Seit mehr als sechs Jahren schreibe ich nun schon in meinem Blog über Wissenschaft. Auch davor habe ich viele öffentliche Vorträge im Rahmen meiner Arbeit als Wissenschaftler an diversen Universitäten gehalten. Ich habe Artikel über Wissenschaft für viele Zeitschriften geschrieben, Podcasts über Wissenschaft gemacht und vier populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht. Bin ich deswegen ein “Wissenschaftskommunikator”? Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich habe zwar immer wieder mal an Konferenzen über Wissenschaftskommunikation teilgenommen und wurde auch des öfteren als “Wissenschaftskommunikator” bezeichnet. Aber irgendwie ist mir die Sache mit der “Wissenschaftskommunikation” bis heute ein Rätsel geblieben und ich habe immer noch das Gefühl, dass Wissenschaftskommunikation nicht unbedingt gleichbedeutend mit der Kommunikation von Wissenschaft ist…
In den letzten Wochen ist das Thema – zumindest in der entsprechenden Filterblase – wieder sehr präsent gewesen. Es gab den Siggener Aufruf zur Gestaltung der Wissenschaftskommunikation; es gab den Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaft zur “Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien” und jede Menge Kommentare und Stellungnahmen dazu von allen möglichen Leuten (Markus hat nebenan eine lange Linkliste). Und jetzt gerade findet ein Wissenschaftskommunikations-Workshop der Volkswagenstiftung mit dem Titel “Image statt Inhalt?” statt.
Ich hatte eigentlich schon länger mal vor, meine Meinung zu dem ganzen Komplex der Wissenschaftskommunikation aufzuschreiben (obwohl ich das ja eigentlich schon vor 2 Jahren mal gemacht habe). Aber ich bin immer wieder daran gescheitert, dass ich die Wissenschaftskommunikation um die es bei all diesen Berichten und Konferenzen geht, nicht wirklich zu verstehen scheine. Das ist kein Wunder, denn ich bin kein professioneller Wissenschaftskommunikator. Ich war früher ein ganz normaler Wissenschaftler und habe irgendwann angefangen, über Wissenschaft zu schreiben und in Blogs, Podcasts, Zeitungsartikeln und Büchern allen davon zu erzählen, die davon hören wollen. Ich lebe zwar mittlerweile davon, Wissenschaft zu vermitteln, aber ich bezweifle, ob mich das zu einem “Wissenschaftskommunikator” macht.
Oder vielleicht doch – das ist es ja gerade. Ich habe immer noch nicht herausgefunden, ob es eine “offizielle” Definition dessen gibt, was Wissenschaftskommunikation bzw. eine Definition der die Mehrheit derjenigen, die sich selbst als Wissenschaftskommunikatoren bezeichnen, zustimmt. Also dachte ich mir, ich bin einfach mal ganz naiv und stelle die Frage in meinem Blog und schreibe meine Sicht der Dinge dazu auf. Und das ist tatsächlich nicht als Koketterie gemeint. Ich weiß, dass sich sehr viele Expertinnen und Experten mit dem Thema beschäftigen; Menschen die entsprechende Studien zur Wissenschaftskommunikation durchgeführt haben; Leute die an den relevanten politischen Entscheidungen beteiligt waren und sind bzw. eben ganz allgemein das Thema Wissenschaftskommunikation quasi wissenschaftlich erforschen. Und ich weiß auch, dass ich nicht zu diesen Experten gehöre und es deswegen nicht angebracht ist, so zu tun, als wüsste ich alles besser. Aber ich hoffe, vielleicht ein wenig dazu lernen zu können; ich hoffe auf ein paar interessante Kommentare und Diskussionen und ich hoffe, am Ende besser zu verstehen, worum es bei der Wissenschaftskommunikation wirklich geht.
Der oben schon erwähnte Workshop der Volkswagenstiftung ist zwar keine öffentliche Veranstaltung und nur auf Einladung zugänglich. Aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer twittern unter dem Hashtag #wowk14 über das was dort passiert (hier gibt es eine Zusammenfassung des ersten Tages) und gestern hat Henning Krause eine dort verwendete Definition von “Wissenschaftskommunikation” verbreitet:
Dies ist übrigens die von den #wowk14-Organisatoren kommunizierte WissKomm-Definition. Was denkt ihr dazu? pic.twitter.com/Gg1Sqa9EOu
— Henning Krause (@henningkrause) 30. Juni 2014
“Als ‘Wissenschaftskommunikation’ wird im Kontext dieser Tagung die Kommunikation von Forscher(inne)n und Mitarbeiter(inne)n der Pressestellen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Richtung Medien(öffentlichkeit) verstanden.”
Das ist eine ziemlich klare Definition und eine, die wahrscheinlich nicht unbedingt bei allen auf Zustimmung stoßen wird. Laut dieser Definition besteht Wissenschaftskommunikation im wesentlichen aus der Arbeit der PR- und Pressemitarbeiter an Forschungseinrichtungen. Also die Leute, die Pressemitteilungen schreiben oder Ansprechpartner für Journalisten vermitteln. Das ist eine wichtige Arbeit, aber zumindest meiner Meinung nach mit Sicherheit nicht alles, was Wissenschaftskommunikation ausmacht (und diese Definition soll ja auch nur im “Kontext der Tagung” gelten). Denn Wissenschaftskommunikation ist definitiv mehr als nur “Werbung für Universitäten” (wenn man die Arbeit der Pressestellen mal so plakativ zusammenfasst).
