Zum Beispiel beim Bullet-Cluster. Dabei handelt es sich um einen Galaxienhaufen. Oder eigentlich zwei Galaxienhaufen, die gerade dabei sind, miteinander zu kollidieren. Man kann nun bei dieser Kollision genau verfolgen, wie sich die unterschiedlichen Komponenten so eines Galaxienhaufens verhalten. Da gibt es einmal die Galaxien selbst, die normale, helle Materie. Dann gibt es das dünne, heiße Gas, dass sich zwischen den Galaxien des Haufens befindet. Und dann soll da schließlich noch die dunkle Materie sein, die sich ebenfalls zwischen den Galaxien und um die Haufen herum befindet. Bei einer Kollision ist zu erwarten, dass die Galaxien der beiden Haufen einander einfach durchdringen. Zwischen den Galaxien ist zu viel Platz, als das hier mit tatsächlichen Kollisionen gerechnet werden kann. Die großen intergalaktischen Gaswolken der beiden Galaxienhaufen sollten dagegen aufeinandertreffen und sich gegenseitig bremsen. Das war genau das, was man beobachten konnte. Bei den Galaxien und dem Gas (das wegen seiner hohen Temperatur starke Röntgenstrahlung abgab und mit einem Röntgenteleskop beobachtet werden konnte) war das leicht zu machen. Aber man wollte ja auch noch wissen, was die dunkle Materie macht.
Die konnte man nicht direkt beobachten. Aber man wusste, dass sie zumindest eine Gravitationskraft ausübte. Und das hieß, dass man den Gravitationslinseneffekt ausnutzen konnte. Den haben ich hier genauer erklärt; kurz gesagt geht es darum, dass Masse den Raum krümmt, wie Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie festgestellt hatte. Lichstrahlen folgen der Krümmung des Raums und massive Objekte können daher wie Linsen aus Glas wirken. Trifft zum Beispiel das Licht einer fernen Galaxien auf seinem Weg eine große Ansammlung von Materie – eine andere Galaxie oder eben eine große Wolke aus dunkler Materie – dann wird es abgelenkt. Das Bild der Galaxien das wir sehen können, erscheint uns verzerrt und aus einer exakten Analyse dieser Verzerrungen kann man berechnen, wo sich die Masse befinden muss, die den Linseneffekt verursacht und wie viel es davon gibt. Die Astronomen haben sich also auch beim Bullet-Cluster auf die Suche nach Gravitationslinsenverzerrungen gemacht und konnten so herausfinden, wo sich dort Masse befindet; egal ob leuchtend oder dunkel.
Das Ergebnis sieht so aus:
Die hellen Dinger sind die Galaxien und wurden mit ganz normalen Teleskopen im ganz normalen Licht fotografiert. Rosa eingefärbt sind die Regionen, in denen sich das Gas befindet, das mit dem Röntgenteleskop gefunden wurde. Und blau sind die Bereiche, in denen man mit dem Gravitationslinseneffekt die Masse gefunden hatte.
Diese Daten zeigen zwei Dinge: Zuerst einmal wieder den alten Befund. Es gibt viel mehr Masse, als man sehen kann. Die Daten der Gravitationslinsenanalyse zeigen, dass die Galaxien nicht ausreichen, um alle Verzerrungen zu erklären – es muss mehr geben. Außerdem zeigen sie aber noch, dass sich diese dunkle Materie offensichtlich nicht wie das Gas verhalten hat. Gas und dunkle Materie wurden bei der Kollision der Galaxienhaufen getrennt. Genau das hatte man erwartet, denn wie ich schon in Teil 4 der Serie erklärt habe, haben die kosmologischen Betrachtungen gezeigt, dass es neben der normalen (baryonischen) Materie auch noch andere geben muss. Und diese andere Materie sollte mit sich selbst nur sehr schwach wechselwirken. Die Schockwellen die bei der Kollision der normalen Gaswolken entstehen und zur deren Abremsung führen, gehen auf die elektromagnetische Wechselwirkung der Gasteilchen zurück und nicht nur auf die Gravitation. Die dunkle Materie kann aber nicht elektromagnetisch wechselwirken, denn Licht ist ja nichts anderes als elektromagnetische Strahlung. Würde die dunkle Materie aber Licht bzw. andere elektromagnetische Strahlung aussenden, absorbieren oder reflektieren, dann wäre sie nicht dunkel. Man ging also davon aus, dass sich die Wolken aus dunkler Materie bei der Kollision der Galaxienhaufen ebenfalls durchdringen mussten, ohne sich dabei abzubremsen. Und das ist genau das was man sieht. Blaue Bereiche, also dunkle Materie, links und rechts und das heiße Gas (in rosa) in der Mitte.
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