Im März machte eine ganz besondere wissenschaftliche Entdeckung Schlagzeilen: Forscher des BICEP2-Projekts hatten die kosmologische Hintergrundstrahlung beobachtet und darin Hinweise auf die inflationäre Phase des Universums gefunden. Das war eine ziemlich große Sache; genau die Art von Entdeckung, für die es Nobelpreise gibt. Die Art von Entdeckung, die geeignet ist, unser gesamtes Bild vom Universum zu verändern. Und es war vor allem auch eine enorm faszinierende Entdeckung! Immerhin ging es um Prozesse, die unmittelbar nach dem Urknall selbst stattgefunden haben. Die Beobachtungen von BICEP2 haben uns gezeigt, was am Anfang der Zeit selbst passiert ist. Und sie haben weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis des Universums; liefern Hinweise auf die Existenz eines Multiversums, vertiefen unser Verständnis von Gravitationswellen und Hawking-Strahlung, und so weiter. Eine ziemlich große Sache also – wenn sie denn stimmt.
Ich habe am Ende meines damaligen Artikels geschrieben:
“Jetzt müssen die Daten erst Mal in Ruhe von der wissenschaftlichen Gemeinschaft geprüft werden. Wir müssen warten, bis auch die anderen Experimente (die Daten der Planck-Mission) ihre Beobachtungen veröffentlicht haben und sehen, ob sie die Erkenntnisse bestätigen oder nicht.”
Genau das ist passiert und wie es bei so einem fundamentalen Ergebnis zu erwarten war, gab es auch Kritik. Vor allem, weil das ja keine zufällige Entdeckung war sondern eine Beobachtung, die man gezielt gemacht hat und die auch andere Teams anderswo machen. Und jeder will natürlich als erster erfolgreich sein… Darum hat das BICEP2-Team mit der Veröffentlichung der Daten auch nicht abgewartet, bis sie in einem “offiziellen” wissenschaftlichen Journal geprüft und publiziert worden sind sondern sie gleich online gestellt. Daran ist übrigens nichts verwerflich; das geschieht oft genug und vor allem dann, wenn es um Prioritätsfragen geht. Schlecht wäre es gewesen, wenn man die Ergebnisse einfach nur auf einer Pressekonferenz verkündet hätte, ohne dabei auch die kompletten Daten offen zu legen (was leider auch immer wieder vorkommt). So aber war alles für alle verfügbar und konnte von allen Kollegen und Experten direkt geprüft werden (und mittlerweile ist die Arbeit übrigens auch ganz offiziell publiziert worden). Bei so einem wichtigen Ergebnis wie dem von BICEP2 ist das meiner Meinung nach die zu bevorzugende Methode: Je mehr Leute die Arbeit prüfen können, umso besser und so schneller kann man eventuelle Fehler finden.
Die Kritik an der Entdeckung hat sich schnell auf einen Punkt konzentriert: Staub! Überall im Universum findet man große Wolken aus Gas und Staub. Wenn Licht durch diese Wolken fällt, dann kann das seine Eigenschaften verändern. Zum Beispiel die Polarisation und genau die hat man bei BICEP2 ja gemessen (siehe hier für eine ausführliche Zusammenfassung von dem, was man da gemacht hat). Die kosmische Hintergrundstrahlung ist das älteste Licht, das wir im Universum messen können. Es ist also schon ziemlich lange unterwegs und viel herum gekommen. Wenn man dann zum Beispiel seine Polarisation messen will, dann muss man jede Menge knifflige Analysen durchführen um all die Einflüsse zu korrigieren, denen die Strahlung zwischendurch ausgesetzt war. Man ist ja an den ursprünglichen Eigenschaften der Hintergrundstrahlung interessiert und nicht dem, was mit dem Licht erst viel später passiert, wenn es zum Beispiel den ganzen Staub in unserer Milchstraße durchquert bevor es auf die irdischen Detektoren trifft. Über diese Korrekturen hat man sich natürlich auch bei BICEP2 Gedanken macht. Aber nicht genug, wie die Kritiker meinen.
Eigentlich hat man sich bei den Beobachtungen von BICEP2 extra eine Stelle am Himmel ausgesucht, bei der man einen möglichst wenig staubigen Blick ins All hat. Und war sich sicher, entsprechend sorgfältig für etwaige Einflüsse durch nahen Staub korrigiert zu haben. Aber die Prüfung der Kollegen nach der Veröffentlichung zeigte, dass die Lage nicht ganz so klar ist, wie man dachte. Deswegen gilt nun um so mehr: Es muss abgewartet werden, was die anderen Experimente sagen und ob sie zu den gleichen Ergebnissen kommen. Dabei geht es vor allem um die europäische Planck-Mission, die den kompletten Himmel beobachtet und die Hintergrundstrahlung vermessen hat. Mit der entsprechenden Auswertung der Daten ist irgendwann in diesem Jahr zu rechnen und dann werden wir genau wissen, ob es nun nur der Staub war, der alle getäuscht hat oder es sich doch um die große Entdeckung handelt, von der man ursprünglich ausging.
Ich wollte die Geschichte aber eigentlich gar nicht so ausführlich erzählen sondern euch nur auf die aktuelle Folge der “Frontier”-Radiosendung der BBC hinweisen: In “Cosmology“ diskutieren der BBC-Wissenschaftsjournalist Jonathan Amos, der Astrophysiker Chris Lintott, der am Planck-Projekt beteiligte Kosmologe Andrew Jaffe und der Physiker, Wissenschaftshistoriker und Inflations-Experte David Kaiser gemeinsam mit Moderatorin und Physikerin Lucie Green über die Entdeckung, ihre Folgen, die Zweifel, den Medienrummel und die Bestätigung/Widerlegung der Ergebnisse durch Planck-Daten. Es sind sehr informative und kurzweilige 28 Minuten die ihr euch gönnen solltet! (Man kann die ganze Sendung übrigens auch als Podcast abonnieren – und sollte das auch tun, denn sie ist generell empfehlenswert)
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