ScienceBlogs-Kollege Jürgen hat heute schon darüber geschrieben: Mathematiker haben die Existenz Gottes bewiesen! Das zumindest scheint aus diversen Schlagzeilen in den Medien zu folgen, die man in den letzten Tagen überall lesen kann. Ist das Problem also jetzt endlich gelöst? Müssen alle Atheisten in die nächste Kirche gehen und sich taufen lassen? Nein, natürlich nicht. Denn auch wenn die Mathematik viele interessante Dinge leisten kann: “Gott” existiert deswegen noch lange nicht…
Ich habe schon früher darüber geschrieben, dass sich Wissenschaft und Religion nicht vertragen. Das liegt vor allem auch daran, dass Religion nie wirklich genau sagt, was “Gott” eigentlich sein soll (weswegen es auch nicht “wissenschaftlich” ist, Agnostiker zu sein). Das hat diverse Theologen und Wissenschaftler im Laufe der Jahrhunderte aber nicht daran gehindert, scheinbar wissenschaftliche Argumente zu verwenden, um die Existenz von “Gott” zu beweisen.
Einer der prominentesten Wissenschaftler, der das getan hat, war Kurt Gödel. Gödel war ein berühmter Mathematiker und Logiker, der gegen Ende seines Lebens aber immer paranoider wurde und sich wegen seines Verfolgungswahns schließlich selbst zu Tode hungerte (siehe dazu auch meine Rezension von “Die Göttin der kleinen Siege”). Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn Gödel sich nicht nur mit den Grundlagen der Mathematik beschäftigt hat, sondern auch etwas esoterischere “Forschungsgebiete” bearbeite. Dazu gehört auch sein “ontologischer Gottesbeweis”. Als Logiker war Gödel Experte dafür, Dinge zu Beweisen und Aussagen aus anderen Aussagen abzuleiten. Ob das aber auch mit dem Nachweis der Existenz Gottes funktioniert, ist fraglich. Gödel argumentierte wie folgt:
- Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.
- Annahme 2: Eine Eigenschaft, die notwendigerweise durch eine positive Eigenschaft impliziert wird, ist positiv
- Theorem 1: Positive Eigenschaften sind möglicherweise beispielhaft
- Definition 1: Eine gottesähnliche Existenz enthält alle positiven Eigenschaften
- Annahme 3: Die Eigenschaft, gottähnlich zu sein, ist positiv
- Schlussfolgerung: Möglicherweise existiert Gott
- Annahme 4: Positive Eigenschaften sind notwendigerweise positiv
- Definition 2: Die Essenz eines Individuums ist die Eigenschaft, die von diesem umgesetzt wird und impliziert notwendigerweise irgendeine seiner Eigenschaften
- Theorem 2: Götterähnlich zu sein ist eine Essenz von jeder götterähnlichen Existenz
- Definition 3: Notwendige Existenz eines Individuums ist die notwendige Beispielhaftigkeit von all seinen Essenzen
- Annahme 5: Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft
- Notwendigerweise, Gott existiert
So weit, so (un)klar. Der “Beweis” selbst ist nicht neu. Gödel hat ihn schon 1941 aufgeschrieben und 1970, kurz vor seinem Tod, einigen Freunden gezeigt die ihn später veröffentlicht haben. Das, was nun durch die Medien geht ist eine neue Arbeit von Christoph Benzmüller (Freie Universität Berlin) und Bruno Woltzenlogel Paleo (Technische Universität Wien). Sie trägt den Titel “Formalization, Mechanization and Automation of Gödel’s Proof of God’s Existence”, ist kaum eineinhalb Seiten lang und besteht im Wesentlichen aus einer Wiederholung des Gödelschen Beweis und einer Erklärung der Autoren, dass sie die Kette von Argumenten in eine dem Computer verständliche Logiksprache übersetzt und überprüft haben. Und dieses Computerprogram kam zu dem Ergebnis, dass sich aus den vorgegebenen Definitionen und Annahmen tatsächlich die Schlussfolgerung logisch korrekt ableiten lässt.
Das alles mag eine interessante Übung in computergestützter Logik sein und die Autoren schreiben in ihrer Arbeit auch:
“Gödel’s proof is challenging to formalize and verify because it requires an expressive logical language with modal operators (“possibly” and “necessarily”) and with quantifiers for individuals and properties.”
Aber mit einem Beweis der Existenz Gottes hat das alles nicht viel zu tun. Die Logik selbst ist zwar korrekt, aber das Ergebnis nur so viel wert wie die Annahmen auf denen es basiert. Und da ist einiges unklar. Das fängt gleich bei Annahme Nummer 1 an: “Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.”. Die Mathematik funktioniert zwar in gewissen Bereichen tatsächlich so; das reale Leben ist aber längst nicht so schwarz-weiß wie in dieser Annahme. Nicht alles ist positiv oder negativ. Eine Eigenschaft die für den einen positiv ist, ist für den anderen negativ. Und so weiter. Gleiches gilt für Annahme 3: “Die Eigenschaft, gottähnlich zu sein, ist positiv”. Was ist “gottähnlich”? Und warum ist es zwingend “positiv”, wenn man “Gott” ähnlich ist? In der Bibel zum Beispiel treibt Gott sehr viele Dinge, die zumindest aus meiner Sicht ganz definitiv NICHT positiv sind (Genozid, Kindermord, etc). Auch Annahme 5 erscheint mir nicht so offensichtlich, dass man sie einfach so als Axiom voraussetzen kann: “Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft”. Warum soll es zwingend “positiv” sein, zu existieren? Klar, es ist nett, dass ich existiere. Aber würde ich nicht existieren, dann würde es mich auch nicht sonderlich stören, weil es dann kein “mich” mehr gibt…
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