Ich habe mir gestern ziemlich lange Gedanken darüber gemacht, wie genau man Wissenschaftskommunikation von anderen, ähnlichen Tätigkeiten abgrenzen könnte. In die eine Richtung ist es ziemlich leicht – scheinbar. Da Wissenschaftskommunikation ja Wissenschaft kommuniziert, kann die zugrunde liegende wissenschaftliche Arbeit selbst nicht dazu gehören. Wissenschaftler sind also keine Wissenschaftskommunikatoren (zumindest solange sie sich wirklich nur auf die Forschung beschränken). Aber wo hört die wissenschaftliche Arbeit wirklich auf? Wenn ein Forscher an einer Uni eine Vorlesung vor den Studierenden hält; wenn eine Forscherin auf einer Fachkonferenz über ihre Arbeit spricht: Ist das noch Wissenschaft oder schon Wissenschaftskommunikation?
Es wird hier zwar Wissenschaft kommuniziert, aber meiner Meinung nach ist das alles immer noch selbst Teil der Wissenschaft. Ein Fachvortrag ist vergleichbar mit einer Veröffentlichung in einem Fachjournal und die Publikation von Ergebnissen ist auf jeden Fall ein integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit, egal ob schriftlich oder mündlich. Bei der Lehre ist es nicht mehr ganz so klar, aber auch hier würde ich eher dazu tendieren, sie als Teil der Wissenschaft zu definieren; als etwas, das wie die Forschung selbst zu den Aufgaben eines jeden Wissenschaftlers gehört.
Richtig kompliziert wird es, wenn es in die andere Richtung geht. In der Definition des Workshops der Volkswagenstiftung ist das ja ziemlich eindeutig definiert: Wissenschaftskommunikation findet zwischen den Forschern und den Medien statt (und zwar in genau dieser Richtung) und die Wissenschaftskommunikatoren sind diejenigen, die den Fluss der Informationen von den Wissenschaftlern zu den Medien organisieren bzw. steuern. Nach dieser Definition wäre also ein Wissenschaftsjournalist, der in einer Zeitung einen Artikel über neue wissenschaftliche Ergebnisse schreibt, kein Wissenschaftskommunikator, sondern nur der Empfänger von Wissenschaftskommunikation. Auch eine Forscherin, die “einfach so” über ihre Arbeit in einem Blog schreibt, wäre keine Wissenschaftskommunikatorin, weil die laut der Definition nur von offiziellen Stellen durchgeführt wird. Und ich wäre ebenfalls kein Wissenschaftskommunikator, weil ich auch nicht im Auftrag irgendwelcher Forschungseinrichtungen arbeite.
Wie gesagt: Die Definition wurde nur für den Kontext der Tagung so gewählt. Ich vermute, dass viele der Beteiligten durchaus eine breitere Auffassung von Wissenschaftskommunikation haben. Aber wie weit geht sie? Wenn ich nochmal naiv sein wollte, würde ich sagen, dass Wissenschaftskommunikation immer dann statt findet, wenn Menschen über Wissenschaft kommunizieren. Selbst dann, wenn keine PR-Leute von Pressestellen, Journalisten oder Wissenschaftler beteiligt sind. Wenn zwei Leute abends beim Bier zusammen sitzen und über ein wissenschaftliches Thema plaudern, dann ist das in gewissen Sinne auch Wissenschaftskommunikation.
Es wird hier zwar nicht Wissenschaft VON der Universität AN DIE Öffentlichkeit kommuniziert, aber dafür kommuniziert die Öffentlichkeit ÜBER Wissenschaft und das ist ja durchaus nicht schlecht. Denn ich habe manchmal das Gefühl, dass bei all der Beschäftigung mit der Theorie der Wissenschaftskommunikation oft vergessen wird, dass am Ende immer doch ein Ziel stehen sollte: Nämlich so vielen Leuten wie möglich von Wissenschaft zu erzählen! Man kann bei der Suche nach Strategien zur Verbesserung der Wissenschaftskommunikation darüber diskutieren, ob das besser in Zeitungen geschehen soll, ob Blogs unseriös sind oder ob Wissenschaftler sich selbst an die Öffentlichkeit wenden oder das der Pressestelle der Universität überlassen sollen. Man kann darüber diskutieren ob Wissenschaftskommunikation lustig sein darf oder soll oder ob Dinge wie ein Science Slam oder Wissenschaftskabarett Wissenschaftskommunikation sind oder “nur” Unterhaltung. Sind Blogger überhaupt geeignet, Wissenschaft zu kommunizieren oder steht im Internet sowieso nur Unsinn (Nein, definitiv nicht!)? Aber am Ende will man doch eigentlich wirklich erreichen, dass die Leute abends beim Bier über Wissenschaft reden!
Das ist zumindest das Ziel, dass ich mir für “Wissenschaftskommunikation” wünsche (und wäre, falls vorhanden, an anderen Meinungen interessiert). Ich mache meine Arbeit, weil ich Wissenschaft enorm faszinierend finde und weil ich möglichst viele Menschen an dieser Faszination teil haben lassen will. Ich mache meine Arbeit, weil ich es wichtig finde, dass möglichst viele Menschen über Wissenschaft Bescheid wissen, denn eine gut informierte Gesellschaft trifft (hoffentlich!) bessere Entscheidungen – und wenn es um Entscheidungen zu Themen wie Gentechnik, Klimawandel, erneuerbare Energie, Stammzellenforschung, usw geht, dann sollte man schon ein wenig über Wissenschaft Bescheid wissen. Ich mache meine Arbeit, weil Wissenschaft ein Teil unserer Gesellschaft ist, genau so wie Kunst, Politik oder Sport und angesichts der Bedeutung der wissenschaftlichen Erkenntnisse für unseren Alltag vielleicht sogar der wichtigste Teil. (Und natürlich mache ich meine Arbeit auch, weil ich damit Geld verdiene…)
Kommentare (34)