Es geht weiter mit dem Astrodicticum-Simplex-Buchclub. Wir lesen gemeinsam ein Buch und zwar “Die Vermessung des Universums” von Lisa Randall (Hinweis: Das hier ist keine komplette Rezension des Buches. Ich erwähne hier nur ein paar interessante Themen und gebe keinen vollständigen Überblick. Ich gehe davon aus, dass jeder der am Buchklub-Projekt mitmacht, das Buch auch selbst gelesen hat und über den Inhalt Bescheid weiß). Im ersten Teil haben wir über Sinn und Unsinn von langen Einleitungen diskutiert und über Randalls Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Im zweiten Teil haben wir gelesen, wie Randall Wissenschaft gegenüber Kunst und Religion abgrenzt. Im dritten Teil gab es eine Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik und die Funktionsweise eines Teilchenbeschleunigers. Heute geht es weiter mit Kapitel 7 und 8, in denen uns Randall erzählt, was man mit einem Teilchenbeschleuniger so alles anstellen kann und wie man so ein Ding baut
Die letzten Kapitel haben ja schon einen guten Überblick über die Welt der subatomaren Teilchen gegeben. Aber das waren alles die Dinge, die wir schon wissen. Interessant wird es dann, wenn es darum geht, was wir noch nicht wissen und das ist das Thema von Kapitel 7 (“The Edge of the Universe”). Und der große Teilchenbeschleuniger LHC des Europäischen Kernforschungszentrum CERN ist das derzeit beste Instrument das wir haben um genau das herauszufinden. Der prominenteste Job des LHC ist ja die Suche nach dem Higgs-Teilchen, die später im Buch noch behandelt wird. Aber das ist bei weitem nicht die einzige Aufgabe, die der LHC hat. Die Entdeckung des Higgs-Teilchens hat das Standardmodell der Teilchenphysik (das ich hier schon mal ausführlich erklärt habe) zwar komplettiert. Aber wir wissen, dass das Standardmodell selbst keine komplette Beschreibung der Realität sein kann. Denn es beschreibt zwar alle derzeit bekannten Teilchen, aber nicht alle bekannten Wechselwirkungen. Im Standardmodell wird die Gravitation ignoriert, was man zwar machen kann, dass sie eine sehr schwache Kraft ist und auf den Skalen der subatomaren Teilchen vernachlässigbar klein. Aber wir wissen, dass die Gravitation da ist und eine vollständige Beschreibung auch erklären muss, wie sie in das Gesamtbild passt. Das ist noch niemandem gelungen; das ist das Problem der “Quantengravitation” bzw. der Suche nach der “Weltformel” oder der “Theorie von Allem” (diese Begriffe werden aber heute kaum noch verwendet, weil sie ziemlich irreführend sind). Und man hofft sehr, dass der LHC erste Hinweise auf eine “neue” Physik außerhalb des Standardmodells geben wird. Randall erwähnt in diesem Zusammenhang die Kaluza-Klein-Teilchen von denen ich selbst noch nie etwas gehört habe. Mal sehen ob die noch genauer erklärt werden.
Auch die dunkle Materie ist ein Hinweis, dass es noch mehr geben muss als nur die Teilchen des Standardmodells. Die dunkle Materie (die ich hier ausführlich erklärt habe) kann nicht mit den bisher bekannten Teilchen erklärt werden und man hofft, am LHC Hinweise auf neue Teilchen zu finden; genau so wie man sich eine Lösung für das Hierarchieproblem erhofft. Und wer weiß – vielleicht findet man ja auch etwas, mit dem man überhaupt nicht gerechnet hat. Genau darum geht es ja bei der Forschung. Bisher ist der LHC nur mit halber Kraft gelaufen – wenn er demnächst nach langer Wartungspause wieder gestartet wird und mit voller Energie läuft, wird es spannend werden..
Spannend ist auch Kapitel 8 (“One Ring To Rule Them All”), in dem Randall über die Entstehungsgeschichte des LHC spricht. Der ist “one of humanity’s greatest achievements”, wie Elon Musk im Buch zitiert wird und damit hat er nicht ganz unrecht. Es ist die komplizierteste und größte Maschine die Menschen bis jetzt gebaut haben. Es ist dort kälter als an jedem anderen Platz im Universum den wir bisher kennen. Das erzeugte Magnetfeld ist 100.000 Mal stärker als das Magnetfeld der Erde. Und das Teil ist schlicht und einfach wahnsinnig beeindruckend. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, weil ich das Glück hatte, den Beschleuniger aus der Nähe betrachten zu können. Aber viele der von Randall beschriebenen Details waren auch für mich neu und interessant. Zum Beispiel das man ein simples 400MHz-Radiosignal benutzt, um die Teilchen zu beschleunigen. Oder das von den 100 Milliarden Protonen die pro Teilchenpakt auf 100 Milliarden Protonen aus der Gegenrichtung treffen nur knapp 20 Stück tatsächlich miteinander zusammenstoßen. Aber weil die Teilchenpakete in nur 25 Nanosekunden einmal durch den ganzen 27 Kilometer langen Ring sausen und sich entsprechend oft treffen, kommt man Ende trotzdem auf ein paar Milliarden Kollisionen pro Sekunde!
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