Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Nur die gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
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Tatort-Folge Nummer 888 spielt in Stuttgart. Es geht um zerrüttete Familien und zerstörte Leben. Es geht um Kunst und Betrug. Und es geht um jede Menge Nichts.
Der Tatort in Stuttgart beginnt mit kaputten Familien. Den Kindern und Jugendlichen in einer sozialen Einrichtung und den Sozialarbeitern die ihnen helfen. Und der Familie von Kommissar Bootz bzw. seinen Kindern um die er sich nach der Trennung von seiner Frau nun zumindest teilzeit alleine kümmern muss (was natürlich Probleme schafft, wenn er mal wieder Verbrecher fangen muss). Ich frage mich ja, ob es irgendwo im Tatort-Universum auch noch mal nen Kommissar oder ne Kommissarin gibt, die eine ganz normale Familie hat. So mit glücklicher Ehe, braven Kindern und ohne Streit, Betrug und Tragik. Na ja, ich hab ja noch nicht alle Tatorte gesehen; es besteht also noch Hoffnung.
Der Sozialarbeiter aus dem Stuttgarter Jugendhaus jedenfalls wird keine Familie mehr gründen können. Der er wird eines morgens tot aufgefunden; auf der Damentoilette und schuld war die große Leere.
Er starb an einem Mangel von Luft. Normalerweise atmen wir, in dem unsere Brustmuskeln das Lungenvolumen vergrößern. So entsteht ein Unterdruck und wir können frische Luft einatmen. Wenn da dann aber keine Luft ist, sondern zum Beispiel Toilettenwasser, dann sorgt die Physik dafür, dass eben dieses Wasser in unsere Lungen strömt. Denn irgendwas muss da rein; ein Vakuum kann die Natur nicht leiden. Dieses Konzept des “Horror Vacui”; also der Angst vor der Leere, existiert schon lange. Genau so lange gibt es aber auch schon Forscher, die vom Gegenteil überzeugt waren. Im antiken Griechenland standen sich hier die Auffassungen von Demokrit und Aristoteles gegenüber. Demokrit war der Meinung, dass alle Materie aus kleinsten Atomen besteht die durch eine universale Leere fliegen und sich zu größeren Objekten – zum Beispiel der Erde – zusammensetzen. Aristoteles war anderer Meinung und ging davon aus, dass auch die scheinbare Leere mit einem “Äther” gefüllt sein müsse.
Heute wissen wir es besser und haben erkannt, dass Demokrit näher an der Wahrheit dran war. Obwohl es natürlich immer noch schwer ist, die Natur der Leere exakt zu definieren. Rein philosophisch ist ein Vakuum das, wo sonst nichts mehr ist. In der Realität ist aber fast immer irgendwas da, und wenn es nur ein einzelnes Atom ist. Und unterscheidet daher auch verschiedene Arten von “Vakuum”. Sind in einem Volumen von einem Kubikzentimeter (also ungefähr dem Volumen eines Zuckerwürfels) noch mehr als circa 10 Trillionen Moleküle/Atome vorhanden, dann spricht man vom “Normaldruck”. Sind nur noch zwischen 10 Billiarden und 10 Trillionen Moleküle vorhanden, dann hat man ein “Grobvakuum”; also das, was man zum Beispiel einem Stausauger findet (der auf englisch ja auch “vacuum cleaner”) heisst und was man normalerweise eher als “Unterdruck” bezeichnet). Ein Feinvakuum hat man 10 Billionen bis 10 Billiarden Teilchen pro cm³ – das ist auch ungefähr die Grenze dessen, was man mit mechanischen Pumpen erreichen kann und man findet es zum Beispiel in Gasentladungslampen. Ein Hochvakuum hat nur noch zwischen einer Milliarden und 10 Billionen Teilchen und das ist für unsere Technik schon ein ziemlich gutes Vakuum wie man es in den Röhren von Teilchenbeschleunigern benötigt, damit die Teilchen ohne ungewünschte Kollisionen beschleunigen können. Bei einen Hochvakuum können sie im Schnitt einige Kilometer weit fliegen, bevor sie auf ein Molekül treffen. Ein noch reineres Vakuum finden wir dann nur noch im Weltall. Im Raum zwischen den Planeten trifft man im Durchschnitt nur noch 10 Moleküle pro Kubikzentimer und im interstellaren Raum zwischen den Sternen ist es nur noch ein einziges. Und die bunt leuchtenden Nebel und Gaswolken, die wir auf den astronomischen Aufnahmen bewundern können, sind im Wesentlichen leer. Dort findet man um die hunderttausend Teilchen pro cm³; also ein besseres Vakuum als wir in unseren irdischen Labors erzeugen können.
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