Eine der vielversprechendsten Methoden bei der Suche nach außerirdischem Leben (und ich spreche jetzt und im Rest des Artikels ganz explizit NICHT von intelligenten Aliens!) ist der Versuch, sogenannte “Biomarker” in den Atmosphären der extrasolaren Planeten zu finden. Das sind bestimmte Gase (Sauerstoff, Methan, …) die hauptsächlich durch das Vorhanden sein von Lebewesen hervorgebracht werden. Es kann aber auch eine ganz bestimmte Energieverteilung des reflektierten Sonnenlichts sein. Die Pflanzen auf der Erde benutzen zum Beispiel den roten Teil des Lichts für ihre Photosynthese; den infraroten Teil aber nicht. Im von der Erde reflektierten Sonnenlicht findet man also Infrarotlicht, aber wenig rotes Licht und das ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf die Aktivität der Pflanzen, die auf der Oberfläche des Planeten leben. Wenn es irgendwo anders auch Pflanzen gibt, die Photosynthese betreiben, dann könnten wir sie auf diese Art und Weise identifizieren. Aber wie stehen eigentlich die Chancen für extrasolare Photosynthese?
Und es soll jetzt hier nicht um die Frage gehen, ob Pflanzen auf anderen Planeten genau die gleiche Technik zur Photosynthese entwickelt haben oder vielleicht ganz anders funktionieren. An dieser Stelle wird traditionellerweise immer angedeutet, dass Leben ja auch auf “Siliziumbasis” existieren kann und die Wissenschaftler doch naiv sind, wenn sie nur nach Leben suchen, das genau so funktioniert wie das auf der Erde. Nun ja, die Forscher sind nicht unbedingt naiv. Aber sie sind realistisch. Natürlich ist allen Leuten die auf diesem Gebiet forschen klar, dass Leben im Prinzip “irgendwie” aussehen kann und nicht dem Leben auf der Erde ähneln muss. Aber wenn wir Leben suchen wollen, dann können wir nur nach etwas suchen, bei dem wir uns auch sicher sein können, dass wir es bemerken, wenn wir es gefunden haben. Und wir verstehen eben momentan nur das Leben, das wir auf der Erde kennen. Sollten die Astrobiologen irgendwann mal herausgefunden haben, wie sich “anderes” Leben verhält und wie es sich bemerkbar macht, können wir auch danach suchen. Aber derzeit bleibt uns nichts anderes übrig als nach dem zu suchen, was wir erkennen können. Also zum Beispiel der Photosynthese der Pflanzen.
Damit das funktioniert braucht es natürlich Licht. Die meisten Sterne in unserer Milchstraße sind sogenannte rote Zwerge (auch “M-Zwerge” genannt); also Sterne, die kleiner und kühler sind als die Sonne. Es spricht nichts dagegen, dass auch bei M-Zwergen Planeten existieren und man hat dort schon Planeten entdeckt. Es ist nur ein wenig kniffliger, dort einen lebensfreundlichen Planeten zu finden, denn dafür braucht es ja ausreichend Licht vom Stern. Es darf nicht zu kühl sein und damit das bei den kleinen roten Zwergen klappt, muss der Planet sehr dicht an den Stern rücken. So dicht, dass die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet sehr stark werden und die Rotationsgeschwindigkeit des kleineren Himmelskörpers beeinflusst wird. Es passiert dann das, was auch bei Erde und Mond passiert ist, denn auch hier hat die Gezeitenkraft die Rotationsgeschwindigkeit des Mondes verringert, so dass er nun für einen Umlauf um die Erde genau so lange braucht wie für eine Drehung um seine eigene Achse. Das nennt man in der Astronomie eine “1:1 Spin-Orbit-Resonanz” und führt dazu, dass wir von der Erde aus immer die selbe Seite des Mondes sehen.
