Weihnachten kommt immer näher und damit auch meine alljährlichen Weihnachtsbuchempfehlungen. Bevor es dann demnächst so weit ist, möchte ich noch über die Bücher schreiben, die ich in letzter Zeit gelesen habe und die zwar recht interessant, aber nicht so enorm beeindruckend waren um sie in den “offiziellen” Empfehlungsartikel aufzunehmen. Den Anfang in dieser Reihe macht das Buch “Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam” von Harald Lesch.
Oder besser gesagt: Nicht von Harald Lesch. Denn der ist nur der Herausgeber und hat Vorwort und Nachwort des Buchs geschrieben. Der eigentliche Inhalt stammt von sieben anderen Autoren (Martin Dittgen, Timothy Hall, Matthias Helsen, Florian Schlagintweit, Judith Selig, Floian Zeller, Roman Zitlau), die aber am Buchumschlag nicht genannt werden.
Im Juli 2012 wurde die Entdeckung des Higgs-Teilchens bekannt gegeben und im Oktober 2013 gab es den Nobelpreis für Peter Higgs und Francois Englert. Es ist also durchaus an der Zeit, das Thema mal ausführlich und in aller nötigen Länge in einem allgemeinverständlichen Buch zu beschreiben. Es ist allerdings ein wenig überraschend, dass dieses Buch nun von Harald Lesch kommt. Immerhin meinte er damals kurz nach der Entdeckung, dass wir uns besser mit anderen Dingen beschäftigen sollten:
“Es gibt so viele andere Dinge, die viele Menschen auch nicht verstehen, die aber wirklich wichtig sind. Den Klimawandel zum Beispiel. Dafür sollten wir uns interessieren – und darüber sprechen, warum sich die Mehrheit dafür nicht zu interessieren scheint. Das Higgs bleibt am äußersten Rand der Wirklichkeit. Beschäftigen wir uns lieber mit realen Dingen.”
Aber es ist schön zu sehen, dass er seine Meinung geändert hat und nun zumindest als Herausgeber eines Buches zum Thema fungiert. Es ist allerdings nicht das Buch, das ich mir zu diesem Thema gewünscht hätte. Auf nur knapp 160 Seiten findet man neben Vor- und Nachwort von Lesch sechs Beiträge die sich mit verschiedenen Aspekten der Higgs-Geschichte beschäftigen. Zuerst schreibt Matthias Helsen über “Higgs und der Journalismus”. Dieser kurze Artikel enthält nicht viele neue Informationen und beschränkt sich im wesentlichen darauf festzustellen, dass die Medien es bei der Berichterstattung gerne übertreiben und reißerische Begriffe wie “Gottesteilchen” oder “Urknallmaschine” verwenden, was man eigentlich vermeiden sollte. Passenderweise trägt das nächste Kapitel von Timothy Hall dann gleich den Titel “Von ‘Urknall-Maschinen’, ‘Gottesteilchen’ und schwarzen Löchern”. Dort wird kurz erläutert, was es mit diesen Begriffen auf sich hat und wie ernst Geschichten über angeblich gefährliche schwarze Löcher zu nehmen sind (gar nicht). Das längste Kapitel des Buches stammt von Roman Zitlau, heißt “Rätsel und Kuriositäten in der Welt der allerkleinsten Dinge” und bietet eine kurze Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik. In “Treffen sich zwei Protonen” erklärt Judith Selig den Teilchenbeschleuniger LHC und im folgenden Kapitel “ATLAS und CMS – zwei Weltmaschinen auf der Suche nach Higgs” stellen Florian Schlagintweit und Florian Zeller die beiden großen Detektoren des LHC vor. Und schließlich erklärt das letzte Kapitel von Martin P. Dittgen “Das Higgs-Teilchen aus dem Blickwinkel der Theoretischen Physik” und den eigentlichen Higgs-Mechanismus. Dann folgt das abschließende Kapitel “Higgs und fertig?” von Harald Lesch und noch drei Seiten zum kürzlich verliehenen Nobelpreis.
Was die Themen der einzelnen Kapitel angeht gibt es eigentlich nicht viel zu kritisieren. Was die Umsetzung betrifft dagegen einiges. Am Ende des Buchs beschreiben die Autoren, wie das Buch entstand. Sie besuchten alle eine Astronomievorlesung von Harald Lesch der meinte, er hätte ein Buchangebot von einem Verlag und das könnte ein “schönes Projekt für Studenten” sein. Und genau so liest sich das Buch leider auch: Wie das Projekt von Studenten. Das ist weder abwertend noch böse gemeint! Wären die einzelnen Beiträge zum Beispiel als Artikel in einem Blog erschienen gäbe es kaum etwas, worüber man sich beschweren könnte. Aber als Hardcover-Buch im Bertelsmann-Verlag unter dem Namen von Harald Lesch erwartet man sich dann doch etwas anderes als eine recht inhomogene Sammlung von studentischen Aufsätzen.
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