Die Größe eines Planeten ist Ansichtssache. Wortwörtlich, denn es kommt immer darauf an, in welchem Licht man einen Himmelskörper betrachtet. Bei der Suche nach extrasolaren Planeten hat man sich bis jetzt im wesentlichen auf das sichtbare Licht beschränkt; also den Bereich des elektromagnetischen Spektrums den auch wir Menschen mit unseren Augen wahrnehmen können. Die beiden Weltraumteleskope Kepler und CoRoT haben zum Beispiel in den letzten Jahren hunderttausende Sterne beobachtet und darauf geachtet, ob manche von ihnen regelmäßig blinken. Denn der Grund für diesen periodischen Helligkeitsabfall könnten Planeten sein, die den Stern umkreisen und immer wieder einen Teil seines Lichts blockieren. Wie viel Sternenlicht durch einen Planeten blockiert wird, hängt natürlich von seiner Größe ab. Aber nicht alle Planeten sind feste Kugeln aus Metall und Gestein, so wie unsere Erde. Manche bestehen fast komplett aus Atmosphäre und bei diesen Gasriesen spielt auch die Zusammensetzung eine wichtige Rolle, denn sie bestimmt die “Größe”, die wir beobachten. Die Schichten der Atmosphäre, die das Licht des Sterns durchdringen kann, sind für uns quasi unsichtbar und tragen nichts zur beobachtbaren Größe bei. Ein Gas kann aber bei bestimmten Lichtwellenlängen durchlässig sein und bei anderen nicht. Wenn wir immer nur einen einzigen Bereich des gesamten Lichtspektrums für die Beobachtungen nutzen, verpassen wir also einiges. Aber das ändert sich langsam. Vor kurzem gelang die erste Detektion eines planetaren Transits im Röntgenlicht.
HD 189733b ist ein großer Planet aus Gas; größer noch als Jupiter, der größte Planet in unserem Sonnensystem. Er umkreist einen 63 Lichtjahre entfernten gelben Zwergstern in unmittelbarer Nähe. Seine Umlaufbahn ist so eng, dass er nur 2 Tage für eine Runde um den Stern braucht. Wegen dieser kurzen Distanz ist es auf dem Planeten auch enorm heiß; die Temperaturen betragen um die 1000 Grad. Der Planet machte vor kurzem Schlagzeilen, weil man mit dem Hubble-Teleskop seine Farbe bestimmen konnte. HD 189733b ist blau – was uns natürlich sofort an große Ozeane aus Wasser denken lässt. Die kann es dort aber nicht geben, denn der Planet hat keine feste Oberfläche und ist, wie schon gesagt, über 1000 Grad heiß. Die Farbe entsteht durch winzige Staubteilchen in der oberen Atmosphäre, die das blaue Licht stärker streuen als das rote und ihn so tief-blau erscheinen lassen.
Aber es soll ja nicht schon wieder um das sichtbare Licht gehen. Da wir Menschen uns von allen Sinnen am meisten auf unsere Augen verlassen, ist es zwar verständlich, dass wir uns dafür interessieren, wie die Dinge für uns aussehen. Aber wir lernen mehr, wenn wir auch andere Augen zulassen. Zum Beispiel die großen Röntgenaugen von Chandra und XMM-Newton. Das sind zwei Weltraumteleskope, die Röntgenstrahlung beobachten können. Die wird von Sternen, schwarzen Löchern, Galaxien, Quasaren und jeder Menge anderer Himmelskörper erzeugt und wir können viel aus ihrer Beobachtung lernen. In der Exoplanetenforschung hat man sich aber bis jetzt eher wenig mit Röntgenstrahlung beschäftigt. Katja Poppenhaeger, eine deutsche Astronomin von der Hamburger Sternwarte die demnächst am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics arbeiten wird, hat das geändert.