Auch ein Planet der seinem roten Zwerg nahe genug ist, kann in so einer Spin-Orbit-Resonanz landen. Dann würde eine Seite des Planeten ständig vom Stern bestrahlt werden während die andere in ständiger Dunkelheit liegt. Auf der einen Seite wäre es immer hell und heiß, auf der anderen immer dunkel und eiskalt. Es ist unklar, ob sich auf so einem Planet Leben entwickeln könnte. Das hängt von der Atmosphäre ab und wie gut sie die Wärme über den Planeten verteilen kann. Mit Photosynthese wird es auf der immer dunklen Seite aber sicherlich nichts und ob es den Pflanzen auf der aufgeheizten hellen Seite besser geht ist zweifelhaft. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Es muss ja keine 1:1 Spin-Orbit-Resonanz sein…
Merkur zum Beispiel befindet sich einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz mit der Sonne. Dass heißt, während 2 Umläufen um die Sonne dreht sich Merkur dreimal um seine eigene Achse. Ein Merkurjahr ist also immer 1,5 Merkurtage lang. Diese Animation zeigt, wie man sich das vorstellen kann:
So etwas passiert oft dann, wenn die Bahn des Planeten ein bisschen exzentrisch, also nicht exakt kreisförmig, ist und das trifft auf Merkur zu. Vielleicht aber auch auf extrasolare Planeten. Wie sieht es dann in diesem Fall mit der Photosynthese aus? Das haben Sarah Brown von der Universität Edinburgh und ihre Kollegen kürzlich untersucht (“Photosynthetic Potential of Planets in 3:2 Spin Orbit Resonances”). Auf einem hypothetischen Exoplaneten mit einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz gibt es also lange Tage, aber auch lange Nächte. Will man wissen, wie viel Licht auf den Planeten fällt, muss man wissen, wie hoch der Stern im Laufe der langen Tage am Himmel steht und wie sich das verändert. Von der Erde kennen wir das ja und lernen es schon in der Grundschule: Die Sonne geht im Osten auf, erreicht Mittags ihren höchsten Punkt am Himmel im Süden und geht abends im Westen wieder unter. Bei den resonanten Planeten dauert so ein Auf- und Untergang natürlich länger – und manchmal kommt der Stern nach dem Untergang sogar kurz wieder zurück bzw. verschwindet nach dem Aufgang gleich wieder. Das zeigt dieses Diagramm:
Links sehen wir das, was wir auch von der Erde kennen. Die x-Achse zeigt die Zeit bzw. wie oft der Planet den Stern umrundet hat. Die Skala läuft von 0 bis 2; das Diagramm zeigt also 2 Runden um den Stern und damit 3 ganze Planetentage. Die y-Achse zeigt, wo vom Planeten aus der Stern am Himmel zu sehen ist. Die Skala läuft von -90 bis +90 Grad. Bei -90 Grad geht der Stern auf, bei 0 Grad steht er am höchsten am Himmel und bei +90 Grad geht er unter. Links im Bild sehen wir das erwartete Verhalten: Der Stern geht auf, steigt am Himmel immer höher, sinkt wieder und geht schließlich unter. Die verschiedenfarbige Linien zeigen die Situation auf verschiedenen Breitengraden an: Gelb ist der Äquator; danach folgen Breiten von 67.5, 45, 22.5 und 0 Grad (also der Pol). Seltsam wird es dann aber im rechten Bild. Da sehen wir im Prinzip genau das gleiche was auch links zu sehen ist. Nur ist die Bahn des Planeten hier jetzt exzentrisch und nicht mehr kreisförmig wie im linken Bild.
Diese Bahnexzentrizität (e=0,3) hat konkrete Auswirkungen. Der Planet ist nun nicht mehr immer gleich weit vom Stern entfernt, sondern mal näher und mal weiter weg. Je näher der Planet dem Stern aber kommt, desto schneller bewegt er sich auch (2. Keplersche Gesetz). Und nun kann es vorkommen, dass zur Zeit der größten Annäherung die Drehung des Planeten um den Stern herum den Effekt der Drehung des Planeten um seine Achse aufhebt bzw. sogar rückgängig macht. Wenn sich der Planet weit genug um seine Achse gedreht hat, ist der Stern also – wie zu erwarten – hinter dem Horizont verschwunden. Aber weil sich zur Zeit der größten Annäherung der Planet so schnell um den Stern herum dreht, “überholt” diese Drehung quasi kurzfristig die Drehung des Planeten um seine Achse und der Stern taucht nochmal kurz über dem Horizont auf, bevor er endgültig verschwindet. Gleiches passiert umgekehrt beim Aufgang: Der Stern geht auf, geht kurz danach unter und dann nochmal auf. Das klingt komisch, findet aber beim Merkur tatsächlich statt. Würde man auf seiner Oberfläche stehen und die Sonne beobachten, dann würde man genau das sehen.
