Ich habe dieses Jahr schon jede Menge Bücher hier im Blog vorgestellt (hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier). Und wenn ihr zu Weihnachten Bücher verschenken wollt, dann habt ihr die vermutlich schon besorgt. Falls nicht, dann habe ich hier noch ein paar Last-Minute-Buchvorstellungen für euch.
Überleben mit Physik
Werner Gruber werden die meisten Leserinnen und Leser als ein Drittel der “Science Busters” kennen über die ich ja schon oft geschrieben habe (zum Beispiel hier). Gruber schreibt aber auch alleine Bücher und “Unglaublich einfach. Einfach unglaublich: Überleben mit Physik” ist vor kurzem neu überarbeitet erschienen. Es ist ein ideales Buch zum Verschenken; es eignet sich für Kinder, Jugendliche, interessierte Laien aber auch Menschen, die schon jede Menge Ahnung von Physik haben. Es ist ein typisches “Alltagsphysik”-Buch und zeigt, wo man dieser fundamentalen Wissenschaft im täglichen Leben überall begegnen kann. Und wie man sie benutzen kann: Die Kapitel tragen Überschriften wie “Wie überlebe ich mit Hilfe von Physik in der Wüste”, “Verhalten beim Kontakt mit Außerirdischen” oder “Bomben selbst entschärft”. Gruber macht Vorschläge für Experimente, die man selbst ausprobieren kann (das mit dem Bomben entschärfen gehört übrigens nicht dazu), erklärt wie man einen perfekten Papierflieger bastelt oder auf die physikalisch korrekte Art und Weise Eier kocht. Lest es, es lohnt sich.
Der Beweis des Jahrhunderts
Mathematik hat ja den Ruf, manchmal etwas trocken, langweilig und kompliziert zu sein. Auf die Geschichte des Buchs “Der Beweis des Jahrhunderts: Die faszinierende Geschichte des Mathematikers Grigori Perelman” von Masha Gessen trifft das aber definitiv nicht zu. Gessen hat eine Biografie des russischen Mathematikers Grigori Perelman geschrieben – und das, obwohl sie niemals mit ihm gesprochen hat. Nicht, weil sie nicht ordentlich recherchiert hat. Sondern weil Perelman mit so gut wie überhaupt niemanden mehr spricht. Perelman wurde berühmt, als er im Jahr 2002 den Beweis für eines der größten bis dahin ungelösten Probleme in der Mathematik einfach so ins Internet stellte. Perelman hatte die Poincaré-Vermutung bewiesen und damit etwas geschafft, was der Rest der Mathematiker fast 100 Jahre lang nicht geschafft hatte. Perelman sollte dafür die Fields-Medaille, also die höchste Auszeichnung der Mathematik, bekommen – aber er lehnte ab. Da er eines der Millenium-Probleme gelöst hatte, sollte er auch eine Million Dollar bekommen – aber er lehnte ab. Schon vor dem Beweis im Jahr 2002 hat Perelman sich aus der Welt der Wissenschaft zurück gezogen und er sieht seitdem keinen Grund mehr, wieder zurück zu kommen und lebt mit seiner Mutter am Stadtrand von St. Petersburg.
Gessen, selbst in der Sowjetunion aufgewachsen und sehr an Mathematik interessiert schafft es aber auch ohne Perelmans Beteiligung ein spannendes Bild seines Lebens zu zeichnen. Sie erzählt, wie die sowjetische Jugend in speziellen Mathematikschulen ausgebildet wurde, welchen Diskriminierungen Juden wie Perelman ausgesetzt waren und wie Perelman zu dem Mathematiker wurde, der er geworden ist. Sie hat mit seinen Lehrern gesprochen, seinen Kollegen und seinen ehemaligen Freunden. Wer mehr über die Mathematik selbst und die Poincaré-Vermutung erfahren will, der wird in diesem Buch wenig finden und sollte lieber “Poincarés Vermutung: Die Geschichte eines mathematischen Abenteuers” von Donal O’Shea oder “Das Poincaré-Abenteuer: Ein mathematisches Welträtsel wird gelöst” von George Szpiro lesen. Aber wer das faszinierende Leben eines noch faszinierenderen Mathematikers kennen lernen möchte, dem kann ich “Der Beweis des Jahrhunderts” nur empfehlen.
Die Psychologie der Irrationalität
Wir glauben ja gerne, wir könnten uns auf das verlassen, was unsere Sinne uns zeigen. Wir glauben, dass andere Menschen zwar Unsinn denken, leichtgläubig sind und auf irrationalen Gedanken folgen, aber wir das natürlich nicht tun. Wir wissen, wie der Hase läuft; wir lassen uns nicht verarschen; wir haben verstanden, was los ist und fallen auf niemanden rein.
Aber so ist es natürlich nicht. Unsere Sinnesorgane und unser Gehirn arbeiten alles andere als verlässlich. Wir nehmen die Welt nicht objektiv wahr und wir denken nicht objektiv über sie nach. Wir unterliegen zahllosen kognitiven Verzerrungen und zwar wir alle, egal ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Genau diese Fehlschlüsse die wir alle ständig begehen und die irrationalen Gedanken denen wir alle ständig anhängen sind das Thema von “You Are Not So Smart: Why Your Memory Is Mostly Fiction, Why You Have Too Many Friends On Facebook And 46 Other Ways You’re Deluding Yourself” (auf deutsch: “Ich denke, also irre ich: Wie unser Gehirn uns jeden Tag täuscht”) von David McRaney. Da sind Klassiker wie der Dunning-Kruger-Effekt (die Tendenz inkompetenter Menschen, das eigene Können zu überschätzen) oder die Texas sharpshooter fallacy (der Fehlschluss, dass eine Häufung von Ereignissen auf eine Kausalität hin deutet) mit dabei. Aber auch kognitive Verzerrungen, von denen man vielleicht noch nicht gehört hat, wie zum Beispiel der consistency bias (man kann ohne genaue Aufzeichnungen schwer einschätzen, welche Meinung man in der Vergangenheit zu bestimmten Themen hatte) oder der spotlight effect (der Fehlschluss, dass andere Menschen an allem interessiert sind, was man tut). Die 48 kognitiven Verzerrungen des Buchs werden alle ausführlich vorgestellt; McRaney erklärt wo sie in unserem Leben und Denken eine Rolle spielen und welche wissenschaftlichen Studien dazu schon durchgeführt worden sind.
