Ich habe erst kürzlich über den Zusammenhang zwischen der Astronomie und dem Klima auf der Erde geschrieben (“Wie beeinflusst der Jupiter das Klima der Erde?”). Natürlich ist es die Sonne, die den größten Einfluss auf unser Klima hat. Aber die Menge an Sonnenenergie die auf die Erde gelangen kann, hängt von der Bahn unseres Planeten ab und vor allem davon, wie sich diese Bahn im Laufe der Zeit verändert. Die gravitativen Störungen der anderen Planeten sorgen dafür, dass die Erde nicht immer exakt der selben Bahn folgt. Die Umlaufbahn wird in periodischen Abständen größer und kleiner, mehr oder weniger kreisförmig und wackelt im Raum hin und her. Dadurch ändert sich auch die Menge an Energie die auf die Erde gelangt und das Klima wechselt periodisch. Man nennt diese Perioden die Milankovic-Zyklen und zum Glück für uns Lebewesen auf der Erde dauern sie ziemlich lange. Ein neu entdeckter Planet in einem anderem Sternensystem hat es dagegen nicht so leicht. Er hat enorm kurz Milankovic-Zyklen und sein Klima ändert sich ständig…
Es geht um den Planeten Kepler-413b der kürzlich von Veselin Kostov von der John-Hopkins-Universität und seinen Kollegen entdeckt wurde (“Kepler-413b: a slightly misaligned, Neptune-size transiting circumbinary planet”). Der Planet ist knapp 2300 Lichtjahre weit entfernt und umkreist gleich zwei Sterne. Er gehört damit zu den “zirkumbinären” Planeten bzw. den Planeten vom P-Typ die das erste Mal im Jahr 2011 entdeckt wurden. Die beiden Sterne des Kepler-431-Systems sind kleiner und masseärmer als die Sonne. Sie sind einander sehr nahe; der Abstand beträgt nur 15 Millionen Kilometer – also ein Zehntel der Distanz zwischen Erde und Sonne. Auch der Planet ist nicht weit entfernt: Er umkreist die beiden Sterne in einem Abstand von knapp 52 Millionen Kilometern (ist den Sternen also näher als Merkur unserer Sonne ist).
Bei dem Planeten handelt es sich um einen Gasplaneten der etwa vier Mal so groß ist wie der Neptun. Entdeckt hat ihn das Weltraumteleskop Kepler (das zwar kaputt ist aber davor jede Menge Daten geliefert hat, die immer noch ausgewertet werden). Kepler sucht nach Sternen, deren Helligkeit in regelmäßigen Abständen geringer wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass gerade ein Planet an ihnen vorüber zieht und ein bisschen Sternenlicht blockiert. Und beim Stern Kepler-413 war das anfangs auch genau so. Man beobachtete drei Verdunkelungen der Sterne im Abstand von 66 Tagen, was ein guter Beleg dafür zu sein schien, dass dort ein Planet mit einer Umlaufzeit von 66 Tagen um die beiden Sterne kreiste. Aber dann beobachtete man 800 Tage lang keine einzige Verdunkelung! Und dann folgten auf einmal wieder fünf Verdunkelungen im Abstand von 66 Tagen, so als sei nichts gewesen…
Dieses seltsame Verhalten deutet darauf hin, dass die Bahn des Planeten sich innerhalb sehr kurzer Perioden ändern kann. Vor allem die Bahnneigung, die sogenannte Inklination ist hier von Bedeutung. Wir können von der Erde aus ja nur deswegen beobachten, wie der Stern dunkler wird, weil wir fast exakt auf die “Kante” der Umlaufbahn des Planeten blicken. Wäre die Bahn ein wenig geneigt, dann würde der Planet von uns aus gesehen nicht vor den Sternen vorüberziehen und wir könnten keine Verdunkelung sehen. Wenn man nun aber den Planeten mal vorüberziehen sieht und dann wieder nicht, dann folgt daraus, dass sich seine Inklination ändern muss und das sehr schnell.
