Ein “zweites Sonnensystem” wurde entdeckt, ist derzeit überall in den Medien zu lesen. Es handelt sich um den Stern KOI-351 der von insgesamt 7 Planeten umkreist wird. Abgesehen von unserem eigenen Sonnensystem war ein so umfangreiches Planetensystem bis jetzt noch nicht bekannt. Die 7 Planeten von KOI-351 sind unzweifelhaft eine tolle Entdeckung. Aber ist es wirklich ein “zweites Sonnensystem”? Wie ähnlich ist uns dieses System und was ist das Außergewöhnliche an KOI-351?
Wer sich mit Exoplaneten ein wenig auskennt, der wird schon beim Namen des Sterns aufhorchen. “KOI” steht für “Kepler Object of Interest”; es handelt sich dabei um Sterne, bei denen das Weltraumteleskop Kepler interessante Beobachtungen gemacht hat. Kepler hat den Himmel in den letzten Jahren nach Exoplaneten durchsucht und dabei jede Menge Sterne beobachtet. Kepler suchte nach periodischen Verdunkelungen von Sternen, den Transits, die anzeigen, dass ein Stern von einem Planeten umkreist wird und immer wieder ein wenig von dessen Licht blockiert. Allerdings reicht die Beobachtung eines Transits noch nicht aus, um einen Planeten eindeutig zu identifizieren. Kepler kann mit seinen Beobachtungen nur feststellen, wie groß der “Planet” ist; kann seine Masse aber nicht bestimmen. Nur anhand der Transitbeobachtungen kann man also nicht sagen, ob es sich um einen Planet handelt oder vielleicht doch einen braunen Zwerg oder einen kleinen Stern. Dazu braucht es nachträgliche Beobachtungen mit anderen Teleskopen und erst wenn die bestätigen das es sich um einen Planeten handelt wird er offiziell anerkannt. Diese Planeten werden dann auch direkt “Kepler-…” genannt; zum Beispiel Kepler-17b oder Kepler 35c. Die anderen, die einfach “nur” interessant sind aber noch nicht bestätigt werden konnten, heißen “KOI”, so wie KOI-351.
Sind die sieben Planeten von KOI-351 also nun echte Planeten oder nicht? Sie wurden zwar tatsächlich nur mit Kepler aus dem All beobachtet und nicht auch noch unabhängig von Sternwarten auf der Erde. Aber die Autoren der kürzlich veröffentlichten Facharbeit (zu denen übrigens auch mein Doktorvater von der Universität Wien gehört) haben sich große Mühe gegeben um jeden Zweifel an der planetaren Natur der Himmelskörper auszuschließen.
Dazu haben sie zuerst den Stern genau beobachtet. Wenn man die Eigenschaften der Planeten bestimmen will, dann muss man auch wissen, wie groß und wie schwer der Stern ist denn sonst bekommt man falsche oder ungenaue Ergebnisse. Die Beobachtungen wurden an der Thüringer Landessternwarte (die ich auch schon Mal besucht habe) durchgeführt und zeigten, dass der Stern der Sonne sehr ähnlich ist. Seine Masse und sein Radius sind zwischen 1,1 und 1,3 Mal größer als die entsprechenden Werte der Sonne und die Temperatur an der Oberfläche ist mit knapp 6000 Kelvin ebenfalls ein wenig höher als bei uns.
Drei Planetenkandidaten wurden bei KOI-351 schon in den letzten Jahren gefunden. Aber da man mittlerweile schon einige Systeme mit drei oder mehr Planeten kennt, hat das kein außergewöhnliches Interesse hervorgerufen (vor allem weil es ja nur Kandidaten waren und keine bestätigten Planeten). 2013 fand man bei einer genaueren Datenauswertung aber vier weitere Planeten! Und sieben Himmelskörper die einen Stern umkreisen sind dann doch etwas besonderes. Das sind fast so viele wie in unserem eigenen Sonnensystem.
Die Planeten bei KOI-351 sind außerdem auch noch sehr schön sortiert. Ganz innen wird der Stern von zwei kleinen Planeten umkreist, deren Radius das 1,3- bzw. das 1,1-fache des Erdradius beträgt. Nach diesen zwei erdähnlichen Planeten folgen drei “Supererden” mit dem 2,9-, dem 2,7- und dem 2,9-fachen des Erdradius. Und ganz außen wird der Stern von zwei großen Gasriesen mit dem 8- bzw. dem 11-fachen Radius der Erde.
Über die Massen lässt sich vorerst wenig sagen. Kepler kann nur feststellen wie groß der Planet ist, hat aber keine Ahnung wie schwer er ist. Normalerweise benutzt man zur Massenbestimmung die Radialgeschwindigkeitsmethode. Das war hier aber nicht möglich weil der Stern dafür einfach zu schwach leuchtete und von den Teleskopen auf der Erde nicht ausreichend exakt beobachtet werden konnte. Aber wo in diesem Fall die Beobachter versagen kommen die Theoretiker zur Rettung 😉 7 Planeten die einen Stern umkreisen beeinflussen sich alle auch gegenseitig durch ihre Gravitationskraft. Das kann man auch zwei verschiedene Arten ausnutzen. Man kann sich auf die Suche nach Transitzeitvariationen machen. Die gravitativen Störungen der Planeten sorgen dafür, dass sie manchmal ein wenig länger und manchmal ein wenig kürzer als erwartet brauchen um den Stern zu umkreisen. Die Verdunkelungen im Sternenlicht sind daher nicht exakt regelmäßig und die Stärke der Abweichungen hängt von der Masse der Planeten ab. Beobachtet man also Transitzeitvariationen, dann kann man daraus Rückschlüsse auf die Massen der Planeten ziehen.
