Schwarze Löcher sind keine tatsächlichen “Löcher” die einfach irgendwo im Weltall sitzen und darauf warten, dass Zeug in sie hinein fällt. Es sind auch keine Staubsauger die irgendwas “ansaugen”. Schwarze Löcher sind höchst komplexe und dynamische Objekte in deren Nähe äußerst interessante Sachen passieren. Das, was in ein schwarzes Loch fällt verschwindet nicht einfach nur sang- und klanglos sondern macht dabei jede Menge Radau. Gas und Staub fliegen nicht auf gerader Linie zum schwarzen Loch sondern bewegen sich auf einer spiralförmigen Bahn in deren Zentrum das schwarze Loch steht. So entsteht eine Scheibe aus Gas und Staub die sich um das Loch dreht und in der die Teilchen immer schneller werden, je näher sie ihm kommen. Sie interagieren dabei mit dem starken Magnetfeld des schwarzen Lochs und geben Strahlung ab. Die Umgebung eines schwarzen Lochs ist daher nicht schwarz, sondern leuchtet hell; vor allem im Radio- und Röntgenlicht. Und viele der schnellen Teilchen werden auch entlang der Magnetfeldlinien senkrecht zur Rotationsebene der Scheibe wieder ins All hinaus geschleudert. Diese stark fokussierten Teilchenströme nennen die Astronomen Jets und man findet sie nicht nur bei schwarzen Löchern sondern auch fast überall sonst, wo Staub und Gas in einer Scheibe auf ein Objekt fallen – zum Beispiel bei Sternen, die gerade aus einer interstellaren Wolke entstehen. Es wurden schon jede Menge Jets in unserer Milchstraße entdeckt, nur ein Jet hat sich bis jetzt immer der Beobachtung entzogen: Der Jet des zentralen schwarzen Lochs in unserer Galaxie. Amerikanische Astronomen haben ihn nun endlich gefunden.

Künstlerische Darstellung eines supermassereichen Lochs im Zentrum einer Galaxie mit leuchtender Scheibe und Jet (Bild: ESO/M.Kornmesser)

Künstlerische Darstellung eines supermassereichen Lochs im Zentrum einer Galaxie mit leuchtender Scheibe und Jet (Bild: ESO/M.Kornmesser)

Damit ein schwarzes Loch sich mit einer Scheibe, der dadurch entstehenden Strahlung und den zugehörigen Jets umgeben kann, braucht es natürlich Material, dass in das Loch fallen kann. In jungen Galaxien schwirrt zwischen den Sternen und vor allem in der dichten Zentralregion jede Menge Gas und Staub herum. Die schwarzen Löchern in den Zentren dieser Galaxien werden ständig gefüttert und leuchten hell. Sie sind so hell, dass man sie auch noch aus großer Entfernung sehen kann. Die Kerne dieser aktiven Galaxien nennt man “Quasar”. Das leitet sich vom Begriff “quasistellar” ab, denn als man sie das erste Mal in den 1960er Jahren das erste Mal entdeckte, wusste man noch nicht, um was es sich wirklich handelt. Man sah nur punktförmige Strahlungsquellen, die im Radioteleskop genau so aussahen wie Sterne, aber keine Sterne sein konnten, weil sie viel zu weit entfernt waren. In den gigantischen Entfernungen in denen man die mysteriösen Objekte beobachtete, konnte ein Einzelstern nicht mehr sichtbar sein. Es waren keine Sterne, sondern “Quasisterne” und erst später fand man heraus, dass es sich um die hell leuchtenden Zentren ferner Galaxien handelte.

Bei diesen Quasaren hat man natürlich auch Jets beobachtet. Zum Beispiel hier:

Bild: NASA/CXC/A.Siemiginowska(CfA)/J.Bechtold(U.Arizona)

Bild: NASA/CXC/A.Siemiginowska(CfA)/J.Bechtold(U.Arizona)

Das Bild zeigt den Quasar PKS 1127-145 im Röntgenlicht, das knapp 10 Milliarden Jahre gebraucht hat, bis es bei uns angekommen ist. Es ist ein altes Bild und daher tatsächlich noch eine recht junge Galaxie, die wir da beobachten und es ist kein Wunder, dass das schwarze Loch dort so einen Wirbel macht. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie ist dagegen viel ruhiger. Unsere Galaxie ist alt und es ist kaum noch etwas da, was das Loch verschlucken kann. Es ist nicht mehr aktiv und das ist auch gut so, denn wir würden ungern ständig von Strahlungsausbrüchen überrascht und mit jeder Menge Röntgenstrahlung überzogen werden. Nur ab und zu mal genehmigt sich das Loch noch einen Happen und kann uns dabei nicht mehr gefährlich werden.

