Gestern habe ich von der Arbeit beim Verfassen eines Buches erzählt und davon, dass dabei manchmal längere Abschnitte oder ganze Kapitel des Manuskripts am Ende nicht im fertigen Buch landen. Nicht immer, weil sie schlecht sind, sondern oft aus anderen Gründen. Eines dieser “verlorenen Kapitel” aus meinem letzten Buch “Die Neuentdeckung des Himmels” möchte ich nun hier im Blog veröffentlichen. Teil 1 gab es gestern zu lesen. Teil 2 folgt heute:
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Doppelsonne und Wechselplaneten (Teil 2)
Monde können auf verschiedene Arten entstehen. Bei einer planetaren Kollision zum Beispiel, der wir auch unseren eigenen Mond zu verdanken haben. Aus der Gas- und Staubscheibe die einen jungen Stern umgibt entstehen immer mehr Himmelskörper als das System vertragen kann. Es kommt daher in der Frühzeit eines Planetensystems zu jeder Menge Zusammenstöße und aus den Trümmern so einer Kollision kann sich ein großer Mond bilden. Andere Monde entstehen wie die Planeten selbst. Um die schon früh groß gewachsenen Gasriesen wie Jupiter und Saturn bildeten sich eigene kleine Scheiben aus Gas- und Staub in der dann langsam Monde heranwuchsen. Diesem Prozess verdankt Jupiter zum Beispiel große Monde wie Ganymed, der mit einem Durchmesser von 5260 Kilometern nicht nur größer ist als unser eigener Mond sondern auch noch den Planeten Merkur (Durchmesser: 4880 Kilometer) übertrifft. Die Gasplaneten im äußeren Sonnensystem werden aber neben ihren großen, fast schon planetenartigen Monden von Dutzenden kleinerer Felsbrocken umkreist, bei denen es sich um eingefangene Asteroiden handelt. Auch die beiden Monde des Mars sind ehemalige Asteroiden die aus dem nahen Asteroidengürtel stammen.
Wenn Planeten entstehen, dann entstehen dabei also immer auch Monde. Die vielen fremden Welten die wir bis jetzt entdeckt haben sind also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch von Monden umgeben. Die sind naturgemäß noch schwerer zu finden als die Planeten selbst. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, dass in naher Zukunft der erste extrasolare Mond gefunden wird.
Auch in diesem Fall erweist sich die Beobachtung von planetaren Transits als vielversprechende Methode. Die Existenz von extrasolaren Monden kann sich hier gleich auf zwei verschiedene Arten zeigen. Mit etwas Glück könnte man sie direkt in den Lichtkurven selbst sehen. Bei der Suche nach Planeten sucht man nach periodischen Helligkeitsschwankungen im Licht eines Sterns. Zieht ein Planet vor dem Stern vorüber, dann wird sein Licht zuerst ein wenig schwächer. Solange der Planet von uns aus gesehen direkt vor dem Stern steht, bleibt die Helligkeit reduziert und wird erst dann wieder größer, wenn der Transit zu Ende geht. Die Lichtkurve ist dabei immer symmetrisch; der Stern wird gleichmäßig dunkler und wieder heller. Hat der Planet aber einen Mond, dann wird die Angelegenheit komplizierter. Das genaue Aussehen der Lichtkurve hängt davon ab, wo sich der Mond während des Transits in Bezug auf Stern und Planet befindet. Wenn sich zum Beispiel zuerst der Mond vor den Stern schiebt, wird dessen Helligkeit nur geringfügig abschwächen. Erst wenn Mond und Planet gemeinsam vor dem Stern stehen, wird er deutlich dunkler werden. Der Mond beendet dann aber seinen Transit schon früher, während der Planet immer noch vor dem Stern steht. Das Licht des Sterns wird also zuerst nur ein klein wenig heller werden und erst wenn auch der Planet den Transit hinter sich hat wird die Helligkeit wieder das normale Niveau erreicht haben. Wenn man so ein Ereignis beobachtet, erhält man also keine symmetrische Lichtkurve sondern wird zwei kleine Sprünge in der Veränderung der Helligkeit des Sterns sehen, die auf die Existenz des Mondes hindeuten.
