Die Idee der Panspermie ist nicht neu, aber immer noch interessant. Man geht dabei davon aus, dass Leben von einem Planeten zum anderen gelangen kann und zwar ohne Raumschiffe, sondern auf natürlichem Weg über Meteoriten. Man darf sich natürlich nicht vorstellen, dass sich da ein Eichhörnchen oder ne Kuh an einen Felsbrocken klammert und durchs All saust. Aber wenn ein größerer Asteroid oder Komet auf einem Planeten einschlägt, dann Trümmer der Kollision bis ins All geschleudert werden. Und im Inneren dieser Trümmer könnten Mikroben existieren, die direkt im Stein leben und kein Sonnenlicht oder Wasser brauchen und so ein paar Millionen Jahre überleben können. Wenn dieses Trümmerstück dann auf einem anderen Planeten landet und die Bedingungen passen, könnte daraus dann neues Leben und eine neue Evolution entstehen. Die Panspermie sagt, dass sich das Leben von Planet zu Planet ausbreiten kann und das klingt zwar nach Science-Fiction, ist aber durchaus plausibel.
Wir wissen, dass es immer wieder Kollisionen von Asteroiden und Kometen mit Planeten gibt. Wir wissen, dass dabei Trümmer von einem Planeten zu einem anderen gelangen können. Wir haben auf der Erde schon 105 Meteoriten gefunden, die eindeutig vom Mars stammen. Und wir wissen, dass es zumindest auf der Erde jede Menge Organismen gibt, die unter Extremen Bedingungen existieren können; darunter auch welche die im Inneren von Gestein leben. Wir wissen allerdings noch nicht ob es irgendwo anders im Weltall Leben gibt und wir wissen nicht, ob das Leben durchs Weltall zur Erde kam. Aber dank einer neuen wissenschaftlichen Studie wissen wir nun, dass die Erde mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Leben ins All exportiert hat!
Rachel Worth von der Pennsylvania State University und ihre Kollegen haben untersucht, was mit Trümmerstücken von der Erde passiert, die bei Asteroidenkollisionen entstehen. Was passiert mit ihnen, landen sie vielleicht auf anderen Planeten und wenn ja, auf welchen? (“Seeding Life on the Moons of the Outer Planets via Lithopanspermia”). Die Ergebnisse sind faszinierend.
Natürlich kann man nicht wirklich exakt berechnen, was bei so einer Kollision abläuft. Das ist ein ziemlich chaotischer Vorgang und er läuft jedes Mal anders ab. Aber man kann so etwas am Computer simulieren und das auf viele verschiedene Arten. So erhält man einen Überblick über das was möglich ist, über das was nicht möglich ist und das was wahrscheinlich ist. Genau das haben Worth und ihre Kollegen getan. Sie haben jeweils über 40.000 Trümmerstücke von Mars und Erde simuliert, am Computer ihre Bahnen durchs Sonnensystem für 10 Millionen Jahre verfolgt und nachgesehen, wo sie gelandet sind (und dazu übrigens ein Computerprogramm benutzt das ich hier im Blog auch schon vorgestellt habe).
Von den Trümmern der Erde sind die meisten in einer Umlaufbahn um unseren Planeten geblieben: Knapp 40 Prozent haben die Umgebung der Erde während der 10 Millionen Jahre nicht verlassen. Ebenfalls knapp 40 Prozent sind wieder zurück auf die Erde gefallen. 5 Prozent flogen ganz aus dem Sonnensystem raus und 1,5 Prozent stürzten in die Sonne. Aber die restlichen knapp 14 Prozent landeten bei anderen Planeten. Die Mehrheit bei unserem großen Nachbarn, der Venus, die immerhin 13 Prozent für sich beanspruchen konnte. Der leichte Mars konnte sich nur 0,18 Prozent der Trümmerstücke schnappen. Der ferne aber schwere Jupiter hat noch 0,41 Prozent der Meteoriten abbekommen und 3 Bruchstücke (0,0069 Prozent) landeten sogar bei Saturn.
Beim Mars landet die absolute Mehrheit in einem Orbit: 75 Prozent. 16 Prozent fallen wieder zurück auf den Planeten. 3,8 Prozent fliegen aus dem Sonnensystem und 1,3 Prozent stürzen auf die Sonne. Hier bleiben also nur knapp 4 Prozent die auf anderen Planeten landen und hier sind es Erde (2,6%) und Venus (1,5%) die das meiste abbekommen. Aber auch Jupiter bekommt noch 0,04 Prozent der Bruchstücke.