Die geringe Aktivität unseres eigenen schwarzen Lochs ist für das Leben in der Milchstraße natürlich äußerst praktisch; für die Wissenschaft aber nicht ganz so optimal. Je aktiver das Loch, desto mehr kann man beobachten und lernen. Aus der Richtung eines Jets kann man zum Beispiel herausfinden, wie genau die Rotationsachse des Lochs und seiner Scheibe ausgerichtet ist. Und wenn man das weiß, dann kann man mehr über die Vergangenheit und die Entwicklung des Lochs und der Galaxie herausfinden. Wenn zum Beispiel immer nur ein stetiger Fluss kleiner Mengen an Material ins Loch fällt, dann wird sich die Orientierung der Drehachse im Laufe der Zeit nicht ändern und sie wird immer parallel zur Drehachse der gesamten Milchstraße liegen. Wenn dagegen irgendwann in der Vergangenheit mal größere Mengen an Zeug auf einen Schlag mit dem schwarzen Loch zusammengestoßen sind, dann würde sich dabei auch dessen Drehachse verschieben. Die Astronomen haben also großes Interesse daran, einen Jet im Zentrum unserer Milchstraße zu beobachten – aber leider nie einen gefunden.

Beziehungsweise fand man schon etwas, was wie ein Jet aussah, konnte aber nie bestätigen, dass es sich wirklich um einen handelt. Das haben Zhiyuan Li von der Universität Kalifornien und seine Kollegen nun geändert (“Evidence for A Parsec-scale Jet from The Galactic Center Black Hole: Interaction with Local Gas”). Sie haben Beobachtungen im Radiolicht mit Röntgenaufnahmen des Chandra-Weltraumteleskops kombiniert und konnten so zeigen, dass der vermeintliche Jet mit dem Gas in der Nähe des schwarzen Lochs interagiert und somit höchstwahrscheinlich real ist.

In der Mitte des Bildes befindet sich das mit “Sagittarius A*” gekennzeichnete supermassereiche schwarze Loch. Die pinken Bereiche sind die, die im Röntgenlicht leuchten; blau sind die Aufnahmen die mit dem Radioteleskop gemacht wurden. Der Jet ist die vom Zentrum des Lochs weg nach außen zeigende pinke Linie, die auf ihrem Weg ein paar blaue Wolken durchquert. Dabei handelt es sich um eine Schockfront die entsteht, wenn der Jet auf Gaswolken in der Nähe des schwarzen Lochs trifft und das Gas zum Leuchten anregt.

Auch im Zentrum unserer Galaxie gibt es also Jets. Und die Auswertung der Daten zeigt, dass die Drehachse des Lochs immer noch parallel zur Drehachse der Milchstraße ausgerichtet ist. Zur Zeit sind die Jets (es müsste eigentlich noch einen genau in die Gegenrichtung geben, der wird aber vermutlich von Staub verdeckt und wir sehen ihn nicht) noch recht schwach. Aber wer weiß: Vielleicht kriegt das Loch ja bald wieder mal Futter und sie werden ein wenig heller…

Kommentare (25)

  1. #1 Bullet
    21. November 2013

    @Florian, weil du da Quasare ansprichst: sind Quasare denn dann eigentlich nur deswegen so gut sichtbar, weil die Milchstraße gerade genau in der verlängerten Jet-Achse der fernen Galaxienkerne liegen? Ich könnte mir vorstellen, daß die Gamma-Emission dort entlang auch ihre bevorzugte Richtung hat.

  2. #2 Alderamin
    21. November 2013

    @Bullet

    Nö, die Akkretionsscheiben von Quasaren sind so wirklich hell. Wenn man direkt in den Jet hinein guckt, hat man einen Blazar.