Die Neigung der Erdbahn ändert sich nur sehr langsam, mit einer Periode von ungefähr 100.000 Jahren. Bei Kepler-413b sind es aber nur 11 Jahre! Und das ist noch nicht alles. Die Änderungen der Inklination haben weitreichende Folgen. Wenn sich die Bahnneigung ändert, dann müssen sich aus Gründen der Drehimpulserhaltung auch andere Parameter ändern; darunter die Neigung der Drehachse des Planeten. Die Rotationsachse der Erde ist um 23,5 Grad aus der Vertikalen geneigt und ändert sich nur sehr wenig. Während ungefähr 41.000 Jahren schwankt die Neigung um knapp 2,5 Grad. Bei Kepler-413b können das aber bis zu 30 Grad sein! Und es ist wahrscheinlich, dass die Änderungsrate der Bahnneigung in einer Resonanz mit der Änderungsrate der Achsenneigung steht (ich habe das mit den Resonanzen hier genauer erklärt). Die Schwankung der Drehachse von Kepler-413b dauert also genau so lange wie die Schwankung der Bahnneigung; also 11 Jahre.
Die klimatischen Bedingungen auf so einem Planeten müssen wirklich ziemlich wild sein! Gut, ein “Super-Neptun” ist sowieso nicht dafür geeignet, Leben zu beherbergen – aber auch ganz ohne außerirdisches Leben wäre es höchst interessant, dabei zuzusehen wie sich Wetter und Wolkenmuster auf diesem Planeten im Laufe der Zeit wohl dramatisch verändern würden. Warum sich die Bahn so stark ändert, ist noch nicht ganz klar. Das müssen die Himmelsmechaniker jetzt nochmal in Ruhe nachrechnen. Aber wenn zwei Sterne und ein großer Planet sich so nahe beieinander umkreisen, dann kommt da zwangsläufig eine sehr interessante Dynamik raus. Die Variationen in der Bahn des Planeten verursachen übrigens auch Variationen in der Bewegung der Sterne umeinander, die Kostov und seine Kollegen ebenfalls beobachten konnten.
Aber trotz der großen Änderungen ist die Bahn von Kepler-413b nicht instabil. Das haben die Astronomen noch einmal extra überprüft:
Die Bilder sind sogenannte “Stabilitätsdiagramme”. Sie zeigen die Bahnelemente von möglichen Planetenbahnen des Systems an; oben sind es Halbachse und Exzentrizität der Bahn; im unteren Bild Halbachse und Inklination. Für jede Kombination dieser Bahnelemente berechnet man dann ob die Bahn stabil ist oder nicht. In diesem Fall wurde dafür eine Technik verwendet, die den sogenannten MEGNO-Indikator benutzt. Den will ich jetzt nicht im Detail erklären (es geht im Prinzip darum, wie schnell sich der Abstand zwischen zwei eng benachbarten Bahnen im Laufe der Zeit verändert), aber es ist ein in der Himmelsmechanik weit verbreiteter “Chaosindikator”, also eine Zahl, die angibt, ob eine Planetenbahn stabil oder chaotisch ist (siehe hier). In den Bildern oben zeigen die violetten Bereich die stabilen Kombinationen von Bahnelementen an und die gelben Bereiche die instabilen. Die Wert von Kepler-413b sind jeweils markiert und liegen deutlich innerhalb des stabilen Bereichs. Die Bahn dieses Planeten ändert sich zwar sehr viel schneller als wir es von der Erde gewohnt sind, ist aber deswegen nicht instabil.
Ob die Achse von Kepler-413b tatsächlich so schnell wackelt, ist noch nicht klar. Das folgt bis jetzt nur aus der Modellierung der Bewegung des Planeten. Aber vielleicht kann man das in Zukunft auch direkt beobachten. Wenn der Gasplanet nicht exakt rund ist, sondern ein wenig abgeflacht (wie es zum Beispiel bei Saturn in unserem Sonnensystem der Fall ist), dann zeigt er uns bei seiner Wackelei mal eine größere und mal eine geringere Fläche. Er verdeckt also auch mal mehr und mal weniger Sternenlicht und laut den Schätzungen der Astronomen ist dieser Effekt groß genug, um mit genauen Beobachtungen gesehen zu werden.
Wir haben nun zwar schon deutlich mehr als 1000 extrasolare Planeten entdeckt – sind aber weit davon entfernt, schon alles gesehen zu haben, was es zu sehen gibt. Ständig entdecken wir irgendwo dort draußen Welten, die völlig anders sind, als wir es von unserem eigenen Sonnensystem gewohnt sind. Und wir werden in Zukunft mit Sicherheit noch viele weitere Planeten entdecken, die noch seltsamer sind als Kepler-413b…
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