Als Autor eines Wissenschaftsblogs kann ich natürlich nur der Meinung sein, dass es sich für Wissenschaftler lohnt, zu bloggen. Und diese Meinung habe ich hier auch schon oft genug ausführlich begründet. Wenn Wissenschaftler über Wissenschaft bloggen, dann ist das Öffentlichkeitsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit ist enorm wichtig! Auch und vor allem für die Wissenschaft selbst, denn je mehr Menschen über ein bestimmtes Forschungsgebiet Bescheid wissen; je mehr Menschen verstehen, wie wichtig es ist diese bestimmte Art von Forschung durchzuführen, desto größer sind auch die Chancen, Fördergelder zu bekommen bzw. bei Kürzungen von Seiten der Politik verschont zu werden. Denn gekürzt wird natürlich eher dort, wo sich die Öffentlichkeit nicht großartig aufregt… Man sollte also meinen, dass der Wert der Öffentlichkeitsarbeit auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft selbst anerkannt wird und die Wissenschaftler sich freuen, wenn Kolleginnen und Kollegen sich auf diesen Gebiet engagieren. Ja, das sollte man meinen. Aber die Realität sieht leider anders aus. Wer sich mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt oder ein gar ein Blog schreibt, der schadet damit im schlimmsten Fall der eigenen Karriere.
Das ist nichts Neues, leider. Aber neu – zumindest für mich – ist es, wenn man die Ablehnung des Engagements für Öffentlichkeits auch ganz konkret und öffentlich mitgeteilt bekommt, wie es der Professor der Mikrobiologie Jonathan Eisen erlebt hat. Er hat einen Förderantrag gestellt. Und er bloggt. Keine gute Idee, wie sich zeigte, als die Gutachter den Förderantrag beurteilten und schrieben:
“Outstanding group of individuals, and the organizational and management structure appears sound with clear roles and responsibilities of theme faculty. There is a large focus on developing this for microbiome research, but Eisen seems to be the only team member with this expertise, and may not have the bandwidth to coordinate this on such a large project alone, especially given his high time commitment to his blog.”
Der Förderantrag wurde also abgelehnt, weil Prof. Eisen in den Augen der Gutachter zu viel Zeit für sein Blog verwendet und deswegen nicht in der Lage sei, das Projekt entsprechend zu betreuen. In diesem Video spricht Eisen noch einmal selbst (u.a.) über die Ablehnung des Antrags und seine Reaktion darauf:
Das Argument mit der mangelnden Zeit für die Projektbetreuung ist natürlich absurd. Denn es impliziert, dass Eisen rund um die Uhr für die Betreuung des Projekts zur Verfügung stehen müsste und keine anderen Hobbys mehr haben dürfte (eine Meinung, die leider in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch weit verbreitet ist). Aber normalerweise sollte man davon ausgehen, dass Wissenschaftler auch irgendwann mal aus dem Labor nach Hause gehen und dort ein Privatleben haben in dem sie dann eben machen können, was sie wollen. Zum Beispiel bloggen (Dass die Arbeit an einem Wissenschaftsblog aber natürlich auch ein integraler Teil der wissenschaftlichen Arbeit ist und deswegen durchaus während der normalen Arbeitszeit stattfinden könnte ist ein anderes Thema). Aber das darf offensichtlich nicht sein; laut den Gutachtern hätte Eisen offensichtlich auch seine Freizeit für die Arbeit am Forschungsprojekt bereit halten sollen.
Dieser Einstellung bin ich selbst auch oft begegnet. Mittlerweile bin ich hauptberuflicher Wissenschaftsautor und mein eigener Chef. Aber ich habe auch jahrelang als Wissenschaftler an diversen Universitäten gearbeitet und mich dabei um Öffentlichkeitsarbeit gekümmert bzw. mein Blog geschrieben. Und auch hier wurde mir von einem Vorgesetzten ganz explizit gesagt, ich solle doch weniger bloggen, denn sonst sähe es so aus, als würde die Universität einen Blogger beschäftigen. Ob die Arbeit am Blog in meiner Freizeit stattfand oder nicht, spielte offensichtlich keine Rolle. Es ging nur darum, nicht den Anschein zu erwecken, ich würde meine Zeit nicht vollständig der Forschung widmen. Hätte ich in meiner Freizeit im Keller Briefmarken sortiert, wäre das wohl kein Problem gewesen. Aber mein Blog ist öffentlich und jeder kann sehen, dass ich blogge. Öffentlich zu bekennen, dass man ein Privatleben hat und sich nicht voll und ganz der Wissenschaft verschrieben hat, ist keine gute Idee. Und leider gilt eben auch die Wissenschaftsvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit allzu oft nur als “Privatvergnügen” mit dem sich ein Wissenschaftler nur dann beschäftigt, wenn er sonst nichts besseres oder wichtigeres zu tun hat.
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