  3. #3 Bullet
    21. November 2013

    Ah, okay. Danke. Wieder ein neues Wort. 🙂

  4. #4 rolak
    21. November 2013

    nicht auf gerader Linie zum schwarzen Loch sondern bewegen sich auf einer spiralförmigen Bahn

    Nur aus reiner Neugier, egal wie selten dies in der Praxis auch der Fall sein mag: Was ist denn mit einem Objekt, das derart geschubst wurde, daß es exakt (bzw exakt genug) ins Zentrum des SL unterwegs ist?

  5. #5 Florian Freistetter
    21. November 2013

    @rolak: Naja, solche Spezialfälle gibts auch. Eine gerade Linie ist ja im Prinzip auch nichts anderes als eine degenerierte Ellipse und die Keplerschen Gesetz gelten für die Bewegung auf einer geraden Linie ins Zentrum der Sonne genau so wie für nen kreisförmigen Orbit rundrum (wenn du wissen willst, wie lange die Sonne für nen Gravitationskollaps braucht, musst du nur die “Umlaufzeit” für ne Ellipse mit e=1 und ner Halbachse=Sonnenradius berechnen). Und wenn du genügend Beschleunigung irgendwo drauf schmeisst, dann kann sich das Dinge natürlich bewegen, wie es möchte.

  6. #6 rolak
    21. November 2013

    eine degenerierte Ellipse

    Schöne Eselsbrücke, Florian

  7. #7 Alderamin
    21. November 2013

    @rolak

    Das Problem ist, dass Schwarze Löcher verdammt kleine Ziele sind (bis auf die Supermassiven). Angenommen, die Sonne wäre eines (auch wenn sie dafür eigentlich zu leicht ist, nur mal so), dann hätte sie einen Schwarzschildradius von 3km. Der freie Fall dorthin aus der Erdbahn würde ca. 129 Tage dauern. Wenn Du dieses kleine Ziel aus der Erdbahn treffen wolltest, dürftest Du in diesen 129 Tagen keine 3 km zur Seite abweichen, d.h. Du müsstest die Trangentialalgeschwindigkeit von 0 auf ±1 m/h einhalten (Meter pro Stunde, nicht Kilometer). Das ist ungefähr die Geschwindigkeit der Spitze des Minutenzeigers an einer großen Küchenuhr. Sonst fielest Du an dem Schwarzen Loch haarscharf vorbei und kämst nach dem Peribothron (nächster Punkt der Bahn am Schwarzen Loch hab’ ich bei S&T gelernt 🙂 ) ziemlich stark von den Gezeitenkräften beschädigt wieder an den Ausgangspunkt Deiner Bahn zurück.

    Deswegen ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass etwas zufällig aus größerer Entfernung ohne Umweg in ein Schwarzes Loch fällt. Das passiert eher, wenn etwas das Schwarze Loch bereits umkreist und durch Reibung oder Strahlung (auch Gravitationswellen) allmählich Energie verliert und nach innen spiralt.

  8. #8 Alderamin
    21. November 2013

    Äh, “Tangentialgeschwindigkeit”.

    Immer die letzten Edits gehen schief gnrrrr.

  9. #9 Bullet
    21. November 2013

    Trangentialalgeschwindigkeit

    bwahahaha…. 🙂

  10. #10 Alderamin
    21. November 2013

    @myself

    Beinahe, hab’ vergessen, die Kepler-III-Umlaufzeit durch 2 zu teilen: 129 Tage wäre die Zeit für eine volle degenerierte Kepler-Ellipse, also nur 64,5 Tage bis zum SL und 2 m/h seitliche Abweichung erlaubt, also wäre die Küchenuhr dann etwas kleiner. Aber das SL wäre dann immer noch schwer mit dem ersten Schuss zu treffen.

  11. #11 Janine
    21. November 2013

    “Das Bild zeigt den Quasar PKS 1127-145 im Röntgenlicht, das knapp 10 Milliarden Jahre gebraucht hat”

    Mal eine Laienfrage: Woher weiß man, wie lange das Licht gebraucht hat?

  12. #12 Florian Freistetter
    21. November 2013

    @Janine: “Woher weiß man, wie lange das Licht gebraucht hat?”

