Im Zentrum unserer Milchstraßen-Galaxie befindet sich ein sogenanntes supermassereiches schwarzes Loch. Das wissen wir aus diversen Beobachtungen; zum Beispiel aus der Analyse der Sterne, die sich in der Nähe des Milchstraßenzentrums bewegen. Aus ihren Bahnen und der Geschwindigkeit mit der sie sich bewegen kann man berechnen, wie groß die Masse ist um die sich bewegen. Und aus der Größe der Sternbahnen weiß man, wie viel Raum diese Masse höchstens einnehmen kann. Aus Masse und Volumen folgt eine Dichte und die ist so enorm hoch, dass das einzige physikalisch bekannte Objekt mit diesen Eigenschaften nichts anderes ist, als ein schwarzes Loch. Das zentrale schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße heißt Sagittarius A* und ist 4 Millionen mal massereicher als unsere Sonne! Und auch die anderen Galaxien im Universum haben entsprechend große schwarze Löcher in ihren Zentren; teilweise mit noch sehr viel größeren Massen als Sagittarius A*.
Die Beobachtungen die die Existenz der supermassereichen schwarzen Löcher belegen, sind ziemlich einwandfrei (siehe zum Beispiel hier. Aber naturgemäß ist es schwer, ein schwarzes Loch direkt zu beobachten. Rein prinzipiell könnte es sich auch um etwas “anderes” halten; etwas, das uns so erscheint wie ein schwarzes Loch, aber kein schwarzes Loch ist.
Zum Beispiel ein Wurmloch! Diese Möglichkeit schlagen zumindest Zilong Li und Cosimo Bambi von der Fudan-Universität in Shanghai vor. Genau so wie schwarze Löcher sind Wurmlöcher eine mögliche Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie (siehe dazu hier und hier). Ein Wurmloch ist eine Verformung in der Raumzeit, bei der zwei eigentlich weit entfernte Bereiche über die “Abkürzung” des Wurmlochs verbunden sind.
In der Science-Fiction sind Wurmlöcher eine Standard-Zutat und tauchen immer gerne dann auf, wenn man mal eben das Problem mit der überlichtschnellen Raumfahrt lösen muss. In der Realität hat man bis jetzt allerdings keinerlei Hinweise auf die Existenz von Wurmlöchern gefunden. Ganz im Gegenteil; die aktuellen physikalischen Theorien deuten alle darauf hin, dass es so gut wie unmöglich ist, künstliche Wurmlöcher zu produzieren, die stabil genug wären, um tatsächlich mit einem Raumschiff durchfliegen zu können.
Aber Zilong und Bambi sprechen in ihrer Arbeit (“Distinguishing black holes and wormholes with orbiting hot spots”) auch nicht davon, Wurmlöcher zu basteln um von Stern zu Stern zu fliegen. Sie fragen sich, ob ein natürliches Wurmloch so erscheinen könnte wie ein schwarzes Loch und ob es möglich wäre, zwischen den beiden Locharten zu unterscheiden. Sie haben daher untersucht, wie sich sogenannte “Hot Spots” in der Nähe der Löcher verhalten.
Damit sind Gaswolken gemeint, die das Loch (welches auch immer) umkreisen und durch diese Bewegung aufgeheizt werden und leuchten. So etwas hat man beim schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße in der Vergangenheit schon beobachtet (siehe hier und hier):
Zilong und Bambi haben nun berechnet und am Computer simuliert, wie sich das Licht in unmittelbarer Nähe der Löcher bewegt. Die starken Gravitationskräfte beeinflussen ja auch die Ausbreitung des Lichts und damit das, was wir sehen können. Das Licht wird quasi “verschmiert” und wie stark das passiert, hängt von der Größe des Lochs ab. Die Größe dessen, was wir “schwarzes Loch” nennen, wird durch den Ereignishorizont definiert, also genau dem Abstand vom Zentrum des Lochs ab dem die Gravitationskraft so stark wird, das nichts mehr entkommen kann. Dieser Ereignishorizont ist keine physische Grenze; würde man sich im All befinden und den Horizont überschreiten, würde man nichts davon bemerken (erst wenn man wieder umdrehen und sich entfernen möchte, wird es kritisch…). Aber er definiert die “Größe” des schwarzen Lochs und ist um so größer, je massereicher das Loch ist.
Ein Wurmloch hat nun aber einen kleineren Ereignishorizont als ein entsprechendes schwarzes Loch und daher wird auch das Licht in seiner Nähe ein wenig anders beeinflusst. Und theoretisch würde sich dieser Unterschied beobachten lassen:
Ein Instrument, das gut genug wäre, um solche Beobachtungen anzustellen, ist das Gravity-Interferometer, das vermutlich 2015 seinen Betrieb am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile aufnehmen wird. Dann wird man die Umgebung des Ereignishorizonts genau beobachten können und vielleicht tatsächlich die von Zilong und Bambi angesprochenen Unterschiede bemerken.
Oder auch nicht. Denn das alles klingt natürlich erst mal stark nach wilder Science-Fiction. Klar, Wurmlöcher sind prinzipiell nicht unmöglich. Aber sie sind schon sehr exotische Objekte und bis jetzt haben wir keinen Hinweis auf ihre Existenz entdeckt. Aber, und das ist der interessante Punkt, wenn sie wirklich in den Zentren der Galaxien sitzen, würde das eine der großen ungelösten Fragen der Astronomie beantworten.
Denn bis jetzt weiß noch niemand wirklich so genau, wie die supermassereichen schwarzen Löcher entstanden sind. Dass sie aus dem Kollaps entsprechend gigantischer Gaswolken entstanden sind, ist äußerst unwahrscheinlich. Wenn, dann müssten sie gewachsen sein. Sie müssten also also “normale” (aber was ist an den Dingern schon normal?) schwarze Löcher beim Tod eines Sterns entstanden und dann im Laufe der Zeit durch die Akkretion von Materie immer weiter angewachsen sein. Das ist nicht unplausibel, weil ja in den Zentren der Galaxien die Sterne vergleichsweise dicht beieinander stehen. Aber das Wachsen braucht Zeit. Und wenn wir die fernsten Galaxien beobachten, die ja gleichzeitig auch die jüngsten sind, also diejenigen, die schon kurz nach dem Urknall entstanden sind, dann sehen wir, dass es auch damals schon enorm massereiche schwarze Löcher gab. So massereich, dass die Zeit eigentlich nicht gereicht haben kann, um ausreichend zu wachsen.
Eine abschließende Antwort auf die Herkunft der supermassereichen schwarzen Löcher hat derzeit niemand. Aber Wurmlöcher wären schon unmittelbar nach dem Urknall selbst entstanden; quasi mit dem Urknall. Wurmlöcher sind primordiale Objekte und wären von Anfang an da gewesen, ohne die Notwendigkeit erst lange zu wachsen.
Wie so oft in den Grenzgebieten der Wissenschaft läuft es darauf hinaus, dass wir mehr Daten brauchen. Aber die sind in diesem Fall zum Glück in Reichweite. Vielleicht werden wir bald erfahren, was da wirklich im Zentrum unserer Galaxie sitzt…
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