Ein Mond sorgt aber auch dafür, dass ein Planet ein klein wenig wackelt. Unsere Erde und ihr Mond umkreisen beispielsweise beide ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt. Das ist der Punkt im Raum, um den herum sich zwei Objekte aufgrund ihrer gegenseitigen Anziehungskraft bewegen. Bei zwei gleichschweren Himmelskörpern würde er genau in der Mitte zwischen beiden liegen. Die Erde aber ist rund 82 Mal schwerer als der Mond also liegt auch der Massenschwerpunkt vom Mond aus gesehen 82 Mal weiter entfernt als von der Erde aus betrachtet. In konkreten Zahlen heißt das, dass der Punkt um den herum Erde und Mond kreisen, 4700 Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt liegt. Da die Erde einen Radius von 6371 Kilometer hat ist dieser Punkt also noch innerhalb der Erde. Darum bewegt sich der Mond um die Erde herum, während die Erde selbst nur ein wenig wackelt.
Die meisten Planeten sind schwerer als ihre Monde und wackeln nur ein wenig hin und her während die Monde sich um sie herum bewegen. Bei kleineren Himmelskörper wie Zwergplaneten und Asteroiden sind die Gewichtsunterschiede aber oft weniger stark ausgeprägt. Der Zwergplanet Pluto und sein Mond Charon umkreisen zum Beispiel einen Punkt, der tatsächlich im Weltall zwischen den beiden Himmelskörpern liegt. Man könnte also mit gewissem Recht Pluto und Charon als „Doppelzwergplaneten“ bezeichnen anstatt sie „Zwergplanet und Mond“ zu nennen. Im Gegensatz zum Wort „Planet“ gibt es aber noch keine offizielle Definition darüber, was einen Himmelskörper zu einem „Mond“ macht. Die Internationale Astronomische Union (IAU), die solche Definitionen festlegt hatte zwar im Zuge der Diskussion über die Planetendefinition im Jahr 2006 darüber nachgedacht, auch zu definieren, was ein „Mond“ ist, es dann aber doch nicht umgesetzt.
Dieses Wackeln führt dazu, dass ein Planet bei seinen Transits nicht immer ganz pünktlich ist. Würde er völlig ungestört seine Bahnen um den Stern ziehen, dann müssten sich die Transits immer nach exakt dem gleichen Zeitraum wiederholen. Da der Mond die Bewegung aber ein bisschen stört, findet der Transit mal ein wenig früher als erwartet statt und mal ein wenig später. Diese sogenannten „Transitzeitvariationen“ oder TTVs kann man ein wenig Glück und ausreichend genauen Instrumenten messen und hat das sogar schon getan. Allerdings waren keine Monde verantwortlich sondern andere Planeten. Denn hier funktioniert das Prinzip natürlich auch. Genau so wie die Anwesenheit eines Mondes die Bahn eines Planeten stört, kann das auch die Gravitationskraft eines anderen Planeten.
Im Juli 2010 haben Astronomen der Universitätssternwarte Jena die Transits des Planeten WASP-3b genau beobachtet und ausgewertet. Sie entdeckten dabei, dass der Planet mal ein wenig zu früh vor dem Stern vorüber zog und dann wieder ein wenig zu spät. Der Effekt war klein; die Verspätungen betrugen nicht mehr als 3 Minuten. Aber sie waren zu regelmäßig um nur simple Messfehler sein zu können. Die Wissenschaftler vermuteten die Anwesenheit eines zusätzlichen Planeten im System, dessen Störungen für die Unpünktlichkeit bei WASP-3b verantwortlich sind. Die Daten reichten leider nicht aus, um seine Existenz zweifelsfrei zu bestätigen, aber im September 2011 fanden Wissenschaftler des Kepler-Teams genau solche Transitzeitvariationen auch beim Planeten Kepler-19b. Die Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops waren diesmal ausreichend präzise und man konnte die Existenz des neuen Planeten bestätigen.
Einen extrasolaren Mond hat man bis jetzt mit dieser Methode nicht entdecken können. Auch die Analyse der bekannten Transit-Lichtkurven zeigte keine verdächtigen Unregelmäßigkeiten. Aber die Entdeckung des ersten Exomonds ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Die Genauigkeit der Instrumente reicht mittlerweile aus, um fremde Monde zu finden (vorausgesetzt sie sind ausreichend groß; kleine Felsbrocken wie zum Beispiel die nur ein paar Dutzend Kilometer großen Marsmonde Phobos und Deimos werden wir noch lange nicht entdecken können). Spätestens dann, wenn die nächste Generation der großen Teleskope auf der Erde und im All ihren Betrieb aufnimmt, werden wir der langen Liste an extrasolaren Planeten auch die ersten extrasolaren Monde hinzu fügen können.
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Teil 3 folgt morgen.
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