    Das weiß man aus der Rotverschiebung. Ich hab das hier ausführlich erklärt: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/01/die-rotverschiebung-und-die-vielen-entfernungen-der-kosmologie.php

  13. #13 rolak
    21. November 2013

    verdammt kleine Ziele

    Sicher, Alderamin, insbesondere bei dem unglaublich großen Raum drumrum mit so unglaublich wenig drin. Deswegen ja auch die Einschränkung am Anfang dort oben. Doch wie gfragt ‘was ist, wenn?’ – ein dunkles Plumpsen mit besonders effizienter Übertragung der Gesamtmasse ins SL oder sind doch irgendwelche Spezialeffekte möglich?

    Trollglatzengeschwindigkeit

    wirklich hübsch 😛

  14. #14 Alderamin
    21. November 2013

    @rolak

    Special effects: Klar, Spaghettifizierung bei 1 Milliarde G pro Meter Radius Gezeitenkraft (nicht beobachtbar bei Supermassiven Schwarzen Löchern) und das berühmte Einfrieren und Verblassen am Ereignishorizont. Die Wellenlänge des ausgesendeten Lichts wird immer länger, die von außen beobachtete Zeit immer langsamer, je näher es dem Ereignishorizont entgegen geht, und das bedauernswerte Objekt würde am Ereignishorizont einzufrieren scheinen und ins Dunkelrote verblassen… Tatsächlich wäre es jedoch in 10 µs im Zentrum des Schwarzen Lochs, nach seiner Eigenzeit sogar noch viel schneller.

    Das Feuerwerk der Akkretionsscheibe dürfte allerdings beim senkrechten Hineinfallen ersatzlos gestrichen sein.

  15. #15 Janine
    21. November 2013

    Danke!

  16. #16 rolak
    21. November 2013

    Special effects: Klar,

    Also ‘das Übliche’ in leicht reduziert, Alderamin? Das war meine (ausnahmsweise mal) pessimistische Annahme.

    btw: Die wesentlichen Grundeffekte wurden mir vor langer, langer Zeit aufs Angenehmste nahegebracht.

  17. #17 Kryptonoob
    25. November 2013

    Bei einem nichtrotierenden SL könnte man sich einen direkten Treffer evt. vorstellen…in der Realität(bzw. ART 😉 ) wäre das wohl ein recht schwierig zu bewerkstelligender Kunstschuss. Allein schon die Magnetfelder…hmm…als Munition sollten bestenfalls Neutrinos o.ä. funktionieren.

  18. #18 Psyclash
    25. November 2013

    Parallel zur Frage von Till im Nachbarartikel.

    Die Jets haben ihren Ursprung an der Grenze von Akkretionsscheibe und Ereignishorizont. Sie entstehen durch das Magnetfeld der Scheibe, aber nicht durch das Feld des SL selbst(sofern vorhanden). Die Lorentzkraft spielt für die Jets keine Rolle. Ist das soweit richtig bzw. sicher?(Schön wäre es. Aber wohl zu einfach gedacht.)

    Wenn nicht korrekt, bedeutet es dann, daß das Feld des SL auf die stürzende Materie stärker wirkt als seine Gravitation?(Wäre das überhaupt möglich?)

    Oder liegt die Ursache des Unverständnises für dieses Phänomen vielleicht nur an meinem dafür unzureichend entwickelten, menschlichen Gehirn, das in jedem Fall gleich seinen überfälligen Schlaf erhält und bei glücklicher Fügung wie bei einigen überlieferten Anekdoten mir die Antwort durch einen bizarren Traum zu Teil werden lässt?(Auch recht)

    Und falls keiner der vorgenannten Fälle zutreffend ist, und die Antwort sogar ungewiß ist: Was wäre denn die komplizierteste, mögliche Hypothese?(worst case – die nächstegelegene Klappse ist der Herausforderung wohlmöglich nicht gewachsen)

    Die Frage nach den Jets geistert mir seit ich vor einigen Jahren zum ersten Mal davon erfuhr in unregelmäßigen Abständen durch den Kopf.Obwohl sie so naheliegend ist, ließ sich bisher keine zufriedenstellende Antwort finden, und im Moment ist das sehr FRUSTRIEREND.

    Was auch immer… Danke schonmal im Voraus und Gute Nacht.

