines Photons im Laborexperiment noch etwas, laut Prof. Bertelmann insbesondere etwas Göttliches, sein soll. Es spielen so viele Effekte und physikalische Phänomene mit bis es überhaupt zu diesem „Klick“ kommt. Ist es nicht schon faszinierend und verwunderlich genug, dass das überhaupt passiert? Muss man hinter Allem und Jedem etwas Göttliches sehen? Eine solche Position wäre beliebig nahe an Naturreligionen dran. Warum soll man die (physikalische) Welt nicht so annehmen, wie sie sich uns offenbart?
Wenn Prof. Zeilinger mit einem persönlichen Gott kommunizieren kann, dann liegt doch eine Beweismöglichkeit für die Existenz Gottes vor unserer Nase: In irgendeiner Weise muss diese Kommunikation doch stattfinden, ich denke hier an göttliche Eingebungen, das müsste sich im Prinzip in einer Untersuchung nachweisen lassen. Zum Beispiel ließe sich an den Gehirnströmen messen, ob eine ungewöhnliche Aktivität, hervorgerufen durch göttlichen Eingriff, stattfindet. Wie der genaue experimentelle Aufbau aussehen soll, da muss uns Prof. Zeilinger auf die Sprünge helfen. Ich schlage im vollen Ernst so eine Untersuchung vor. Ich erwarte zwar nicht, dass dies einen schlagenden Beweis für die Existenz Gottes bringt, jedoch soll man nichts unversucht lassen. Und wie es sich für einen guten Wissenschafter gehört, bin ich sofort bereit, meine Meinung zu ändern, falls die Fakten die Existenz Gottes glaubwürdig untermauern.
Ich möchte auch ausführen, warum der quantenmechanische Zufall keine Möglichkeit für Gott bietet, lenkend in den Lauf der Welt einzugreifen, im Gegensatz zu den Behauptungen von Prof. Zeilinger und Prof. Thirring. Vorgänge, die nach dem quantenmechanischen Zufall ablaufen, wie z.B. der Zerfall radioaktiver Atome, sind an ganz bestimmte statistische Gesetze gebunden. Eine Abweichung von diesen Gesetzen würde uns sofort auffallen, nicht nur im Physiklabor. Makroskopische Größen wie Luftdruck und -temperatur ergeben sich ebenfalls aus statistischen Gesetzen, denen der Mikrokosmos gehorcht und in denen der quantenmechanische Zufall eine Rolle spielt – eine Abweichung von diesen Gesetzen würde uns unweigerlich auffallen. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, dass Gott nicht im Großen – im statistischen Ensemble – eingreift, sondern im Kleinen – im einzelnen, quantenmechanisch zufälligen Ereignis – dann schwindet seine Einflussmöglichkeit gegen Null! Das, was früher „Gott der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde“ war, ist auf eine Miniaturausgabe zusammengeschrumpft. Die Aussage, „Zufall ist, wo Gott inkognito agiert“, ist meiner Ansicht nach also nicht haltbar.
Überhaupt schwingt in dem Gespräch immer die Diskussion von Eigenschaften Gottes mit, etwa bei der Frage von Thomas Kramar, ob Gott an die Gesetze der Logik gebunden ist. Ich kann meinen Physiker-Kollegen nur zustimmen, dass sie sich dieser Diskussion weitgehend verwehren – die Eigenschaften jedes Wesens kann man erst diskutieren, wenn seine Existenz außer Zweifel steht. Auf vergleichbare Weise entbehrlich wäre die Frage, ob rosa Einhörner den Paarhufern oder den Unpaarhufern zuzuordnen sind.
Die von Prof. Zeilinger eingeworfene Idee, dass die Physik etwas monotheistisches hat, etwa in der Form der Erhaltungssätze, halte ich für reinen christlichen Chauvinismus. Erhaltungssätze haben den Rang von Naturgesetzen, sie hätten also von jedem denkbaren Wissenschafter entdeckt werden könne, egal ob mit poly-, pan-, mono- oder atheistischem Hintergrund. Die Tatsache, dass hauptsächlich Physiker mit monotheistischem kulturellen Hintergründen zu deren Entdeckern gehören, ist nur dem (nicht quantenmechanischen) Zufall zu schulden, dass sie eben früher dran waren.