Von Erde zum Mars bzw. vom Mars zur Erde brauchen die Trümmer dabei im Durchschnitt 5 Millionen Jahre; zum Jupiter jeweils knapp 7 Millionen Jahre. Es ist also nach diesen Simulationen durchaus plausibel, dass die Nachbarplaneten Erde und Mars während der 4,5 Milliarden Jahre ihrer Existenz jede Menge Gestein ausgetauscht haben. Dass es zumindest vom Mars in Richtung Erde geklappt hat, wissen wir ja durch die hier gefundenen Marsmeteoriten. Umgekehrt hat man auf dem Mars noch keine Meteoriten von der Erde entdeckt aber dort war ja auch noch niemand um danach zu suchen…
Aber selbst wenn die Erde ihr Leben vor langer Zeit zum Mars geschickt hat, dann ist dort heute nicht mehr viel zu sehen. Wenn überhaupt, dann ist es bei den Mikroben im Gestein geblieben und selbst diese Art von simplem Leben haben wir trotz langer Suche auf dem Mars noch nicht gefunden. Die anderen Planeten des Sonnensystems sind noch schlechter für Leben geeignet als der Mars und selbst wenn die ganz aus dem Sonnensystem geschleuderten Bruchstücke der Erde entgegen aller Wahrscheinlichkeit irgendwann auf dem Planeten eines anderen Sterns einschlagen, ist fraglich ob selbst extremophile Organismen so eine unvorstellbar lange Reise überleben können.
Aber es gibt ja noch die Monde! Jupiter und Saturn werden von großen Monden umkreist und wir wissen, dass auf einigen von ihnen flüssiges Wasser existiert: Zum Beispiel dem Jupitermond Europa oder dem Saturnmond Enceladus. Und der Saturnmond Titan hat einen exotischen Methankreislauf mit Flüssen und Seen auf dem sich unter Umständen auch spezielle Arten des Lebens niederlassen können. Deswegen haben Worth und ihre Kollegen auch nochmal im Detail simuliert, wie viele Bruchstücke der Erde die in die Nähe von Jupiter bzw. Saturn gelangen dann nicht auf dem Planeten selbst sondern auf ihren Monden einschlagen. Viele sind es nicht, aber ein paar waren es doch. Von knapp einer halben Million simulierter Trümmerteile landeten immerhin 73 auf Io, 40 auf Ganymede und 36 auf Europa. Callisto bekam noch 7 Bruchstücke ab. Bei Saturn sieht es schlechter aus; von knapp 28.000 simulierten Trümmern landeten 2 auf Enceladus und 3 auf Titan.
Nur ein winziger Bruchteil eines Prozents aller Trümmer die es bis zu Jupiter oder Saturn schaffen landen also auf den dortigen Monden. Aber ein winziger Bruchteil ist nicht nichts und das Sonnensystem ist 4,5 Milliarden Jahre alt – da ist genug Zeit, damit so etwas auch tatsächlich passieren kann. Vorausgesetzt, die Kollisionen die die Trümmer der Erde ins All schleudern sind entsprechend heftig. Worth und ihre Kollegen haben auch das simuliert und nachgesehen, wie viele Kollisionen während der letzten 3,5 Milliarden Jahren – also ungefähr der Zeitraum, in dem Leben auf der Erde existiert – Material ausreichend heftig ins All geschleudert haben und wie viel Material davon zu den Monden der Gasriesen gelangt.
Überraschend viel! Knapp 2000 Tonnen Gestein von der Erde müssen auf dem Jupitermond Europa gelandet sein (vom Mars kamen ebenfalls knapp 2000 Tonnen). 1000 Tonnen haben es immerhin noch von der Erde bis zum Saturnmond Enceladus geschafft und 1500 Tonnen zum Titan.
Besonders Europa ist ein interessantes Ziel für Bruchstücke der Erde. Wir wissen schon länger, dass unter dem dicken Eispanzer des Mondes Ozean aus flüssigem Wasser liegt. Der Einschlag eines Meteoriten dürfte zwar nicht kräftig genug sein um die kilometerdicke Eisschicht zu durchbrechen. Aber die weist ganz von allein immer wieder Lücken auf. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass das Hubble-Weltraumteleskop Wasserdampf auf Europa beobachtet hat. Man geht nun davon aus, dass es auch dort Eisvulkanismus gibt wie er schon 2005 auf dem Saturnmond Enceladus gefunden wurde. Die Gezeitenkräfte des Jupiters scheinen die Eisschicht von Europa ab und zu aufzubrechen und dann kann Wasser aus dem unterirdischen Ozean an die Oberfläche gelangen.
Oder Mikroorganismen aus Erdmeteoriten von der Oberfläche in den geschützten Bereich unter dem Eis wo sie sich weiter entwickeln können…
Wir haben leider noch keine Ahnung, was sich unter dem Eis von Europa abspielt und ob dort einfach nur Wasser zu finden ist oder ein Ozean voller Leben. Und wir wissen auch nicht, ob die Erde ihr Leben irgendwann einmal wirklich zu einem anderen Himmelskörper exportiert hat. Aber die Simulationen von Worth und ihren Kollegen sagen uns zumindest, dass es nicht so unwahrscheinlich ist wie es klingt und im Laufe der letzten paar Milliarden Jahre zumindest ein paar Steine von der Erde auf Europa, Enceladus, Titan und den anderen Himmelskörper gelandet sein müssen. Ob die allerdings Passagiere an Bord hatten und ob die dort überleben konnten ist eine ganz andere Frage. Es wird langsam mal Zeit, dass wir eine Raumsonde zu Europa schicken!
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