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Menge an Licht, die für die Photosynthese zur Verfügung steht. Das zeigt dieses Diagramm aus der Arbeit von Brown und ihren Kollegen:
Links wieder der “Normalfall” mit einem Planeten auf kreisförmiger Bahn. Man sieht eine Karte der Planetenoberfläche und die Farbe gibt an, wie hoch die Intensität des einfallenden Sonnenlichts ist. Am Äquator ist es rot, also warm und je näher man zu den Polen kommt, desto kälter (blauer) wird es. Also im Prinzip so wie auf der Erde. Nur ist bei diesem Problem der “Normalfall” eigentlich nicht der Normalfall. Damit ein Planet überhaupt in die 3:2 Spin-Orbit-Resonanz kommt braucht es (auch komplexen himmelsmechanischen Gründen die ich jetzt nicht im Detail ausbreiten will) eine gewisse Exzentrizität der Bahn, denn ansonsten landet er in der lebensunfreundlichen 1:1 Spin-Orbit-Resonanz. Das linke Bild ist also eigentlich nur ein Vergleichsbild, aber kein “Normalfall”. Den sehen wir eher im rechten Diagramm, das eine Bahnexzentrizität von 0,2 zeigt, also eine leicht exzentrische Bahn, vergleichbar mit der von Merkur. Hier ist es immer noch um den Äquator herum am wärmsten – aber es gibt jetzt auch Gegenden auf dem Planeten, wo es immer dunkel ist. Und das macht die Sache relativ kompliziert.
In den hellen, warmen Gegenden solcher Planeten hätten die Pflanzen zwar genug Licht – aber die Nächte dauern trotzdem immer noch enorm lange (ein Jahr hat ja nur 1,5 Tage!) und ob die Pflanzen solche langen Phasen der Dunkelheit überstehen, ist zweifelhaft. Die Diagramme oben zeigen ja nur die über den kompletten Zyklus gemittelten Werte. Die Pflanzen aber müssen die realen dunklen und kalten Phasen überstehen, die zwischen den hellen und warmen Tagen folgen. Wieder hängt alles davon ab, wie gut die Atmosphäre der Planeten die Wärme verteilen kann. Von der Erde her kennen wir photosynthetische Organismen, die durchaus in Lage sind, längere Zeiten ohne Licht auszukommen. Das nennt man Mixotrophie und bedeutet, dass die Lebewesen einerseits Photosynthese betreiben, andererseits sich aber auch chemisch ernähren können, wenn es nötig ist. Es spricht also prinzipiell nichts dagegen, dass sich auf solchen Planeten ebenfalls mixotrophe Pflanzen entwickeln.
Besonders interessant sind die abschließenden Diskussionen in der Arbeit von Sarah Brown. Planeten in einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz rotieren vergleichsweise langsam und deswegen ist auch ihr Magnetfeld schwach. Außerdem sind sie ihren Sternen ja sehr nahe. Sie bekommen also sehr viel kosmische Strahlung ab, was Einfluss auf die Entwicklung des Lebens haben kann. M-Sterne sind auch oft sehr aktiv wenn es um Röntgen- und UV-Strahlung geht. Gibt es keine dicke Atmosphäre, dann dringt die auf die Planetenoberfläche vor und kann dort ebenfalls schädlich sein. Aber auch hier wissen wir wieder von der Erde, das bestimmte Pflanzen und Mikroorganismen sich gegen diese Arten von Strahlung schützen können. Es ist also möglich, dass sie auch auf fremden Welten vorhanden sind.
Vor allem, weil die Evolution auf solchen Planeten regelrecht vorangetrieben wird. Wie oben erklärt hängen die hellen und dunklen Bereiche auf der Planetenoberfläche ja mit der Exzentrizität der Bahn zusammen. Die sorgt dafür, dass der Stern zur Zeit der größten Annäherung mehrmals auf- oder untergeht. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht immer gleich. Dafür sorgt die berühmte “Periheldrehung”, also der Effekt, den wir auch bei der Bahn von Merkur sehen können und der erst durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erklärt werden könnte. Die ganze Bahn des Merkurs dreht sich während knapp einer Viertelmillion Jahre einmal um die Sonne herum und genau das wird auch mit den hypothetischen Planeten der roten-Zwerge passieren. Damit verschieben sich aber auch die Positionen der hellen und dunklen Bereiche, die nun im Laufe der Jahrhunderttausende über den Planeten wandern. Pflanzen, die in einer der helleren Regionen des Planeten leben könnten sich nach ein paar Jahrtausenden auf einmal in einem der immer dunklen Streifen wiederfinden. Das könnte die Entwicklung des Lebens stören – oder erst recht anheizen! Die Periheldrehung ist langsam genug, damit die Evolution Schritt halten könnte.
Wer weiß – vielleicht gibt es auf solchen Planeten migrierende Pflanzen, die im Laufe der Zeit langsam ihren Planeten umrunden, um immer in den optimalen Bereichen bleiben zu können… Vielleicht gibt es auf solchen Spin-Orbit-Planeten aber auch gar kein Leben. Noch wissen wir es nicht – aber in ein paar Jahrzehnten haben wir die Instrumente, um uns so etwas mal genauer ansehen zu können!
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