Quetelet war bei seiner statistischen Arbeit darauf aus, die Gesetze zu finden, die die menschliche Gesellschaft beschreiben:
“Menschen werden geboren, leben und sterben nach bestimmten Gesetzen. Und diese Gesetze wurden bis jetzt noch nie studiert.”
Analog zur revolutionären Arbeit Newtons wollte Quetelet eine “Sozialphysik” entwerfen, bei der die menschliche Natur mit Statistik beschrieben werden kann. Das schaffte er zwar nicht ganz, aber er legte den Grundstein für die Arbeit der im nachfolgenden Wissenschaftler (Und er erfand den Body-Mass-Index, der uns heute immer noch auf die Nerven geht). Zum Beispiel Francis Galton, ein Cousin von Charles Darwin. Galton entdeckte zwei fundamentale Prinzipien der Statistik. 1875 untersuchte er Erbsen. Er pflanzte Erbsen verschiedner Größe ein und sah nach, wie groß die daraus wachsenden neuen Erbsen waren. Dabei stellte er fest, dass im Durchschnitt die Nachkommen großer Erbsen kleiner waren als die Vorgängergeneration. Und die Nachkommen der kleinen Erbsen waren größer. Das gleiche stellte er in den Größenmessungen bei Menschen fest. Große Eltern bekommen nicht zwingend große Kinder und umgekehrt. Galton hatte die Regression zum Mittelwert entdeckt: Nach einer Messung die stark vom Mittelwert abweicht ist es wahrscheinlich, dass der nächste Wert wieder näher am Mittelwert liegt wenn der Zufall den Prozess beeinflusst und die Messungen korreliert sind. Wäre es nicht so, dann würde die Größenverteilung der Menschen keiner Normalverteilung folgen (was sie aber tut), denn dann würden große Eltern noch größere Kinder kriegen, die dann noch größere Kinder kriegen, und so weiter. Die Größen sollten dann nicht mehr normalverteilt sein, sondern deutliche Spitzen bei Extremwerten zeigen.
Der zweite große Beitrag von Galton zur Statistik war der Korrelationskoeffizent. Man kann zum Beispiel die Größe der Eltern in einem Diagramm auf der einen Achse aufzeichnen und die Größe ihrer Kinder auf der anderen. Wären die Kinder immer genau so groß wie ihre Eltern, dann würde man eine Linie bekommen die in einem Winkel von 45 Grad durch das Diagramm verläuft. Eltern die 1,80m groß sind kriegen Kinder die 1,80m groß sind; Eltern die eins 1,70m groß sind kriegen Kinder die 1,70m groß sind, und so weiter. In der Realität ist das aber wie schon gesagt nicht der Fall und die Datenpunkte liegen nicht alle exakt auf einer Linie. Der Korrelationskoeffizent von Dalton beschreibt nun mathematisch, wie stark die Datenpunkte von der 45-Grad-Linie abweichen. Liegen sie genau auf der Linie, ist der Korrelationskoeffizent gleich 1. Dann wären in unserem Beispiel die Größen von Eltern und Kinder exakt linear zusammenhängend. Wenn es absolut keinen Zusammenhang geben würde und die Daten einfach zufällig im Diagramm verteilt sind, ist der Korrelationskoeffizient gleich 0 (im Falle einer negativen Korrelation – die größten Eltern kriegen die kleinsten Kinder – ist der Koeffizient gleich -1). In der Realität wird der Koeffizient irgendwo dazwischen liegen und zeigt an, wie stark zwei Messgrößen tatsächlich zusammenhängen.
Durch Galtons Arbeit wurde die Statistik Teil der Biologie und ein nützliches Instrument. Aber auch die Physiker waren überzeugt, dass Statistik in ihrer Wissenschaft von Nutzen sein konnte. Wenn große Gruppen von Menschen den gleichen statistischen Gesetzen folgten, dann muss das doch auch für noch größere Gruppen von Atomen und Molekülen gelten, die sich ebenso chaotisch bewegten, wie einzelne Menschen. Physiker wie Ludwig Boltzmann und James Clerk Maxwell entwickelten Methoden, um physikalische Systeme statistisch zu beschreiben. Ein wirklicher Durchbruch gelang aber einem anderen: Albert Einstein.
Den assozieren wir heute meistens mit seiner Relativitätstheorie. Aber Einstein ist nicht umsonst das buchstäbliche Genie und der Inbegriff des Überwissenschaftlers. Er war tatsächlich ein Genie und es gibt kaum einen Bereich der modernen Physik, den er nicht maßgeblich beeinflusst hat. Vielen wird bekannt sein, dass Einstein nicht nur die Relativitätstheorie entwickelt, sondern auch grundlegende Arbeit auf dem Gebiet der Quantenmechanik geleistet hat. Seine Forschung über Statistik ist weniger prominent, aber deswegen nicht weniger genial. Genau wie seine Artikel zu Relativitätstheorie und Quantenmechanik (und Einsteins Doktorarbeit) erschienen die Ergebnisse im Jahr 1905. Im Artikel “Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen” untersuchte Einstein die sogenannte Brownsche Bewegung.
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