Laut den Aussagen der Forscher lässt sich die gemessene Kraft durch keine klassischen elektromagnetischen Phänomenen erklären und demonstriere daher möglicherweise eine “Interaktion mit dem virtuellen Quantenplasma”. Auf eine genauere Erklärung lassen sie sich aber auch nicht ein und beschränken sich auf die reinen Messungen ohne den Versuch, sie irgendwie physikalisch zu begründen.
Das ist auch durchaus in Ordnung. Wenn ein Effekt vorhanden ist, dann spielt die Erklärung erst mal keine Rolle. Wenn die treibstofflose Antriebskraft existiert, dann werden die Theoretiker eben eine neue Erklärung finden müssen. Wenn… Denn die Autoren schreiben im letzten auch noch:
“Future test plans include independent verification and validation at other test facilities.”
Die Sache ist immer noch zu konfus und zu wenig eindeutig, um irgendeine Aussage machen zu können. Der Effekt muss unabhängig und deutlich bestätigt werden, bevor man sich Gedanken um irgendwelche Widersprüche zu bekannten Naturgesetzen machen kann. Bis jetzt ist das alles noch zu wenig.
Ich persönlich finde zum Beispiel folgenden Hinweis in der kurzen Version des Artikels ein wenig irritierend:
“Thrust was observed on both test articles, even though one of the test articles was designed with the expectation that it would not produce thrust.”
Die NASA-Forscher haben also ein Antriebsgerät nach den Spezifikationen von Cannae gebaut und bei einem zweiten die Konstruktion so verändert, dass es – zumindest laut Cannae – nicht funktionieren sollte. Gemessen wurde der Effekt trotzdem bei beiden. Die NASA-Leute führen das auf eine fehlerhafte Erklärung des Effekts durch Cannae zurück: Das Gerät könne nicht nach den theoretischen Grundlagen funktionieren, wie Cannae sich das dachte. Es müsse irgendein anderes Phänomen geben, die auf beide Geräte wirkt. Für mich dagegen sieht das eher so aus, als wäre da irgendwas im Setup der Experimente nicht so, wie es sein soll, weswegen man immer einen Effekt ist, egal ob man das “richtige” oder “falsche” Gerät benutzt.
Es scheint mir ein wenig so zu sein wie damals bei den überlichtschnellen Neutrinos. Da hatten Wissenschaftler am CERN ebenfalls sehr spektakuläre Ergebnisse gemessen die den Naturgesetzen zu widersprechen schienen. Aber die Daten schienen eben auch sehr robust zu sein und man begann schon über diverse Neuformulierungen der entsprechenden Theorien zu spekulieren. Aber kein anderes Experiment konnte die CERN-Ergebnisse reproduzieren und am Ende stellte sich nach langer Prüfung heraus das ein kaputtes Kabel für die spektakulären Ergebnisse verantwortlich war. Und obwohl viele Wissenschaftler vorher lange über das Problem nachgedacht und die Experimente geprüft hatten, hatten sie diesen speziellen Fehler eben doch übersehen. Sowas kommt vor…
Und es würde mich nicht überraschen, wenn das hier auch passiert ist. Der gemessene Effekt ist klein, noch nicht reproduziert und widersprecht dem, was wir schon seit langer Zeit und sehr gut wissen. Das ist keine gute Ausgangslage. Sollte der Effekt wieder Erwarten doch stabil reproduziert werden können, wird es aber natürlich interessant. Dann werden wir nicht nur eine neue Möglichkeit des Antriebs im Weltraum zur Verfügung haben (obwohl es dann trotzdem noch SEHR lange dauern wird, bis aus diesem Laborexperiment ein funktionierendes Raumschiff wird). Wir werden vor allem auch einen experimentellen Hinweis auf eine neue Physik haben! Und genau das ist es ja, was alle Wissenschaftler bei ihren Experimenten gerne finden wollen: Etwas, was man mit dem das man schon kennt nicht erklären kann. Etwas, zu dessen Erklärung völlig neue Gedanken nötig sind. Etwas, dass uns am Ende ein komplett neues Stück des Universums zeigen kann. Normalerweise rechnet man Entdeckungen dieser Art eher an den großen Teilchenbeschleunigern. Aber es spricht nichts dagegen, dass sie auch im Labor einiger NASA-Ingenieure stattfinden können. Derzeit spricht allerdings auch nicht allzu viel dafür, das diese Entdeckung tatsächlich stattgefunden hat.
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