Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Unsere gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
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Tatort-Folge Nummer 887 spielt auf Langeoog. Es geht um Kunst und Sex. Es geht um Seefahrt und Schulden. Und vor allen geht es um die Chaostheorie.

Endlich mal ein Tatort aus der Provinz. Natürlich ist es eine malerische touristisch relevante Provinz auf der Nordseeinsel Langeoog. Aber immerhin…

Kommissar Falke aus Hamburg macht Urlaub auf Langeoog. Und wie das so ist wenn Kommissare in Krimis irgendwo Urlaub machen, stirbt ziemlich bald jemand. Zuerst läuft alles noch super. Mit seinem Freund und seiner Frau feiert Falke ne kleine Party. Nur der seltsame Bruder der Frau hat keine Lust auf Party und verschwindet. Das hätte ich wohl auch getan; was aber nicht daran liegt das der Typ so wie ich Florian heißt, sondern dass auf der Party wirklich grauenhafte Musik gemacht wurde. Florian jedenfalls packt seinen Schlafsack ein, eine Taschenlampe und verlässt Punkt 21:34 die Wohnung. Am nächsten Tag wacht er verwirrt, halbnackt und blutverschmiert mitten in den Dünen neben einer erstochenen Frau auf.

Dünen in Langeoog. Normalerweise liegen da keine Leichen rum (Bild: Karsten Keßler; CC-BY-SA 2.0=

Dünen in Langeoog. Normalerweise liegen da keine Leichen rum (Bild: Karsten Keßler; CC-BY-SA 2.0=

Keiner weiß, was los war. Und vermutlich hat Florian sich in diesem Moment gewünscht, die Party am Abend davor trotz der grauenhaften Musik nicht verlassen zu haben. Dann wäre das alles nicht passiert. Vielleicht wäre es aber auch nicht passiert, wenn er schon um 21:33 losgegangen wäre. Oder erst um 21:35. Oder statt der Taschenlampe eine Kerze mitgenommen hätte. Kleine Veränderungen können oft große Auswirkungen haben. Dieses Phänomen kennt man unter dem Begriff “Schmetterlingseffekt”: Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Wirbelsturm auslösen.

Ernsthaft?

Der Schmetterlingseffekt ist sehr populär und eines der wenigen Dinge aus der Theorie nichtlinearer Systems, das sich auch in der Öffentlichkeit verbreitet hat. Allerdings so gut wie immer auf die falsche Art und Weise. Es handelt sich ganz explizit nicht um eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Der Flügelschlag eines konkreten Schmetterlings ist nicht die Ursache für einen konkreten Wirbelsturm. Es geht beim Schmetterlingseffekt um etwas ganz anderes. Und zwar um eine fundamentale Eigenschaft chaotischer Systeme: Die Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen. Im Normalfall ist die Beziehung zwischen Input und Output in einem dynamischen System relativ linear. Wenn ich einen Gummiball auf den Boden werfe, dann hüpft er wieder hoch. Wenn ich ihn ein bisschen stärker auf den Boden werfe, dann hüpft er ein bisschen weiter nach oben. Wenn ich ihn noch ein bisschen stärker werfe, dann hüpft er noch ein bisschen weiter nach oben. Und so weiter. Wie weit der Ball hüpft hängt direkt davon ab, wie stark ich ihn werfe. Wenn ich die Kraft mit der ich werfe langsam erhöhe, dann wird auch der Ball langsam immer höher springen. Und es ist nicht damit zu rechnen, dass er von einem Wurf auf den anderen plötzlich auf dem Boden liegen bleibt und gar nicht mehr nach oben hüpft oder 100 Meter in die Luft fliegt. Kleine Änderungen in den Anfangsbedingungen, also der Stärke der Kraft mit der ich werfe, erzeugen auch immer nur kleine Änderungen im Ergebnis, also der Höhe, die der Ball erreicht. So ein System nennt man “linear”.

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Kommentare (3)

  1. #1 afx
    25. November 2013

    Mein Wort des Tages: INSELPULLIS.

    😀

  2. #2 Klaus
    25. November 2013

    “dass auf der Party wirklich grauenhafte Musik gemacht wurde.”
    Das war das eine; das andere Doofe war die große schwarze Brille der eigentlich brillenlosen Nina Kunzendorf.

  3. #3 My-Langeoog
    Langeoog
    2. Mai 2016

    Für mich leider einer der schlechtesten Tatorte. Abgesehen, davon, das sehr viele Aufnahmen nicht einmal von Langeoog stammten, war es auch einfach ein langweiliger Tatort. Mehr Informationen zu Langeoog: https://my-langeoog.de