Ein ähnliches Thema aber einen anderen Ansatz verfolgt das Buch “Starrköpfe überzeugen: Psychotricks für den Umgang mit Verschwörungstheoretikern, Fundamentalisten, Partnern und Ihrem Chef” von Sebastian Herrmann. Auch hier geht es um all die Effekte, die dazu führen das Menschen irrationale Dinge glauben oder tun. Aber Herrmann interessiert sich im Vergleich zu McRaney nicht so sehr für die Effekte selbst sondern für das, was sie verursachen. Also zum Beispiel für die Pseudomediziner, die behaupten es gäbe kein AIDS und – wie Christine Maggiore selbst durch den Tod ihres Kindes nicht vom Gegenteil zu überzeugen sind. Wenn die irrationalen Überzeugungen aber so enorm festsitzen: Was kann man da noch dagegen tun? Wie kann man mit solchen Menschen umgehen oder gar vernünftig diskutieren? Das ist das eigentliche Thema von Herrmanns Buch und er probiert zu erklären, wie man in der Diskussion mit einem irrationalen Gegenüber am besten umgeht.
Ich kann beide Bücher sehr empfehlen – aber würde vielleicht trotzdem nicht unbedingt direkt unter dem Weihnachtsbaum mit den rational-irrationalen Streitgesprächen starten 😉
Science-Fiction und Barock
Während der Weihnachtsfeiertage hat man vielleicht auch sowieso keine Lust auf Bücher über Physik, Mathematik und Psychologie und will lieber Romane lesen. Da will man ein bisschen Erholung vom Alltag und zumindest im Kopf eine Zeit lang in eine andere Welt eintauchen. Science-Fiction-Fans können das in der Nights-Dawn-Trilogie von Peter Hamilton. Die Serie ist nicht neu, aber wer sie noch nicht kennt sollte das schnell ändern. Meiner Meinung nach gehören diese Bücher zum besten, was die moderne Science-Fiction zu bieten hat. Im Original heißen die drei Bände der Serie “The Reality Dysfunction”, “The Neutronium Alchemist” und “The Naked God” und jeder davon ist knapp 1000 Seiten dick. Auf deutsch ist der Zyklus in insgesamt sechs Bänden veröffentlicht worden: “Die unbekannte Macht”, “Fehlfunktion”, “Seelengesänge”, “Der Neutronium Alchimist”, “Die Besessenen” und “Der nackte Gott”. Es wird also vielleicht ein bisschen länger dauern bis man durch ist, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Die Welt der Nights-Dawn-Trilogie ist eine, in die man voll und ganz eintauchen kann. Es gibt dort lebendige Raumschiffe und Raumstationen, mysteriöse Aliens, noch mysteriösere untergegangene Alienkulturen und eine erschreckende und fundamental neue Bedrohung für die über zahlreiche Sterne und Planeten verteilte Menschheit: Die Toten kehren zurück. Es gibt ein “Leben” nach dem Tod; es ist grauenhaft und als sich aus Gründe, auf die ich hier nicht näher eingehen will, den Toten eine Möglichkeit bietet zurück in die Welt der Lebenden zu kommen steht das Universum schnell vor dem Ende. Das klingt jetzt vielleicht zuerst nach Zombie-Abklatsch und seltsamen Fantasy-Geschichten. Aber die Nights-Dawn-Trilogie ist astreine Science-Fiction und eines der besten Bücher die ich in diesem Genre gelesen habe.
Wer keine Lust auf Science-Fiction und Aliens hat, aber trotzdem in eine ganz andere Welt eintauchen will, dem empfehle ich die Barock-Trilogie von Neal Stephenson. Die ist ähnlich umfangreich wie die Nights-Dawn-Trilogie, spielt aber nicht im Weltraum, sondern auf der Erde. In den drei Büchern “Quicksilver”, “The Confusion” und “The System Of The World” (auf deutsch: “Quicksilver”, “Confusion” und “Principia”) wird die Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts in Romanform lebendig. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll mit der Erklärung, denn das Buch ist ebenso vielschichtig wie die namensgebende Epoche des Barock. Eine der Hauptfiguren des Buchs ist zum Beispiel Isaac Newton und wir können gemeinsam mit ihm die Entstehung der modernen Wissenschaft verfolgen und treffen auf viele andere Protagonisten der jungen Naturwissenschaft: Leibnitz, Huygens, Hooke, Wren, und so weiter. Eine andere Hauptperson ist der Landstreicher Jack Shaftoe der bei der Schlacht um Wien die Kurtisane Eliza trifft (und später einmal um die Welt segelt und zwischendurch König in Asien wird). Das Buch handelt von Politik, Wirtschaft, Kriegen, Wissenschaft und jeder Menge anderer Dinge und gehört zu den Büchern, die eigentlich jeder gelesen haben sollte und die in ein paar Jahrzehnten sicherlich als Klassiker gelten werden.
Und wie immer gilt: Wenn ihr auch ein paar gute Empfehlung habt, dann sagt in den Kommentaren Bescheid! Bücher kann man nie genug kennen.
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