Das hier ist ein Artikel über die Beobachtung ferner Galaxien. Es ist aber auch ein Plädoyer für die “langweilige” Arbeit der Katalog-Erstellung. Denn wenn man Wissenschaft nur aus Pressmitteilungen und Medienberichten kennt, dann kann man leicht der irrigen Ansicht erliegen, als Wissenschaftler würde man täglich irgendwelche höchst bedeutenden Entdeckungen machen und sich immer nur mit den faszinierendsten Fragen der Menschheit beschäftigen. Und natürlich machen Wissenschaftler höchst bedeutende Entdeckungen und sie beschäftigen sich mit faszinierenden Fragen. Aber eben nicht nur. Die Astronomen suchen nicht nur nach außerirdischem Leben und der “zweiten Erde” im All. Sie machen sich nicht nur Gedanken über schwarze Löcher und den Urknall. Die wissenschaftliche Arbeit besteht nicht nur aus All sondern auch aus Alltag. Nicht jedes Forschungsgebiet ist sexy genug, damit es in die Medien gelangt. Die Exoplanetenforscher können ihre Arbeit mit dem Hinweis auf die “zweite Erde” so gut wie immer in den Zeitungen unterbringen. Wer sich der mühsamen Aufgabe widmet, Kataloge zu erstellen, wird nur selten öffentliche Anerkennung bekommen. Und das ist schade. Denn diese Arbeit mag zwar langweilig klingen – ist aber genau so wichtig wie die ganze andere Forschung. Vielleicht sogar noch wichtiger…
Klar – wenn jemand den Medien eine fremde Welt präsentieren kann, dann ist das viel beeindruckender, als wenn man nur jede Menge Seiten voller Zahlen hat. Aber ohne die Zahlen wüssten wir nichts von der fremden Welt. Die ganzen Kataloge, die Astronominnen und Astronomen im Laufe der Zeit zusammengestellt haben, bilden die Grundlage der wissenschaftlichen Forschung. Wenn man Exoplaneten finden will oder schwarze Löcher oder ferne Galaxie, dann beginnt die Arbeit meistens mit Katalogen. Wo genau befinden sich die Objekte, die man untersuchen will? Das steht im Katalog. Wie hell sind sie? Steht im Katalog? Ist der Stern den ich beobachten will, ein veränderlicher Stern oder ein Überriese (und damit ungeeignet für die Suche nach Planeten)? Befindet sich dort, wo ich Strahlung aus der Umgebung eines schwarzen Lochs registriert habe, eine Galaxie? Wackelt dieser Stern ein klein wenig? Die Antworten auf all diese Fragen kann man in Katalogen finden – vorausgesetzt, jemand hat sich vorher die Mühe gemacht, so einen Katalog zu erstellen.
Zum Glück gibt es immer noch genug Leute, die das tun. Und hoffentlich bleibt das auch so. Denn jedesmal, wenn wir neue und bessere Kataloge bekommen, dann lernen wir auch verdammt viel Neues über das Universum (der Hipparcos-Katalog, dessen Geschichte ich hier ausführlich beschrieben habe ist ein wunderbares Beispiel dafür). Das kann man am Beispiel der Arbeit “An ALMA survey of submillimeter galaxies in the Extended Chandra Deep Field South: Source catalog and multiplicity”. Der Titel dieser Arbeit von Jacqueline Hodge vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und ihren Kollegen klingt eher technisch und ja, auch ein wenig langweilig. Bei genauerer Betrachtung ist die Sache aber ziemlich interessant.
Es geht um “Submillimetergalaxien”. Das sind keine Galaxien, die weniger als einen Millimeter groß sind. Sondern Galaxien, die sich besonders gut im Submillimeterbereich des elektromagnetischen Spektrums beobachten lassen. Also bei Licht, dessen Wellenlänge nur wenig kürzer als ein Millimeter ist. Diese Art der Strahlung bezeichnen wir normalerweise als Mikrowellen oder Radiowellen und die Astronomen haben spezielle Teleskope, um sie zu beobachten. ALMA ist so ein Instrument. Das steht für “Atacama Large Millimeter/submillimeter Array” und bezeichnet eine Anlage aus 66 großen Radioantennen die auf verschiedene Art zusammengeschaltet werden können. Damit lässt sich die Millimeter- bzw. Submillimeterstrahlung der Sterne und Galaxien so genau wie nie zuvor beobachten.
Die speziellen Submillimetergalaxien, an denen ALMA interessiert ist, kennt man erst seit knapp 20 Jahren. Damals hatte man sehr weit entfernte Galaxien entdeckt, die eine enorm hohe Sternentstehungsrate zeigten. Sehr hoch. Wirklich hoch! Ungefähr 1000 neue Sterne entstanden dort pro Jahr. Bei uns in der Milchstraße sind es ungefähr drei Sterne, die jährlich neu entstehen. Diese hohe Sternentstehungsrate schafft zwei Probleme. Erstes Problem: Die Galaxien sind voll mit Staub. Dort wo viele Sterne entstehen, entstehen auch viele massereiche Sterne, die sich am Ende ihres Lebens stark aufblähen und die äußeren Schichten ihrer Atmosphäre ins All blasen. Dabei können verschiedene Molekülarten bzw. Staubkörner entstehen. Der Staub blockiert aber das normale Licht und mit normalen Teleskopen können wir kaum etwas sehen. Zweites Problem: Je mehr Sterne entstehen, desto mehr Strahlung geben sie ab. Diese Strahlung erhöht die Temperatur der Gaswolken in der Galaxie. Die Teilchen der aufgeheizten Wolke bewegen sich immer schneller und die Wolke löst sich auf. Es sind aber genau diese Gaswolken, aus denen neue Sterne entstehen. Sind die Wolken weg, gibt es auch keine neuen Sterne mehr. Die Sternentstehungsrate der Submillimetergalaxien ist so hoch, dass sie eigentlich gar nicht existieren sollten.
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