Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind wir alle ganz normale Menschen die ein normales Leben führen und jeden Tag normale Dinge machen. Und daran ist auch absolut nichts auszusetzen. Normalität ist nicht verwerflich. Das Leben ist eben kein Fantasyroman oder Spionage-Thriller wo Abenteuer und Aufregung auf jeder Seite lauern. Es kommt außerdem nicht so sehr darauf an, ob man ein “aufregendes” Leben führt oder nicht, sondern darauf, wie man mit diesem Leben umgeht. Der Alltag kann durchaus spannend sein; man muss nur aufmerksam und mit offenen Augen durch die Welt gehen (siehe zum Beispiel hier). Und dann haben wir Menschen ja auch noch unsere Fantasie und können unseren Drang nach Abenteuer dort ausleben. Mit Filmen, Bücher, Spielen und diversen anderen Aktivitäten. Aber das scheint manchen nicht zu reichen. Sie wollen wirklich außergewöhnlich sein – und das am besten ohne die ganze Mühe, die man normalerweise auf sich nehmen muss, um diese Status im echten Leben zu erreichen. Sie flüchten sich daher in esoterische Welten, in denen sie das sein können, was sie schon immer sein wollten: Ein ganz besonderer Mensch!
“Esoterik” bezeichnete ja ursprünglich mal ein “geheimes Wissen”, das nur einem kleinen und ausgewählten Personenkreis zugänglich war. Wer dieses esoterische Wissen besaß, gehörte zur Elite. Heute findet man die esoterischen Produkte zwar überall und sie sind für alle zugänglich; die Anhänger esoterischer Lehren sehen sich aber immer noch als Teil einer “Elite”, die mehr weiß als der Rest der Welt. Ein gutes Beispiel dafür sind die diversen “Lichtarbeiter”, also Menschen, die behaupten, telepathischen Kontakt mit verschiedenen außerirdischen oder überirdischen Wesen zu haben. Kryon zum Beispiel:
“Ich bin KRYON vom magnetischen Dienst. Ich spreche durch das Medium und während sie meine Buchstaben niederschreibt, erhöhe ich jeden einzelnen Buchstaben mit meiner Energie, um euch in eurer Seele anzutreffen. Ihr werdet diese Energie spüren. Zu keiner Zeit hat je ein Engel selbst etwas geschrieben, immer hat er sich eines Mediums bedient und ich habe mir ein Medium gewählt, das meine Botschaften präzise an euch weitergibt.”
Von einem außerirdischen Überwesen als Medium ausgewählt zu werden und seine Botschaften zum Wohle der Menschheit empfangen zu können ist natürlich eine coole Sache. Damit das klappt braucht man aber eine entsprechende Ausbildung, die man von den Lichtarbeiter natürlich gerne bekommt (gegen entsprechende Bezahlung natürlich). Wenn man ein “Lichtpionier” werden will, braucht man natürlich auch einen passenden Namen. Heinz Müller oder Susi Meier sind nicht geeignet, die kosmischen Botschaften zu empfangen. Nama’Teanus und Ana’Shakrija dagegen schon. Mit so einem Namen wird auch sofort jedem klar, dass man kein normaler Mensch mehr ist, sondern etwas besonderes! Und natürlich gibt es auch jede Menge beeindruckend klingende Titel. “Botschafter des Lichts” zum Beispiel oder “Elohim-Gotteskundschafter” (ich habe hier mehr darüber geschrieben). Und wenn man dann Elina’Noheea, ein “Bewußtseinsmedium des Aufstiegs und des Erwachens” ist und der “Weißen Priesterschaft des Planetaren Logos” angehört, dann kann man endlich in der aufregenden Welt der esoterischen Überwesen leben. Man nimmt Teil am Aufstieg und Fall der transdimensionalen Völker und Föderationen, hört Geschichten über Atlantis, magnetische Reiche, Dimensionstore und Kristallwelten voller Engel. Man erkennt die wahre Welt und kann dem unerleuchteten Rest der Menschheit Botschaften von Licht und Liebe überbringen und so zur Rettung der Erde beitragen.
Daran wäre im Prinzip ja nichts auszusetzen. Der ganze Lichtarbeiter-Kram unterscheidet sich kaum von dem, was Millionen Menschen jeden Tag zum Beispiel in Rollenspielen wie “World of Warcraft” tun. Auch dort schlüpft man in eine andere Rolle, erlebt in einer Fantasiewelt aufregende Abenteuer und kann dem Alltag ein wenig entkommen. Aber die Lichtarbeiter spielen ja leider kein Spiel, sondern halten ihre Welt für real. Sie glauben, die Kommunikation mit den Überwesen könne ihnen besondere Fähigkeiten verleihen und nennen sich “Bioenergietherapeut”, “Heiler der Syron-Frequenz” oder “Heiler der Neuen Zeit”. Mit ihren angeblich speziellen Fähigkeiten wollen sie kranke Menschen heilen und da wird die Sache dann gefährlich. Aber man könnte immer noch argumentieren, dass es sich um erwachsene Menschen handelt. Wenn da jemand viel Geld ausgeben will, um “Hiam’Anastra – Meister der Aspekte” zu werden und andere Menschen viel Geld ausgeben wollen, um sich von so einem “Meister” behandeln zu lassen, dann ist das ihre Sache. Aber leider werden auch Kinder in die esoterische Zauberwelt hinein gezogen.
Wenn es um die eigenen Kinder ist ja jeder – egal ob Esoteriker oder nicht – fest davon überzeugt, dass sie etwas besonders sind. Und das stimmt ja auch: Das eigene Kind IST für die Eltern ein ganz besonderer Mensch. Und es ist nur natürlich, dass wir davon überzeugt sind, dass unsere Kinder schöner, klüger und besser sind, als die Kinder anderer Leute. Einen Schritt weiter gehen aber die Eltern, die behaupten, ihr Nachwuchs wäre ein “Indigokind” oder ein “Kristallkind”. Das sollen Kinder eines neuen Zeitalters sein; Kinder, die auf einem höheren geistigen Niveau stehen als der Rest der Menschheit. Kinder, die nicht von dieser Welt sind und die Welt zu einer besseren Welt machen werden. Jörg Wipplinger erklärt in seinem Videoblog “Die Wahrheit” ausführlich, wer und was diese Kinder sein sollen:
Wie gesagt: Es ist normal, dass Eltern ihre Kinder für ganz besondere Wesen halten. Das ist auch gut so, denn Kinder brauchen die Aufmerksamkeit und Zuwendung ihrer Eltern. Wenn aber einem Kind ernsthaft eingeredet wird, dass es ein “höheres Wesen” ist und dereinst die Welt verändern wird, dann kann das für seine Entwicklung nicht gut sein. Und von den ganzen Produkten und Seminaren die zu diesem Thema angeboten werden und mit denen man an das Geld der leichtgläubigen Eltern kommen möchte, will ich gar nicht erst anfangen…
Die echte Welt ist spannend genug und viel spannender als jede Fantasiewelt, die man sich ausdenken kann. Kinder SIND besondere Menschen (Erwachsene übrigens auch). Und wie ich anderswo schon geschrieben habe: Kinder haben ein Recht darauf, nicht verarscht zu werden. Man sollte den Kindern die echte Welt zeigen und ihnen nicht einreden, dass sie in einer Fantasiewelt leben…
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