Ich habe mir gestern ziemlich lange Gedanken darüber gemacht, wie genau man Wissenschaftskommunikation von anderen, ähnlichen Tätigkeiten abgrenzen könnte. In die eine Richtung ist es ziemlich leicht – scheinbar. Da Wissenschaftskommunikation ja Wissenschaft kommuniziert, kann die zugrunde liegende wissenschaftliche Arbeit selbst nicht dazu gehören. Wissenschaftler sind also keine Wissenschaftskommunikatoren (zumindest solange sie sich wirklich nur auf die Forschung beschränken). Aber wo hört die wissenschaftliche Arbeit wirklich auf? Wenn ein Forscher an einer Uni eine Vorlesung vor den Studierenden hält; wenn eine Forscherin auf einer Fachkonferenz über ihre Arbeit spricht: Ist das noch Wissenschaft oder schon Wissenschaftskommunikation?
Es wird hier zwar Wissenschaft kommuniziert, aber meiner Meinung nach ist das alles immer noch selbst Teil der Wissenschaft. Ein Fachvortrag ist vergleichbar mit einer Veröffentlichung in einem Fachjournal und die Publikation von Ergebnissen ist auf jeden Fall ein integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit, egal ob schriftlich oder mündlich. Bei der Lehre ist es nicht mehr ganz so klar, aber auch hier würde ich eher dazu tendieren, sie als Teil der Wissenschaft zu definieren; als etwas, das wie die Forschung selbst zu den Aufgaben eines jeden Wissenschaftlers gehört.
Richtig kompliziert wird es, wenn es in die andere Richtung geht. In der Definition des Workshops der Volkswagenstiftung ist das ja ziemlich eindeutig definiert: Wissenschaftskommunikation findet zwischen den Forschern und den Medien statt (und zwar in genau dieser Richtung) und die Wissenschaftskommunikatoren sind diejenigen, die den Fluss der Informationen von den Wissenschaftlern zu den Medien organisieren bzw. steuern. Nach dieser Definition wäre also ein Wissenschaftsjournalist, der in einer Zeitung einen Artikel über neue wissenschaftliche Ergebnisse schreibt, kein Wissenschaftskommunikator, sondern nur der Empfänger von Wissenschaftskommunikation. Auch eine Forscherin, die “einfach so” über ihre Arbeit in einem Blog schreibt, wäre keine Wissenschaftskommunikatorin, weil die laut der Definition nur von offiziellen Stellen durchgeführt wird. Und ich wäre ebenfalls kein Wissenschaftskommunikator, weil ich auch nicht im Auftrag irgendwelcher Forschungseinrichtungen arbeite.
Wie gesagt: Die Definition wurde nur für den Kontext der Tagung so gewählt. Ich vermute, dass viele der Beteiligten durchaus eine breitere Auffassung von Wissenschaftskommunikation haben. Aber wie weit geht sie? Wenn ich nochmal naiv sein wollte, würde ich sagen, dass Wissenschaftskommunikation immer dann statt findet, wenn Menschen über Wissenschaft kommunizieren. Selbst dann, wenn keine PR-Leute von Pressestellen, Journalisten oder Wissenschaftler beteiligt sind. Wenn zwei Leute abends beim Bier zusammen sitzen und über ein wissenschaftliches Thema plaudern, dann ist das in gewissen Sinne auch Wissenschaftskommunikation.
Es wird hier zwar nicht Wissenschaft VON der Universität AN DIE Öffentlichkeit kommuniziert, aber dafür kommuniziert die Öffentlichkeit ÜBER Wissenschaft und das ist ja durchaus nicht schlecht. Denn ich habe manchmal das Gefühl, dass bei all der Beschäftigung mit der Theorie der Wissenschaftskommunikation oft vergessen wird, dass am Ende immer doch ein Ziel stehen sollte: Nämlich so vielen Leuten wie möglich von Wissenschaft zu erzählen! Man kann bei der Suche nach Strategien zur Verbesserung der Wissenschaftskommunikation darüber diskutieren, ob das besser in Zeitungen geschehen soll, ob Blogs unseriös sind oder ob Wissenschaftler sich selbst an die Öffentlichkeit wenden oder das der Pressestelle der Universität überlassen sollen. Man kann darüber diskutieren ob Wissenschaftskommunikation lustig sein darf oder soll oder ob Dinge wie ein Science Slam oder Wissenschaftskabarett Wissenschaftskommunikation sind oder “nur” Unterhaltung. Sind Blogger überhaupt geeignet, Wissenschaft zu kommunizieren oder steht im Internet sowieso nur Unsinn (Nein, definitiv nicht!)? Aber am Ende will man doch eigentlich wirklich erreichen, dass die Leute abends beim Bier über Wissenschaft reden!
