Das Klima ist ein knifflige Sache. Klimaforschung ist ein bisschen so wie die Astronomie. Auch die Astronomen haben selten Gelegenheit, den Vorgängen die sie erforschen, direkt zuzusehen. Es dauert einfach viel zu lange bis zum Beispiel ein Stern geboren wird, bis zwei Galaxien miteinander kollidieren oder bis ein Planet entstanden ist. Wir können solche Prozesse nur mit theoretischen Modellen beschreiben, sie am Computer simulieren und dann nachsehen, ob die Ergebnisse irgendwie mit der Realität übereinstimmen. In der Astronomie haben wir zusätzlich aber noch den Vorteil, dass wir zwar immer nur kurze Ausschnitte von lange dauernden Prozessen sehen können; es sich dabei aber um verschiedene Ausschnitte handelt. Wir können nicht ein paar Milliarden Jahre lang warten um eine galaktische Kollision von Anfang bis zum Ende zu beobachten. Aber wir können überall am Himmel unterschiedliche Galaxien beobachten und werden dabei ein paar finden, die gerade dabei sind zu kollidieren; ein paar die gerade mitten in der Kollision sind und ein paar, die den Zusammenstoß schon fast wieder hinter sich haben. Wir sehen also alle Phasen der Kollision – nur eben nicht alle beim selben Objekt.
Die Klimaforschung hat es da noch ein wenig schwerer. Sie sieht nur einen Ausschnitt eines sehr langen Vorgangs und sie sieht nur diesen einzigen Ausschnitt. Natürlich gibt es Möglichkeiten auch an Beobachtungsdaten zu kommen, die aus der Vergangenheit stammen und etwas über früheres Klima verraten (Eisbohrkerne, Baumringe, etc). Und wir fangen gerade an, fremde Planeten gut genug zu verstehen um auch über deren Klima forschen zu können. Aber momentan ist die Klimaforschung auf die Computersimulationen angewiesen. Wobei ich natürlich nicht sagen will, dass das etwas Schlechtes ist und die Ergebnisse der Klimawissenschaft deswegen unseriös! Ganz im Gegenteil – die Modellierung von Problemen am Computer ist eine völlig legitime und sehr nützliche Arbeitsmethode in der Wissenschaft. Aber die Arbeit wird eben auch umso schwieriger, je weniger Ausgangsdaten man zur Verfügung hat. Und wenn es sich dann auch noch um ein so hoch politisches Thema handelt wie die Klimaforschung, bei der sich alle möglichen Leute aus allen möglichen Gründen einmischen die nichts mit Wissenschaft zu tun haben, ist das noch mal extra schwierig.
Angesichts der ganzen Politiker, Pseudowissenschaftler und Verschwörungstheoretiker die sich standhaft weigern die Erkenntnisse der Klimawissenschaft zur Kenntnis zu nehmen ist es daher nur verständlich, wenn die Klimaforscher auch mal ein bisschen Spaß haben wollen und sich auch mal den nicht ganz so ernsten Themen widmen. Zum Beispiel Dan Lunt von der Universität Bristol. Er hat unter dem Pseudonym “Radagast der Braune” eine Arbeit mit dem Titel “The Climate of Middle Earth” veröffentlicht.
“Mittelerde” ist die Welt, in der die Geschichten von J.R.R. Tolkien spielen und von der spätestens seit der “Herr der Ringe”-Trilogie vermutlich jeder schon mal gehört hat. Mittelerde wurde von Tolkien als mythologische Vorgängerwelt unseres eigenen Planeten erdacht und die einzelnen Regionen entsprachen zumindest in Tolkiens Vorstellung bestimmten Regionen auf der Erde. Das Auenland (im Original “The Shire”), in dem die tapferen Hobbits Bilbo und Frodo leben (die Hauptfiguren von Tolkiens Büchern “Herr der Ringe” und “Der Hobbit”) ist zum Beispiel an die Landschaft rund um Oxford angelehnt; Tolkiens Heimat. Aber Tolkien war Sprach- und Literaturwissenschaftler und kein Klimaforscher und es stellt sich die Frage: Passt denn eigentlich auch das Klima in Mittelerde zu Tolkiens Beschreibung?
Dan Lunt, ähm – Radagast der Braune natürlich – hat sich mit dieser Frage auseinander gesetzt. Anhand von Karten die in den Büchern von Tolkien veröffentlich wurden hat er die Topografie von Mittelerde mit Kontinenten, Ozeanen, Bergen und Ebenen am Computer rekonstruiert. Danach hat er eines der realen Klimaentwicklungsmodelle auf diese fiktive Welt angewandt und nachgesehen, was passiert. Im Artikel sind die Ergebnisse genau beschrieben; Lunt hat die durchschnittlichen Temperaturspitzenwerte für die unterschiedlichen Regionen in Mittelerde berechnet; dazu noch die Menge an Niederschlag und Wind bzw. Luftdruck. Dabei fand er, dass einige Ergebnisse tatsächlich gut zu den Geschichten passen. Bei den Grauen Anfurten (im Original “Grey Havens”), wo die Schiffe der Elben in Richtung der unsterblichen Lande abfahren herrschen tatsächlich immer sehr gute Windbedingungen für große Segeltrips. In Saurons Land Mordor wäre es tatsächlich ziemlich ungemütlich und heiß und trocken ohne Vegetation. Der Rest von Mittelerde sollte aber eigentlich mit dichten Wäldern bedeckt sein. Dass das im Buch anders ist, führt Dan Lunt auf den Einfluss von Orcs, Drachen und Zauberern zurück. Insgesamt entspricht das Klima der in den Tolkiens Büchern genannten Region von Mittelerde dem, das wir hier auf der Erde in Westeuropa und Nordafrika haben.
Danach hat Lunt geprüft, wo genau das Klima von Mittelerde am besten mit dem Klima auf der Erde übereinstimmt. Das folgende Bild zeigt die Regionen auf der Erde, in denen Temperaturen und Niederschlag am besten mit den Werten übereinstimmen, die das Modell für das Auenland in Mittelerde geliefert hat. Blau zeigt die Übereinstimmung für den Niederschlag; grün für die Temperatur und rot sind die Regionen, wo beides überein stimmt.
Der größte rote Fleck ist hier in Osteuropa zu sehen und Dan Lunt kommt daher zu dem Schluss, dass das Auenland am ehesten mit Weißrussland zu vergleichen ist (aber zur Ehrenrettung von Tolkien: Auch in Lincolshire in Großbritannien gibt es eine kleine Region, die halbwegs passt). Die gleiche Rechnung hat Lunt auch für Mordor durchgeführt:
Hier ist es Texas, wo man die meisten Übereinstimmungen findet. Frodo wohnt also in Weißrussland und Sauron in Texas…
Klimapolitik auf Mittelerde stelle ich mir noch ein wenig interessanter vor als hier bei uns. Immerhin gibt es dort riesige herumlaufende und intelligente Bäume die sich dann direkt bei den Verursachern der Umweltverschmutzung beschweren kommen. Und ich wäre ungern der arme Student, der den CO2-Ausstoß eines typischen Drachens messen muss.
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