Weiters behauptet Prof. Thirring, dass heute die meisten Physiker an „die eine Urkraft“ glauben. Ersten bestreite ich, dass es wirklich „die meisten“ sind (dafür möchte ich gerne Zahlen einer entsprechenden Umfrage sehen), und zweitens ist mir absolut unklar, was mit dieser „Urkraft“ gemeint sein soll? Physiker suchen nach der sogenannten Dunklen Materie, versuchen zu ergründen, was die Dunkle Energie ist, sind auf der Suche nach der Grand Unified Theory und nach der Quantentheorie der Gravitation, aber all diese Konzepte werden verfolgt, um ganz konkrete Phänomene zu erklären. Was jedoch diese Urkraft sein soll, ist bisher an mir vorüber gegangen. Es kann sich nur um etwas Höchstspekulatives handeln, das in der gegenwärtigen physikalischen Diskussion kein brauchbares Konzept ist.
Mit am befremdlichsten ist jedoch für mich die Diskussion der Theodizee, der Frage, wie ein allmächtiger und gütiger Gott so viel Leid zulassen kann. Diese Frage wäre eigentlich ein hervorragendes Beispiel für Ockhams Rasiermesser, das besagt, dass die einfachste, unkomplizierteste Theorie mit den wenigsten Annahmen (meist) auch die richtige ist. Wendet man Ockhams Rasiermesser konsequent an, kann die Antwort auf die Theodizee nur sein, dass es keinen Gott gibt und das Leid durch unser freies Tun bzw. Naturereignisse (z.B. Erdbeben) in die Welt kommt. Damit sind alle argumentativen Verrenkungen, die in der Geschichte und auch im vorliegenden Gespräch der drei Physiker zuhauf zu finden sind, elegant umgangen. Das einzige was es dazu braucht, ist der Mut, die Grundannahme, dass es einen (allmächtigen und gütigen) Gott gibt, fallen zu lassen. Abgesehen davon wird jeder Philosoph bestätigen, dass Gut und Böse etwas Relatives und nichts Absolutes sind und somit auch keine Triebfeder für den Fortschritt, die biologische Evolution oder die individuelle Entwicklung sein können; es sind Behauptungen wie diese, die diesen Abschnitt des Gesprächs gelinde gesagt so schwer verdaulich machen.
Prof. Thirring hat bei seiner Antwort auf die Pilatusfrage („Was ist Wahrheit?“) wohl nicht sehr viel nachgedacht. Seine Antwort lauter: „Wahrheit ist, was in 2000 Jahren noch eine Richtigkeit haben wird.“. Damit hat er das Problem nur verschoben, denn was ist dann „Richtigkeit“? Jeder Logiker wird ob so einer Antwort nur den Kopf schütteln. Abgesehen davon ist die Zeit, wie lange etwas Bestand hat, nicht als Kriterium für den Wahrheitsgehalt einer Sache tauglich. Wenn das so wäre, müsste auch die Astrologie einen Wahrheitsgehalt haben, denn die gibt es auch schon mehr als 2000 Jahre lang.
Meine Antwort auf die Pilatusfrage lautet hingegen: „Wahrheit ist, was einer kritischen Überprüfung standhält und immer noch gültig ist, selbst wenn man nicht daran glaubt.“ Ich halte den Gottglauben für menschliches Wunschdenken. Das ist zwar menschlich verständlich, es bringt uns aber auch nichts, wenn wir uns einer Illusion hingeben. Wir hören besser auf, uns selber in die Tasche zu lügen und sollten uns endlich mit der Möglichkeit anfreunden, dass es keinen Gott geben könnte. Offensichtlich ist es selbst für manche hochgebildete Wissenschafter schwer, sich mit dieser Möglichkeit anzufreunden. Wo liegt die Schwierigkeit?
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in den meisten großen Medien Österreichs verpönt zu sein scheint, überhaupt auszusprechen, dass es möglicherweise keinen Gott gibt. Ist das eine so ungehörige Aussage, die dem mündigen Bürger nicht zugemutet werden kann? Die drei Physiker müssen sich im Klaren sein, dass nun ihre Aussagen landauf landab in den Kirchen als „Beweis“ für die Existenz Gottes verkauft werden. Wenn das drei berühmte Wissenschafter sagen, wird es schon stimmen.Zweiflern wird ohnehin kein Gehör geschenkt, wenn man sich selber in die Tasche lügt
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