In der Serie über kontroverse Bücher habe ich schon ein Buch über Geologie und Kreationismus und ein Buch über Chemtrails vorgestellt. Heute hab ich ein weiteres Thema gefunden, über das man hervorragend streiten kann: Essen!
In Deutschland und vor allem in Österreich findet man in den Supermärkten immer mehr Bio-Lebensmittel. Bio ist gut, Bio ist nachhaltig, Bio ist ökologisch, Bio ist gesund, Bio schmeckt besser, Bio schützt die Umwelt und die Tiere. Bio ist die Zukunft.
Das zumindest scheinen viele zu denken und das will uns vor allem die Werbung glauben machen. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Der Agrarbiologe Clemens Arvay hat nachgesehen, wo die Bio-Lebensmittel wirklich herkommen und das Ergebnis seiner Recherchen kann man im Buch “Der große Bio-Schmäh: Wie uns die Lebensmittelkonzerne an der Nase herumführen” nachlesen.
Wie der Titel schon vermuten lässt (“Schmäh” ist österreichische für “Schwindel”), beschreibt das Buch vor allem die Lage in Österreich. Es würde mich aber sehr wundern, wenn es in Deutschland oder anderswo auf der Welt gänzlich anders ablaufen würde.
Arvay hat sich die Versprechen der Werbung angesehen und sie mit der Realität verglichen. In den Werbespots im Fernsehen und auf den Labels der Produkte selbst sieht man ja hauptsächlich glückliche Tiere, urige Bergbauern vor grandioser Naturkulisse, Kühe auf blühenden Bergwiesen und Schweine, die sich wohlig im Schlamm wälzen. Das Brot wird liebevoll von Hand geknetet und im romantischen Ofen gebacken; der Käse altmodisch in pittoresquen Berghütten hergestellt. Alles wird so gemacht wie früher, in der “guten alten Zeit”. Langsam, sorgfältig und ganz viel Liebe.
“Wir wollen den Eindruck des Retro-Bauerntums erwecken. Mit Monokulturen und industriellen Mähdreschern spricht man niemanden an.”
sagt der Chef einer Marketing-Agentur, der Werbung für den Rewe-Konzern macht im Interview mit Arvay. Aber trotz aller Werbung sind Monokulturen und industrielle Mähdrescher die Realität. Auch bei der Bio-Produktion. Das wird mehr als deutlich, wenn sich Arvay auf die Suche nach den Produktionsstätten macht, in denen die Bio-Lebensmittel hergestellt werden. Er findet keine kleinen Betriebe in Familienbesitz; keine Bergbauern oder altmodische Bäcker. Sondern nur wenige große Firmen, die neben der konventionellen Ware auch die Bio-Produkte herstellen und unter verschiedenen Markennamen an die diversen Supermärkte liefern.
Bio-Lebensmittel stammen so gut wie immer aus genau der gleichen Massenproduktion aus der auch die normalen Lebensmittel stammen. Das “gute” Image stammt fast ausschließlich aus den Köpfen der Marketing-Leute die, wie Arvay ausführlich beschreibt, oft auch recht “kreativ” sein können, wenn es darum gehtdie ökologischen Vorteile der Bio-Lebensmittel zu definieren (aka “zu erfinden”).
Und auch sonst zeigt Arvay, dass das Bio-Bild in unseren Köpfen selten mit der Realität übereinstimmt. Das Bio-Gemüse wird auf riesigen Feldern von großen Konzernen angebaut und von schlecht bezahlten Erntehelfern eingebracht. Den Tieren geht aus nicht besser. Bio-Freilandhühner haben zwar am Papier oft mehr Auslauf; in der Realität sind die Ställe aber meist so gestaltet, dass die Hühner das freie Land gar nicht betreten können bzw. wollen, weil das Freigehege nicht artgerecht gestaltet ist. Bio-Kühe und Bio-Schweine werden genauso in Transportern durch die Gegend gefahren und oft sogar gemeinsam mit den konventionellen Tieren verladen. Sie landen in den gleichen Schlachthöfen und werden genau so im Massenbetrieb geschlachtet wie sonst auch:
“Unser Geschäft läuft nur mehr über die maximale Auslastung. Massenproduktion ist die Vorgabe der Handelskonzerne, anders geht heute gar nichts mehr. Kleine Metzgereien oder Betriebe in Bauernhand, die selbst Einzeltieren schlachten, zerlegen und direkt vermarkten, gibt es kaum mehr. Sie haben keine Chance. Das Geschäft läuft nur mehr über die zentrale Bündelung.”
sagt der Betriebsleiter eines Schlachthofes, den Arvay besuchte.
“Bio” ist absolut nicht das, was wir uns vorstellen. Natürlich gibt es jede Menge Richtlinien, an die man sich halten muss. Aber mit dem, was uns in der Werbung gezeigt wird, hat das nichts zu tun. Arvay schreibt zum Beispiel:
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