Sie war daran interessiert, ob man planetare Transits auch im Röntgenlicht beobachten kann. Die Erde zum Beispiel ist im Röntgenlicht betrachtet 100 Kilometer größer als im optischen Licht, da die äußeren Schichten ihrer Atmosphäre Röntgenlicht absorbieren, das normale Licht aber durchlassen. Solche Beobachtungen wären auch für die Exoplaneten interessant, denn dann wüssten wir, wie weit sich die obersten Atmsphärenschichten der großen Gasriesen ins All erstrecken. Poppenhaeger hat ihre Suche in den Archiven begonnen. Mit etwas Glück hatte eines der Röntgenteleskope genau in dem Moment auf einen Stern geblickt, in dem dort gerade ein Planet vorüber zog. Aus den optischen Beobachtungen von Kepler, CoRoT und den anderen Teleskopen und ihren Entdeckungen wusste man ja schon, welche Sterne Planeten haben und wann sie vor dem Stern vorüber ziehen. Und bei HD 189733b hatte Katja Poppenhaeger Glück. Ein bisschen zumindest.
XMM-Newton, das Röntgenteleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA hatte zwar genau im richtigen Moment den richtigen Stern beobachtet. Aber es war nur eine einzige Beobachtung und die Daten waren sehr verrauscht. Der Stern um den HD 189733b kreist ist magnetisch aktiv und das erzeugt viel zusätzliche störende Röntgenstrahlung. Mit etwas Fantasie konnte man zwar einen kleinen Abfall der Röntgenstrahlung zum Zeitpunkt des Transits erkennen, aber es war ungefähr so, als wollte man in einer lauten Kneipe ein geflüstertes Gespräch belauschen, wie Poppenhaeger im Bericht über ihre Entdeckung schreibt. Gegen Rauschen helfen nur mehr Daten und die bekam Poppenhaeger vom Chandra-Röntgenteleskop der NASA. Sie konnte sechs Transits des Planeten beobachten und die Kombination aller Beobachtungsdaten erlaubte es, das störende Röntgenrauschen des Sterns zu eliminieren, so dass der Transit deutlich sichtbar wurde. Die Ergebnisse der Arbeit kann man im Artikel “Transit observations of the Hot Jupiter HD 189733b at X-ray wavelengths” nachlesen. So sehen die Daten aus:
Das Diagramm zeigt, wie stark die Helligkeit des Sterns während eines Transits im Röntgenlicht bzw. dem normalen Licht im Vergleich zum Normalwert abgefallen ist. Die vielen kleinen Punkte zeigen den Abfall im optischen Bereich an, die Dreiecke sind die Messwerte des Röntgenteleskops. Die gestrichelte Linie zeigt das Modell an, dass am besten zu diesen Messerwerten passt. Man erkennt deutlich, dass die Helligkeit des Sterns im Röntgenbereich viel stärker abfällt als beim normalen Licht. HD 189733b ist also tatsächlich im Röntgenlicht “größer”. Er blockiert zwischen 6 und 8 Prozent der vom Stern ausgesandte Röntgenstrahlung aber nur 2,4 Prozent des optischen Lichts. Daraus folgt, dass der Radius des Planeten im Röntgenlicht betrachtet knapp 60.000 Kilometer größer ist als im normalen Licht!
Diese Beobachtung ist aus mehreren Gründen wichtig. Erstens, weil man sie gemacht hat. Es wurde gezeigt, dass man den Transit von Exoplaneten im Röntgenlicht nachweisen kann. Zweitens weiß man nun, dass es sich lohnt, solche Beobachtungen zu machen. Man lernt tatsächlich mehr über die Planeten. In diesem Fall ist der Planet viel größer, als man bisher dachte. Und drittens hat diese Beobachtung Konsequenzen für unser Verständnis solcher großen und heißen Planeten auf engen Umlaufbahnen. Wenn ihre Atmosphäre weiter hinaus ins All reicht als man bisher dachte, dann evaporieren sie auch schneller. Denn sie werden von ihrem Stern so stark aufgeheizt, dass die Atmosphäre regelrecht verdampft. Bei HD 189733b geschieht das zwischen 25 und 65 Prozent schneller als man bisher dachte.
Es war die erste Beobachtung dieser Art und aus Einzelfällen kann man selten allgemeine Schlüsse ziehen. Die Röntgenteleskope werden aber hoffentlich bald noch mehr Exoplaneten beobachten und dann werden wir wissen, ob sich die Erkenntnisse die hier gewonnen wurden, verallgemeinern lassen. Ich bin gespannt.
P.S. Mehr über Exoplaneten gibts übrigens in dieser Serie.
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