Man kann aber auch die Stabilität des Systems als ganzes betrachten. Je mehr Planeten sich gegenseitig beeinflussen, desto komplexer ist das gravitative Wechselspiel und desto weniger Freiheiten gibt es im Aufbau des Systems. Sind manche Planeten zu schwer oder zu nahe beieinander, dann werden die Störungen zu groß und das System wird instabil. Bei KOI-351 hat man daher die Bewegung der Planeten numerisch am Computer simuliert und nachgesehen, bei welchen Werten für die Massen der Planeten alles auseinander fliegt.
Beide Methoden liefern natürlich keine exakten Ergebnisse für die planetaren Massen aber sie zeigen auf jeden Fall übereinstimmend, dass es sich um Planeten handeln muss und keine kleinen Sternen. Die kleinen inneren Planeten haben ungefähr die dreifache Erdmasse; die drei Supererden sind ungefähr 10 Mal schwerer als die Erde; der kleinere Gasriese ist 1,7 Mal so schwer wie der Gasplanet Neptun und der große Gasplanet ist mit dem 0,8fachen der Jupitermasse fast so schwer wie der größte Planet in unserem Sonnensystem.
Ist KOI-351 also ein “zweites Sonnensystem”? Ja und Nein. Ja, weil es das erste wirklich komplette Planetensystem ist, das wir kennen. Es gibt dort kleine Planeten von Erdgröße; es gibt Supererden und es gibt Gasriesen. Bis jetzt hatten wir immer nur einzelne Planeten um Sterne entdeckt oder Planetensysteme mit vielen großen oder vielen kleinen Planeten. KOI-351 hat alles was das Planetenspektrum zu bieten hat und scheint das erste echte Planetensystem zu sein, das wir außerhalb des Sonnensystems gefunden haben. Natürlich gehen wir davon aus, dass es jede Menge solcher Systeme gibt und das jedes System auf seine Art “komplett” ist. Aber wir haben bis jetzt eben immer nur mal hier ein Stück und da ein Stück gefunden aber nie ein vollständiges System auf einmal (es besteht natürlich auch bei KOI-351 die Möglichkeit, dass dort noch weitere Planeten existieren die wir noch nicht gefunden haben). Die Entdeckung der 7 Planeten erlaubt es uns, die Entstehung und Entwicklung von Planetensystemen auf eine ganz neue Art zu untersuchen und es besteht Hoffnung das wir in Zukunft noch mehr solcher Planetensysteme finden.
KOI-351 ist also insofern ein zweites Sonnensystem, als es das zweite System mit vielen und einer großen Vielfalt an Planeten ist. Es ist aber KEIN “Zwilling” unseres eigenen System. Es gibt dort keine “zweite Erde”; es ist sind keine Kopien der Planeten in unserem Sonnensystem. Bei uns gibt es zum Beispiel keine Supererden – KOI-351 hat gleich drei davon. Und dann ist KOI-351 noch wesentlich kompakter. Alle sieben Planeten sind näher an ihrem Stern als die Erde an der Sonne!
Aber auch wenn es kein echtes “zweites Sonnensystem” ist, ist KOI-351 auf jeden Fall höchst interessant. Vielleicht findet man dort auch den ersten extrasolaren Mond. Die Beobachtungen des Transist des kleineren Gasriesen zeigen ein paar vielversprechende Unregelmäßigkeiten:
Die blauen Punkte im Diagramm zeigen die Beobachtungsdaten für die Helligkeit des Sterns. Jedesmal wenn der Planet von uns aus gesehen vor dem Stern vorüber zieht, leuchtet der Stern ein wenig schwächer. Die grüne Linie zeigt wo der Transit eigentlich statt finden sollte. Man sieht gut, dass die Daten kaum mit den Vorhersagen übereinstimmen. Es gibt immer kleinere Abweichungen, die auf die gravitativen Störungen der anderen Planeten zurückzuführen sind. Dramatisch ist aber der Unterschied im letzten Bild ganz rechts unten. Hier ist der Planet mit 25,7 Stunden über einen ganzen Tag zu spät zu seinem Transit gekommen! Das ist die größte Transitzeitvariation die bisher gemessen wurde. Bei der komplizierten Interaktion von sieben Planeten kann sowas schon mal vorkommen – aber es besteht auch die Möglichkeit dass die Störungen eines Mondes die Abweichungen noch verstärken. Im dritten Bild rechts oben zeigt ein schwarzer Pfeil auf etwas, das ein kleinerer Transit sein könnte. Hier könnte vielleicht ein Mond gemeinsam mit dem Planeten am Stern vorüber gezogen sein. Die Daten reichen noch nicht aus, um hier definitive Aussagen zu machen.
KOI-351 ist ein höchst faszinierendes Planetensystem, das die Wissenschaftler wahrscheinlich noch auf Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird. Es gibt noch jede Menge zu lernen und zu entdecken. Unser eigenes Sonnensystem erforschen wir schon seit Jahrtausenden und sind immer noch nicht fertig. Noch nicht einmal annähernd… aber die Erforschung der fremden Sonnensysteme die wir in Zukunft noch entdecken, werden uns dabei helfen, auch unsere eigene Heimat besser zu verstehen.
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