Man kann wirklich kaum noch das Haus verlassen, ohne irgendwo sofort auf irgendeinen Esoterik-Quatsch zu treffen. Gerade war ich im Supermarkt und habe dort das hier gesehen:
Dieser Vollmondquatsch hat das Potential, die Homöopathie an gesellschaftlich akzeptiertem Aberglauben abzulösen bzw. gleich zu ziehen. Gegen die Homöopathie kommt man ja heute nicht mehr an. Die hat sich dank jeder Menge Lobbyarbeit und Sondergesetzen festgesetzt. In den Köpfen der Menschen als “sanfte Plfanzenmedizin” (was nicht stimmt); in der Politik; in den Krankenversicherungen und Apotheken; in den Krankenhäusern und Arztpraxen und immer mehr auch an den Hochschulen und Universitäten. Die Sache mit der Homöopathie ist gelaufen; hier hat die Anti-Aufklärung gewonnen und es wird nicht mehr lange dauern, bis der Unsinn mit den Zuckerkugeln der echten Medizin tatsächlich völlig gleich gestellt ist (natürlich ohne dabei ihre ganzen Sondergesetze verloren haben). Da kann man noch so viel aufklären – daran lässt sich nichts mehr ändern. Man kann nur hoffen, dass noch der eine oder andere echte Arzt übrig bleibt, der weiß wie so ein Körper innen drin funktioniert und nicht einfach nur Symptome abfragt und Zuckerpillen verschreibt.
Und genau den gleichen Eindruck hab ich mittlerweile auch bei dem ganzen Vollmondkram. Dem entkommt man genau so wenig wie der Homöopathie. Die entsprechenden Ratgeber und Kalender findet man prominent platziert in jeder Buchhandlung. Und das “Wissen”, dass der Mond uns Menschen beeinflusst scheint mittlerweile genau so verbreitet zu sein wie das “Wissen”, dass Globuli Krankheiten heilen können.
Vor ein paar Tagen war ich in der Stadtbücherei von Jena und hab dort nach Büchern zum Thema “Zeit” gesucht. Gefunden habe ich “Das Buch der Zeit” (im Original “The Book of Time: Everything You Need to Know About the Biggest Idea in the Universe”) von Adam Hart-Davis, das ich vor allem wegen der großen Zahl an Illustrationen interessant fand. Und die sind auch wirklich schön. Im Text dazu findet man die üblichen Informationen; nichts großartig Neues oder Interessantes, aber einen brauchbaren Überblick zum Thema ohne allzu viele fachliche Fehler. Bis zur Seite 102. Da wird dann lang und ausführlich über die “Rhythmen” des Mondes gesprochen und darüber, wie und bei welcher Mondphase man am besten Dinge im Garten anpflanzen soll.
Ich stoße im Alltag immer wieder auf Mondunsinn dieser Art (wer mehr Beispiele sehen möchte: Heute Nacht um 1 Uhr läuft auf HR wieder mal der hervorragende Film “Die Mondverschwörung”). Und man muss ja eigentlich nicht lange darüber nachdenken um zu dem Schluss zu kommen, dass die ganzen angeblichen “Einflüsse” des Mondes reiner Aberglaube sind. Und JA, ich weiß, dass manche Tiere sich bei ihren Aktivitäten nach den Mondphasen richten – aber daran ist nichts “mysteriös” und es ist gut verstanden, warum es für manche Tiere wichtig ist, ihr Leben nach der hellsten natürlichen Lichtquelle in der Nacht auszurichten. Mit dem ganzen “Haare schneiden nur bei abnehmenden Mond” und ähnlichem Unfug hat das nichts zu tun. Und ja, ich kenne auch die Studie von Christian Cajochen von der Uni Basel, die vor ein paar Monaten durch alle Medien ging. Die ist aber nicht geeignet, nachzuweisen, dass der Vollmond unseren Schlaf beeinflusst. Die Daten dieser “Studie” wurden eigentlich zu einem ganz anderen Zweck erhoben und erst Jahre später sind die Autoren auf die Idee gekommen, sie hinsichtlich des Schlafs beim Vollmond auszuwerten. Das Ergebnis (“Bei Vollmond schläft man 5 Minuten später ein als sonst”) basiert auf nur 33 Probanden und die Studie wurde nicht designt um die Frage nach dem Einfluss des Vollmonds zu untersuchen. Das ist methodisch nicht sehr sauber und deswegen ist die ganze Sache nicht unbedingt vertrauenswürdig. Vor allem, weil es ja schon früher sehr, sehr viele Untersuchungen gab, die zeigten, dass der Mond KEINEN Einfluss hat (auch nicht auf Verkehrsunfälle, Geburten, etc). Will man all diese früheren Ergebnisse verwerfen, braucht es mehr als das was Cajochen et al. geliefert haben (siehe dazu auch hier, hier oder hier).
Aber es reicht eigentlich schon, sich klar zu machen, dass der Mond selbst sich nicht verändert. Der wird nicht größer oder kleiner sondern bleibt immer der gleiche Mond. Und das Licht, das uns von ihm erreicht ist auch nicht sonderlich mysteriös. Das ist ganz normales Sonnenlicht, wie es uns untertags in viel größerer Menge erreicht. Und die Gezeitenkräfte sind zwar für die Meere relevant, aber nur weil Meere groß sind. Menschen spüren von den Gezeiten nichts. Ich habe das ja früher auch schon mal ausführlich erklärt).
All das ist schon lange bekannt; all das kann man sich leicht selbst überlegen und all das wird nicht das geringste am Siegeszug des Mondunsinns ändern. Denn es ist wohl eine zu verlockende Strategie, den Alltag zu organisieren. Man kann die Verantwortung für das eigene Handeln an den Mond abgeben und sich von einem der vielen Mondgurus und ihren Kalendern vorschreiben lassen, wann man was zu tun oder zu lassen hat. Und dabei muss man sich nicht mal schlecht fühlen, denn man handelt ja “im Einklang mit der Natur”. Man lebt so, wie es die Natur “vorgesehen” hat und gibt natürlich auch gerne mehr Geld aus, um sich “natürliche” Nahrungsmittel zu kaufen, so wie die “Vollmondäpfel” auf dem Bild oben (oder den Mondscheinkäse und die vielen anderen Mond-Produkte). Dabei kann es durchaus sein, dass diese Äpfel besser schmecken als “normale” Äpfel! Auf der Homepage des Obstbauern findet man viele Presseartikeln und in einem davon sagt er: “Wir schenken jedem Vollmondapfel mehr Aufmerksamkeit und fühlen stärker also sonst, dass die Ernte ein Geschenk der Natur ist.” Wen man mitten in der Nacht im Dunkeln Äpfel erntet, dann muss man natürlich mehr darauf achten, was man tut. Man ist sorgfältiger und das Produkt ist am Ende besser. Aber warum man nicht immer aufmerksam bei der Ernte sein kann, sondern dafür eine bestimmte Mondphase braucht, erschließt sich mir nicht. Oder warum man diese Äpfel besserer Qualität unbedingt mit dem Esoterik-Dreh verkaufen muss und nicht einfach als “Premium-Äpfel” o.Ä.
Der Mondphasenquatsch ist lukrativ; genau so wie die Homöopathie lukrativ ist. Und ich fürchte, dass es nicht mehr lange dauern wird, bevor das “natürliche Leben mit der Mondphase” auch genau so populär ist wie die Homöopathie…
P.S. Es handelt sich übrigens um den gleichen Supermarkt, in dem man auch der Wurst klassische Musik vorspielt um sie besser zu machen…
Kommentare (406)