  19. #19 Alderamin
    25. November 2013

    @Psyclash

    Die Jets haben ihren Ursprung an der Grenze von Akkretionsscheibe und Ereignishorizont. Sie entstehen durch das Magnetfeld der Scheibe, aber nicht durch das Feld des SL selbst(sofern vorhanden). Die Lorentzkraft spielt für die Jets keine Rolle. Ist das soweit richtig bzw. sicher?

    Ich denke, nein. Erstens haben auch junge Sterne (T-Tauri-Sterne) Jets, die haben gar keinen Ereignishorizont (es mag allerdings sein, dass bei Schwarzen Löchern durch Frame Dragging u.ä. zusätzliche Effekte ins Spiel kommen und vielelicht sogar dominieren).

    Und zweitens spielt die Lorentzkraft sehr wohl eine Rolle, die Akkretionsscheibe besteht ja aus einem rotierenden, elektrisch leitenden Plasma, also einem elektrischen Strom. Die Magnetfelder auf und in der Sonne hängen ja auch mit der Strömung des Plasmas zusammen. Ein kreisförmiger Strom erzeugt ja bekanntlich ein dazu normal ausgerichtetes Magnetfeld, eben in Richtung des Jets.

    Wobei das Plasma in Summe neutral ist, ein Gemisch aus Elektronen und positiven Ionen, ist aber beim Sonnenplasma auch so. Wann immer ich nach einer näheren Erklärung gesucht habe, stoße ich auf die Bemerkung, dass die Entstehung von Jets noch nicht wirklich verstanden sei, insofern brauchst Du Dir keinen Kopf zu machen, wenn Du das nicht durchblickst. Tut auch sonst noch niemand.

  20. #20 Niels
    25. November 2013

    @Psyclash

    Die Jets haben ihren Ursprung an der Grenze von Akkretionsscheibe und Ereignishorizont.

    Nein, eher nicht. Mir ist aber auch nicht ganz klar, was du mit dem “Ursprung” des Jets genau meinst.
    Die Jet-Entstehung ist ein komplizierter Prozess, da ist ein großer Raumbereich beteiligt. Das kann man nicht wirklich auf einen Ursprungspunkt eingrenzen.
    Außerdem gibt es Jets ja auch ganz ohne Ereignishorizont. Man braucht nur ein rotierendes, magnetisiertes Plasma.
    Bei schwarzen Löchern beginnt die Kollimation der Jets meines Wissens typischerweise bei Entfernungen 100 bis 200 mal des Schwarzschildradius. Das kann man vielleicht als Ursprungsort des Jets bezeichnen.
    Der Bereich näher beim schwarzen Loch trägt aber natürlich entscheidend zu Entstehung des Jets bei.

    Sie entstehen durch das Magnetfeld der Scheibe, aber nicht durch das Feld des SL selbst

    Das Eigen-Magnetfeld des SL spielt keine Rolle, weil die Dinger (praktisch) kein eigenes Magnetfeld besitzen.
    Das Gravitations-Feld des SL (bzw. die rotierende Raumzeit) spielt aber eine sehr große Rolle, weil dies die Akkretionsscheibe und deren elektromagnetische Felder sehr stark beeinflusst.

    Die Grundzutat für einen Jet ist immer die Akkretion von Materie (also die Gravitation) und das dabei entstehende Magnetfeld.

    Prinzipiell gibt es zwei Prozesse, durch die Jets entstehen.

    1) Der sogenannten Blandford-Payne-Prozess.
    Da ist nur die Akkretionsscheibe bzw. ein magnetisiertes Plasma beteiligt. Deswegen gibt es Jets auch bei Protosternen.
    Da kenne ich keine gute Veranschaulichung, ich verstehe aber leider auch nur extrem von Magnetohydrodynamik.
    Dieser erste Prozess findet natürlich auch in der Akkretionsscheibe eines SL statt.

    2) Bei rotierenden SL kommt aber zusätzlich ein zweiter Mechanismus zum Tragen, dessen Ursache die rotierende Raumzeit ist. Dieses Phänomen unterteilt man in den Penrose-Prozess und den sogenannten Blandford-Znajek-Prozess. Vor allem letzterer ist für die Jets wichtig. Anschaulich verdreht die rotierende Raumzeit die Magnetfelder der Akkretionsscheibe so stark, dass Magnetfeldlinien unterschiedlicher Polarität aufeinander treffen. Das ergibt einen “Kurzschluss”, die Energie des Feldes und die Rotationsenergie der Raumzeit werden als kinetische Energie auf die Teilchen des Plasmas übertragen.

