Aber auch das ist irreführend. In so einem Proton (es ist verdammt schwer, das nicht so zu beschreiben, nicht wahr?) ist viel mehr los. Da sind nicht nur drei einsame Quarks. Diese drei Quarks sind die Valenz-Quarks also die, die die Ladung des Protons bestimmen. Ein Proton ist immer positiv geladen und die die beiden Up- und das eine Down-Quark liefern zusammen genau diese eine positive Ladung. Man könnte da jetzt nicht einfach noch ein Down-Quark dazu packen, denn dann würde sich die Ladung ändern. Aber man könnte ein Down-Quark UND ein Anti-Down-Quark hinzufügen. Das würde die Ladung nicht ändern; nur die Masse. Und wenn Teilchen und Anti-Teilchen sich gleich wieder vernichten, dann merkt auch die Masse des Protons nicht, dass da irgendwas war…
Solche Teilchenpaare, die kurz aufpoppen, gleich wieder verschwinden und die Ladung die nicht ändern, nennt man “Virtuelle Teilchen” und es gibt sie tatsächlich. Genauso wie die Gluonen. Das sind Teilchen, die die starke Kernkraft vermitteln, also die Kraft, die dafür sorgt dass die Quarks zusammenhalten. Die Gluonen sind das, was die Photonen für die elektromagnetische Kraft sind – mit einem Unterschied. Photonen sind elektrisch nicht geladen und unterliegen daher selbst NICHT der elektromagnetischen Kraft, die sie vermitteln. Die Gluonen tragen aber eine starke Ladung, beeinflussen sich also auch gegenseitig mit der starken Kernkraft und vermitteln sie nicht einfach nur. Deswegen ist es auch so schwer, die Quarks voneinander zu trennen.
In einem Proton gibt es also neben den Valenz-Quarks auch noch haufenweise virtuelle Quark-Paare und Gluonen. Das wird in vielen populärwissenschaftlichen Darstellungen vernachlässigt und es ist gut, dass Randall das so explizit und so früh erwähnt. Denn das muss man wissen, wenn man verstehen will, wie das mit dem Higgs-Teilchen funktioniert. Oder wie ein Teilchenbeschleuniger funktioniert.
Das ist das Thema von Kapitel 6 (“‘Seeing’ Is Believing”). Hier erklärt Randall, wie die Wissenschaftler die (sub)atomare Welt überhaupt beobachten können und was “beobachten” in diesem Zusammenhang heißt. Sie gibt einen kurzen Überblick über die verschiedenen frühen Experiment von Rutherford & Co und erklärt die grundlegenden Prinzipien beim Betrieb eines Teilchenbeschleunigers. Ich fand besonders den Teil interessant, in dem sie davon erzählt, wie man die Teilchen auswählt, die im Beschleuniger aufeinander treffen sollen. Da muss auch wieder auf die Ladung geachtet werden: Schmeißt man zum Beispiel ein Elektron auf ein Elektron, dann sind beide elektrisch negativ geladenen und aus dieser Kollision können nur wieder Teilchen entstehen, die zusammen selbst eine doppelt negative Ladung haben. Stoßen Elektron und Anti-Elektron (ein Positron) zusammen, dann haben die zusammen eine Ladung von genau 0. Und aus dieser Kollision können alle Arten von Teilchen entstehen, die zusammen ebenfalls eine neutrale Ladung haben. Und da das für jedes Teilchen-Anti-Teilchen-Paar zutrifft, kann man damit ALLE Teilchen erzeugen, wenn man nur genügend Energie rein steckt.
Warum also hat man sich beim LHC dafür entschieden, Protonen auf Protonen zu schießen? Und keine Elektronen/Positronen genommen oder Protonen-Anti-Protonen-Paare? Weil Anti-Protonen knifflig zu erzeugen sind und weil Elektronen viel leichter sind als Protonen und nicht so viel Rumms haben. Und weil es “Protonen” ja eigentlich nicht gibt, sondern nur Ansammlungen von Valenzquarks, Virtuellen Teilchen und Gluonen und DIE sind es, die miteinander kollidieren. Und da kann es sehr wohl vorkommen, dass ein Quark auf der einen Seite mit einem Antiquark auf der anderen Seite kollidiert. Oder zwei Gluonen, die elektrisch ja sowieso neutral sind.
Ich fand Kapitel 5 und 6 sehr interessant. Es ist zwar noch keine neue Forschung enthalten sondern nur eine Zusammenfassung dessen, was man schon lange kennt. Aber solche Zusammenfassungen sind 1) nötig und können 2) trotzdem wertvoll sein, weil man – vorausgesetzt es handelt sich um ein gutes Buch – immer noch das eine oder andere Detail findet, das man vorher nicht kannte und das zum Nachdenken anregt. Welche Details das in meinem Fall waren, habe ich hier ja schon erklärt. Aber mich würde natürlich interessieren, was euch in diesen beiden Kapiteln aufgefallen ist. Was habt ihr noch nicht gewusst und erst jetzt erfahren? Was hat euch zum Nachdenken angeregt?
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