Das ist zumindest das Ziel, dass ich mir für “Wissenschaftskommunikation” wünsche (und wäre, falls vorhanden, an anderen Meinungen interessiert). Ich mache meine Arbeit, weil ich Wissenschaft enorm faszinierend finde und weil ich möglichst viele Menschen an dieser Faszination teil haben lassen will. Ich mache meine Arbeit, weil ich es wichtig finde, dass möglichst viele Menschen über Wissenschaft Bescheid wissen, denn eine gut informierte Gesellschaft trifft (hoffentlich!) bessere Entscheidungen – und wenn es um Entscheidungen zu Themen wie Gentechnik, Klimawandel, erneuerbare Energie, Stammzellenforschung, usw geht, dann sollte man schon ein wenig über Wissenschaft Bescheid wissen. Ich mache meine Arbeit, weil Wissenschaft ein Teil unserer Gesellschaft ist, genau so wie Kunst, Politik oder Sport und angesichts der Bedeutung der wissenschaftlichen Erkenntnisse für unseren Alltag vielleicht sogar der wichtigste Teil. (Und natürlich mache ich meine Arbeit auch, weil ich damit Geld verdiene…)
Man muss nicht Mitarbeiter irgendeiner offiziellen Stelle sein, um Wissenschaftskommunikation in diesem Sinne betreiben zu können und wenn man die Wissenschaftskommunikation in dieser weiten Definition betrachtet, dann ist es auch eigentlich nicht schwer, sie zu verstärken. Man müsste “nur” dafür sorgen, dass es sich lohnt Wissenschaft zu kommunizieren, wie ich hier ausführlich erklärt habe. Es braucht ja unter anderem deswegen die ganzen Pressestellen und PR-Abteilungen, weil sich die Forscher selbst es nicht erlauben können, Zeit mit der Öffentlichkeitsarbeit zu “verschwenden”. Wer ein Blog führt; zu oft mit Medien redet oder sich anderweitig engagiert, der bekommt irgendwann sicherlich ein vorwurfsvolles “Sag mal, hast du denn da überhaupt noch Zeit für die Forschung?” zu hören. Warum heißt es dagegen nie “Sag mal, hast du denn da überhaupt noch Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit?” wenn jemand nur im Labor steckt und ein wissenschaftliches Paper nach dem anderen veröffentlicht?
Natürlich sollten Forscherinnen und Forscher nicht dazu gezwungen werden, Öffentlichkeitsarbeit zu machen (Obwohl…?). Genau so wie die wissenschaftliche Arbeit selbst ist das etwas, was nicht jeder unbedingt beherrscht. Aber es sollte zumindest nicht bestraft werden, so wie das heute oft der Fall ist, weil bei der Beurteilung wissenschaftlicher Karrieren oft nur die Publikationsliste zählt und die Wissenschaftler sich Aktivitäten die nicht in Fachpublikationen resultieren, nicht erlauben können. Aber wenn ein erfolgreicher populärwissenschaftlicher Vortrag, ein gutes Interview in einer wichtigen Fernsehsendung oder die Veröffentlichung eines populärwissenschaftliches Buchs den gleichen positiven Effekt hätten, wie eine Fachpublikation in Nature oder Science, dann würden diejenigen unter den Wissenschaftlern, die einerseits Spaß an der Wissenschaftskommunikation haben und andererseits dazu auch in der Lage sind, ganz von selbst mit der Öffentlichkeit reden und es würde mit Sicherheit wesentlich mehr und bessere Wissenschaftskommunikation stattfinden als heute.
Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist aus meiner Sicht ein integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit. Wissenschaftskommunikation ist genau so Wissenschaft wie die Forschung selbst und wenn man die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen könnte, würden sich sicherlich jede Menge Wissenschaftler engagiert und begeistert an die Öffentlichkeit und die Medien wenden.
Aber mir ist durchaus klar, dass das eine sehr spezielle Auffassung von “Wissenschaftskommunikation” ist die kaum etwas mit dem zu tun hat, was auf den diversen Wissenschaftskommunikationskonferenzen und -workshops diskutiert wird. Insofern bitte ich die mitlesenden Expertinnen und Experten mir nicht böse zu sein, wenn ich hier vielleicht etwas themenfremd über das Thema schreibe. Aber ich wollte die Gelegenheit nutzen, um hier einmal das aufzuschreiben, was ich momentan unter “Wissenschaftskommunikation” verstehe und hoffe, dass ich in einer sich eventuell entwickelnden Diskussion ein bisschen mehr über das lerne, was andere damit verbinden.
Ob sich meine Arbeit unter “Wissenschaftkommunikation” einordnen lässt oder nicht, weil ich weder aktiver Wissenschaftler noch PR-Mitarbeiter einer Forschungseinrichtung kann ich immer noch nicht beurteilen. Aber welches Etikett ich auf meine Arbeit klebe, ist ja auch nicht wirklich wichtig. Ich mache am besten einfach weiterhin das, was ich bisher gemacht habe – bis jetzt hat es ja nicht allzu schlecht funktioniert…
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