    Dieser zweite Prozess ist bei SL der absolut Dominierende. Er ist um so stärker, je größer die Masse und der Drehimpuls des SL. Nor so bekommt man ausreichend Energie für echte relativistische Jets.
    Die Energie der Jets von Quasaren stammt praktisch ausschließlich aus der rotierenden Raumzeit.
    (Dieser Ernergieverlust wird aber problemlos durch die ins Loch einfallende Materie ausgeglichen.)

    Die Lorentzkraft spielt für die Jets keine Rolle.

    Wie Alderamin schreibt, eine Rolle spielt sie schon. Für die Entstehung kann sie für SL aber in erster Näherung zunächst einmal vernachlässigt werden. Bei der Betrachtung der Kollimation wird sie wichtig.

    Wenn nicht korrekt, bedeutet es dann, daß das Feld des SL auf die stürzende Materie stärker wirkt als seine Gravitation?(Wäre das überhaupt möglich?)

    Ich verstehe die Frage nicht. Könntest du das anders formulieren?

    Die Frage nach den Jets geistert mir seit ich vor einigen Jahren zum ersten Mal davon erfuhr in unregelmäßigen Abständen durch den Kopf.

    Na ja, da ist einfach extrem schwierige Mathematik beteiligt. Das Plasma untersucht man mit Hilfe der Hydrodynamik.. Die Navier-Stokes-Gleichungen sind ja bekanntlich extrem schwierig zu lösen. Dann ist diese Flüssigkeit auch noch geladen und bewegt sich mit relativistischen Geschwindigkeiten. Wir sind also bei Magnetohydrodynamik. Allerdings ist es eigentlich doch nur in Näherung eine Flüssigkeit. Und zu guter Letzt schlägt auch noch die Allgemeine Relativitätstheorie in ganzer Härte zu.
    Deswegen sind Jets noch nicht vollständig physikalisch verstanden.

    @Alderamin

    Wobei das Plasma in Summe neutral ist, ein Gemisch aus Elektronen und positiven Ionen, ist aber beim Sonnenplasma auch so.

    Wo liegt dein Verständnisproblem? Positiv und negativ geladene Teilchen haben doch ganz unterschiedliche Massen und deswegen auch unterschiedliche Geschwindigkeiten. Das Ganze wechselt auch noch total chaotisch miteinander.
    Es ist praktisch ausgeschlossen, dass sich das in der Summe irgendwie ausgleicht.
    Vielleicht hilft es dir, wenn du mal nach Magnetohydrodynamik googelst?

  21. #21 Alderamin
    25. November 2013

    @Niels

    Bei schwarzen Löchern beginnt die Kollimation der Jets meines Wissens typischerweise bei Entfernungen 100 bis 200 mal des Schwarzschildradius. Das kann man vielleicht als Ursprungsort des Jets bezeichnen.

    Hmm, soo weit draußen? Kanntest Du diese Meldung?

    Wo liegt dein Verständnisproblem?

    Eigentlich nur darin, dass das Gas ja neutral bleiben soll, und wenn die negativen und positiven Ladungsträger beieinander blieben, würden sich ihre Felder ja gegenseitig aufheben. Aber wenn ich so drüber nachdenke: im stromdurchflossenen Leiter bewegen sich die Elektronen auch anders als die Ionen, verursachen ein Magnetfeld und das Kabel bleibt trotzdem neutral. Geht also. Insbesondere in einem heißen Gas sollte es gehen.

    Vielleicht hilft es dir, wenn du mal nach Magnetohydrodynamik googelst?

    Werd’ ich tun.

  22. #22 Psyclash
    26. November 2013

    Also die Träume waren zumindest für dieses Problem nicht hilfreich, dafür aber anderweitig interessant.

