Noch eine Woche bis zur EU-Wahl. Ich weiß, die ist nicht so sexy wie eine Nationalrats- oder Bundestagswahl. Aber ich möchte trotzdem die Leserinnen und Leser auffordern, zur Wahl zu gehen (Es sei denn ihr kommt aus der Schweiz, oder Liechtenstein oder anderen nicht wahlberechtigten Ländern. Hab ich eigentlich überhaupt Leserinnen oder Leser aus Liechtenstein? Ich wollte immer schon mal jemand von dort kennen lernen. Ich war nur einmal dort und das ist auch schon wieder 25 Jahre her. Mein Aufenthalt hat knapp ne Stunde gedauert und ich erinnere mich nur noch daran, dass die Leberkäsesemmel vom Fleischer in Vaduz ein wenig langweilig geschmeckt hat. Aber ok. Geht ja jetzt um die EU und nicht um Liechtenstein).
Ich bin jetzt mal mutig und oute mich: Ich bin ein Fan der Europäischen Union und der europäischen Idee! (Wird man ja noch mal sagen dürfen!) Aber leider wird man ja tatsächlich mittlerweile schief angesehen, wenn man die EU nicht vollkommen doof findet. Immerhin ist das ja Brüssel!!11! Und Brüssel ist Böse!! Brüssel und die EU sind “Die Anderen™” und nicht “Wir”. Die Anderen sind die bösen Bürokraten die uns hier ZUHAUSE vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben und was wir zu tun haben. Und überhaupt: Gurken! Kaffemaschinen! Glühbirnen, verdammt noch mal!!! (Übrigens sind so gut wie alle Geschichten über die angeblich ach so absurden und unnötigen EU-Verordnungen entweder Propaganda oder einfach nur schlecht recherechiert – siehe zum Beispiel hier).
Ich weiß, dass es sich mit der EU wunderbar polemisieren lässt. Deswegen finde ich EU-Wahlkämpfe auch immer so wahnsinnig mühsam. Im seltensten Fall machen die Parteien tatsächlich einen europäischen Wahlkampf. Stattdessen greift man irgendwelche nationalen Themen auf und versichert der Bevölkerung, man würde gegen “die da in Brüssel” kämpfen und darauf achten, dass die bösen Menschen dort den armen Deutschen/Österreichern/etc nichts tun. Die Europäische Union ist ein wunderbar schizophrenes Feindbild, das keiner so richtig durchblickt und deswegen für alles herhalten kann, was man gerade kritisieren möchte. Und dabei ignoriert man natürlich, dass die EU nicht “Die Anderen” sind, sondern wir alle. Alle Deutschen, alle Österreicher, alle Franzosen, alle Zyprioten und ja, sogar alle Rumänen sind Teil der Europäischen Union und das Europäische Parlament ist genau so unser Parlament wie es der Bundestag oder der Nationalrat ist.
Das Problem an der Sache ist leider, dass die Länder Europas die Sache selbst nicht so ernst nehmen, wie sie genommen werden sollte. Einerseits kann das Parlament durchaus selbst Dinge beschließen und auch wenn Deutschland/Österreich/etc an diesen Entscheidungen natürlich beteiligt ist, kann man im nationalen Wahlkampf zuhause wunderbar so tun, als wäre man es nicht und kann die böse EU kritisieren. Andererseits hat das EU-Parlament immer noch viel zu wenig Macht und vor allem zu wenig Ansehen um auch im Bewusstsein der europäischen Bevölkerung eine Rolle zu spielen. Es sollten die besten Politikerinnen und Politiker nach Europa geschickt werden und nicht die unfähigen, die im eigenen Land keiner mehr haben will (natürlich trifft das nicht auf alle zu).
Ich habe meine Gedanken zu dem Thema ja schon bei der letzten Wahl kund getan. Die EU-Wahl muss meiner Meinung nach eine echte europäische Wahl werden. Es macht keinen Sinn, wenn nationale Parteien bei einer internationalen Wahl antreten. Im EU-Parlament gibt es keine SPD. Dort gibt es keine ÖVP und auch keine anderen nationalen Parteien. Dort sitzen ALDE, ECR, S&D oder GUE/NGL. Und genau diese Fraktionen sollten auch zur Wahl stehen – europaweit. Der Stimmzettel zur EU-Wahl sollte in ganz Europa identisch aussehen, mit der gleichen Liste an Parteien und Kandidaten. Und wer ins Parlament kommen will, muss dann eben auch europaweit gewählt werden und eine bestimmte Sperrklausel überschreiten. Oder aber in einem einzigen Land eine sehr viel höhere Schwelle überschreiten.
Das würde einerseits dazu führen, dass international isolierte Parteien wie FPÖ oder AfD nicht mehr so tun können, als hätten sie in der EU irgendwas zu sagen. Ihre Isolation und Unbedeutsamkeit würde bei diesem Wahlsystem offengelegt werden. Andererseits wären die restlichen Parteien gezwungen, einen echten europäischen Wahlkampf zu machen. Ein deutscher Politiker, der gewählt werden will, muss sich nicht mehr nur um die deutschen Anliegen kümmern, sondern eben zum Beispiel auch um die der griechischen, belgischen oder irischen Bürgerinnen und Bürger. Und eine österreichische Politikern die ins europäische Parlament kommen will, muss lernen, international zu denken und wird mit dem üblichen Provinzialismus nicht mehr weiter kommen. Und die Wählerinnen und Wähler müssen sich tatsächlich mal mit Europa in seiner Gesamtheit auseinandersetzen und merken vielleicht, dass es dabei nicht um “Mein Land” gegen “Das Böse Europa” geht. Sondern darum, gemeinsam etwas zu verändern…
Und ich bezweifle und bestreite übrigens nicht im geringsten, dass es an Europa, der EU und dem Parlament jede Menge Dinge gibt, die man zu Recht kritisieren kann und soll. Aber das soll man bitte vernünftig, seriös und ohne diesen ganzen Populismus und Nationalismus machen!
Wenn ihr euch vor eurer Wahlentscheidung am nächsten Sonntag noch ein wenig informieren wollt, dann empfehle ich euch die Sendung “Wahlfahrt” die im ORF läuft. Journalist Hanno Settele fährt mit Kandidaten der verschiedenen (internationalen) Parteien im Auto durch Europa und spricht dabei über Politik. Sehr sehenswert. In der Mediathek kann man die Sendungen vom 6., 8. und 9. Mai noch ansehen – es lohnt sich.
Wer lieber hört als sieht, kann sich den Europa-Podcast von Tim Pritlove anhören.
Einen kurzen Überblick über die EU-Wahl gibt auch die Bundeszentrale für politische Bildung:
Und um die Frage aus der Überschrift dieses Artikels beantwortet euch die “Volksfront gegen Europa”:
Falls sich jetzt jemand wundert, was das für ein komisches Video sein soll: Das ist eine Parodie auf eine Szene aus dem Film “Das Leben des Brian” und schämt euch, dass ihr diesen tollen Film nicht kennt! (Und ja, ich weiß, da gibts auch noch dieses dänische Video mit dem prügelnden “Voteman” und seinen Delfinen. Aber das finde ich doof – wenn man mit Gewalt zur Wahl geprügelt werden muss, hat das nicht mehr viel mit Demokratie zu tun…)
Also. Informiert euch. Und geht wählen!
P.S. Und bevor jetzt jemand in den Kommentaren hier ernsthaft mit der Gurkenkrümmung ankommt: Lest bitte zuerst das hier oder das hier. Danke.
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