Es zeigt auf der x-Achse wieder die Umlaufzeit der Planeten. Die y-Achse dagegen gibt an, wie viele sonnenähnliche Sterne Planeten mit einer bestimmten Umlaufzeit haben die ein bis zweimal so groß wie die Erde sind. Wenn man zum Beispiel bei einer Umlaufzeit von 50 Tagen nachsieht, dann sieht man, dass 20,4 Prozent aller sonnenähnliche Sterne erdgroße Planeten mit einer Umlaufzeit von 50 Tagen oder weniger haben. 26,2 Prozent aller sonnenähnlichen Sterne haben erdgroße Planeten mit einer Umlaufzeit von 100 Tagen oder weniger. Und so weiter. Der Zusammenhang ist ziemlich klar und deswegen haben Petigura und seine Kollegen das Diagramm einfach weiter extrapoliert um so auch die Bereiche bis zu Umlauzeiten von 400 Tagen abdecken zu können wo sie kaum echte Daten haben. Durch diese Extrapolation kommen sie zu dem Schluss, dass 5,7 Prozent aller sonnenähnlichen Sterne erdgroße Planeten haben, deren Umlaufzeiten zwischen 200 und 400 Tagen liegen.
Das ist aber immer noch nicht das Ergebnis, um das es in all den Medienberichten geht. Da geht es um die Planeten in der habitablen Zone, also den Bereich um einen Stern, in dem die Temperaturen im Prinzip genau richtig sind, um Leben auf der Oberfläche eines Planeten zu ermöglichen. Wo die Grenzen einer habitablen Zone liegen, hängt natürlich von der Temperatur des Sterns ab. Aber auch von der Definition selbst. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es jede Menge unterschiedliche Definitionen. Die habitable Zone eines sonnenähnlichen Sterns kann bei 0,38 Astronomischen Einheiten (AE) beginnen, also noch innerhalb der Bahn des Merkurs. Und sie kann bis zu 10 AE hinaus reichen, also bis hinter die Bahn des Saturn. Das Problem sind die vielen anderen Faktoren die eine Rolle spielen. Die Atmosphäre zum Beispiel: Sowohl Mars als auch Venus würden den meisten Definitionen nach in der habitablen Zone der Sonne liegen und beide sind von der Größe her erdähnliche Planeten. Trotzdem ist die Venus eine lebensfeindliche Hitzehölle und der Mars eine ebenso lebensfeindliche Kältewüste und beide Male ist die Atmosphäre schuld. Venus hat zu viele Treibhausgase und sich dadurch enorm aufgeheizt und Mars hat so gut wie keine Atmosphäre und kann deswegen auch kaum Wärme speichern. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hängt wiederrum von vielen anderen Dingen hab: Der Größe des Planeten, seinem inneren Aufbau, dem Vorhandensein vob Vulkanismus und Plattentektonik, und so weiter. Ohne über all diese Dinge Bescheid zu wissen ist es im Wesentlichen unmöglich vorherzusagen, ob es irgendwo Leben geben kann oder nicht.
Petigura und seine Kollegen haben die habitable Zone für sonnenähnliche Sterne als den Bereich zwischen 0,5 und 2 AE definitiert. In unserem Sonnensystem beginnt diese Zone also kurz hinter der Bahn des Merkurs und reicht bis hinter die Bahn des Mars. Venus, Erde und Mars liegen nach dieser Definition also innerhalb der habitablen Zone obwohl weder Mars noch Venus lebensfreundliche Planeten sind bzw. “erdähnlich” so wie man sich das normalerweise, nach der nicht-wissenschaftlichen Definition vorstellt.
Wenn man nun die Daten von Kepler nach der Methode von Petigura und seinen Kollegen entsprechend extrapoliert und nachsieht, wie viele Planeten mit der ein- bis zweifachen Größe der Erde in der habitablen Zone zwischen 0,5 und 2 AE liegen, dann sind das bei den sonnenähnlichen Sternen 22 Prozent, mit einer Fehlergrenze von 8 Prozent. Mindestens jeder siebte Stern der Milchstraße hat also eine Planeten mit der ein- bis zweifachen Erdgröße der zwischen 0,5 und 2 AE entfernt ist. Das klingt nicht mehr ganz so spektakulär wie “Jeder fünfte Stern hat einen erdähnlichen Planeten”, ist aber dafür auch korrekt.
Abgesehen davon dass dieses Ergebnis für unser Verständnis von extrasolaren Planeten sehr wichtig ist: Was können wir daraus über die echten erdähnlichen Planeten lernen? Sagt diese Arbeit irgendwas über die Existenz einer “zweiten Erde” oder die Existenz von außerirdischem Leben aus? Ja und nein. Die Ergebnisse bestätigen das, was wir schon wussten: Planeten sind völlig normal und man findet sie überall. Sie bestätigt auch: Planeten von der Größe der Erde sind völlig normal und man findet sie überall. Und sie erweitert diese Erkenntnis zu: Planeten von der Größe der Erde sind völlig normal und man findet sie überall und in allen möglichen Abständen von ihrem Stern; also auch im gleichen Abstand den die Erde zur Sonne hat.
Daraus kann man aber vorerst nichts über die Bedingungen auf diesen Planeten aussagen! Wir wissen nicht, wie wahrscheinlich Planeten mit der Atmosphäre der Erde sind; Planeten mit den gleichen Bedingungen wie sie auch auf der Erde herrschen. Vielleicht ist die Galaxie voll mit erdgroßen Planeten von denen die meiste der Venus ähneln oder dem Mars und Planeten wie die Erde sind ein Spezialfall? Vielleicht ist die Erde aber auch völlig normal – wir wissen es eben momentan noch nicht. Dazu müssen wir noch mehr über Planeten lernen und mehr Daten sammeln. Aber wir wissen nun zumindest, dass das Potential vorhanden ist: Es gibt da draußen genug passende Planeten im passenden Abstand zu ihrem Stern um die Suche nach einer echten “zweiten Erde” zu einem sinnvollen und erfolgsversprechenden Projekt zu machen. Wenn sie irgendwo da draußen ist, dann haben wir gute Chancen, sie bald zu finden!
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