    @ Alderamin & Niels
    Vielen Dank nochmal. Wenn auch die umfassende Erklärung noch nicht bekannt sein mag, so ist das doch wenigstens eine tröstliche Nachricht für mein von Selbstzweifel zerfressenes Ego.(>Also doch noch nicht restlos verblödet.) Kindgerechtes Fazit für mich:
    – DEUTLICH außerhalb des Ereignishorizonts.
    – Das Magnetfeld der Akkretionsscheibe erzeugt sie (Gravitationsfeld des SL hier absichtlich zur Vereinfachung vernachlässigt.)

    Mit den erwähnten Prozessen(nur Penrose bei meiner Suche aufgetaucht) werde ich mich in gebührendem zeitlichen Abstand beschäftigen. Abzuwarten, welche neuen Verwirrungen und hoffentlich amüsante Mißverständnisse die bei mir erzeugen werden.

    @Niels
    Die erste Folgefrage ist damit komplett hinfällig. Einfach ignorieren.

    @Sagittarius A*
    *Wild mit der Faust fuchtel*
    “Zieh'” Dich besser “warm” “an”!
    “Der schwarze Ritter triumphiert immer.”

  23. #23 Niels
    26. November 2013

    @Alderamin
    Nö, die Meldung kannte ich noch nicht.
    Wenn ich eine Phrase wie “meines Wissens” schreibe, meine ich damit, dass ich mir nicht besonders sicher bin. 😉
    Da sollte ich mir mal eine bessere Formulierung überlegen.

    Allerdings bin ich mir nicht sicher, worauf du mit dem Link zur Presseerklärung hinaus willst. Da steht doch eigentlich nichts zu Thema drin.
    Das Abstract das Papers, über das berichtet wird, ist schon hilfreicher:
    M87 is one of the closest examples of this phenomenon, and the structure of its jet has been probed on a scale of about 100 Schwarzschild radii (Rs, the radius of the event horizon). However, the location of the central black hole relative to the jet base (a bright compact radio ‘core’) remains elusive. Observations of other jets indicate that the central engines are located about 10^4–10^6 Rs upstream from the radio core.
    […]
    The data reveal that the central engine of M87 is located within 14–23 Rs of the radio core at 43 GHz.

    Ins Paper selbst habe ich aber noch nicht geschaut. Deswegen habe ich keine Ahnung, was mit “central engine” gemeint ist.
    Wie gesagt stellt sich die Frage, was man als “Ursprung” eines Jets bezeichnet.
    Ich habe die Stelle gewählt, bei der die Teilchen kolliminiert werden, weil man meiner Ansicht nach erst nach der Kollimation von einem Jet sprechen kann.
    Bevor die Teilchen kolliminiert werden können, müssen sie aber natürlich zuerst beschleunigt werden. Das geschieht natürlich weiter innen. Man kann durchaus auch diesen Bereich als “Ursprung” betrachten.
    Oder beide Bereiche zusammengenommen. Keine Ahnung, ob es da eine offizielle Regelung gibt.

    (Übersetzt man die collimation bei Jets überaupt mit Kollimation oder gibts da im Deutschen einen eigenen Fachbegriff?)

  24. #24 Alderamin
    26. November 2013

    @Niels

    Allerdings bin ich mir nicht sicher, worauf du mit dem Link zur Presseerklärung hinaus willst. Da steht doch eigentlich nichts zu Thema drin.

    Öh, stimmt, ich hatte den vor längerer Zeit mal gelesen und in Erinnerung, dass man den Jet bis auf ein paar Rs an das Schwarze Loch verfolgt habe, aber im Text steht nur, dass er 2,25 Rs Durchmesser habe, ich hab’ den Text vor dem Verlinken nicht nochmal gelesen. Ich finde die Quelle für die Behauptung jetzt auch nicht mehr, vermutlich hatte ich das falsch verstanden oder falsch erinnert.

    Die Gemälde, mit denen solche Artikel oft bebildert werden, geben dann auch einen falschen Eindruck, da schießt der Jet stets kurz neben dem Schwarzen Loch hervor. Irgendwie setzen sich solche Bilder gerne im Hinterkopf fest.

  25. […] der Zeit abgebaut hat. Außerdem hat man dort einen sehr hellen Jet (kein Flugzeug sondern einen Strom von Materie) beobachtet und Sebastian Heinz von der Universität Wisconsin-Madison wollte wissen, warum der so […]