Wer nicht zufällig gerade Biologe oder Gartenliebhaber ist, kennt über die Hummel typischerweise nur die dumme, alte Geschichte darüber, dass sie angeblich aus rein wissenschaftlicher Sicht nicht fliegen könne, es aber ob ihrer Ignoranz trotzdem tue (und warum das eine alte und dumme Geschichte ist, habe ich in einem meiner allerersten Blogeinträge überhaupt erklärt). Dave Goulson allerdings IST Biologe und Gartenliebhaber und kennt jede Menge äußerst faszinierende Geschichten über Hummeln. Diese Geschichten hat er in einem Buch aufgeschrieben und dieses Buch müsst ihr unbedingt lesen!
Heute Vormittag habe ich schon ein äußerst beeindruckendes Buch vorgestellt, in dem es um historische Astronomie ging. Das Buch von Dave Goulson ist völlig anders, aber ebenfalls äußerst lesenswert. Es heißt “Und sie fliegt doch: Eine kurze Geschichte der Hummel”* (im Original: “A Sting in the Tale”*) und ist genau die Art von Buch, die man während eines erholsamen Sommerurlaubs lesen möchte.
Der Brite Dave Goulson ist Biologe und das schon von Kindheit an. Gleich im ersten Kapitel des Buchs erfährt man, wie er als Kind Insekten fing und konservierte und auf der Straße überfahrene Tiere sezierte und ausstopfte… Diese Leidenschaft für die Natur hat er sich glücklicherweise bis ins Erwachsenenalter erhalten, Biologie studiert und sich auf die Erforschung der Hummel spezialisiert. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es da sicherlich viel zu forschen, aber: Gibt es auch genug interessantes Material über Hummeln, um damit ein ganzes populärwissenschaftliches Buch zu füllen? Allerdings!
Wer sich – wie ich – vor der Lektüre des Buchs noch nie sonderlich mit Hummeln beschäftigt hat, wird überrascht sein, was diese Tiere zu bieten haben. Das sind nicht einfach nur fette Bienen, sondern höchst wichtige Bestandteile des gesamten Ökosystems. Und Goulson hat sie während seiner bisherigen Karriere in fast allen Details erforscht. An seinem Buch haben mich nicht nur die Informationen über die Hummeln selbst fasziniert, sondern vor allem Goulsons lebhafte Beschreibung der konkreten wissenschaftlichen Arbeit, die nötig war um die Daten zu gewinnen.
Wie zum Beispiel findet man heraus, warum Hummeln bestimmte Blüten zwecks Nektarsammlung anfliegen und andere nicht? Und damit sind nicht die Blüten verschiedener Pflanzen gemeint: Offensichtlich suchen sich Hummeln auch bei der gleichen Pflanzenart immer genau die Blüten heraus, bei denen es gerade am meisten Nektar gibt. Blüten, die kurz zuvor schon von anderen Insekten leer gesammelt worden sind, werden ausgelassen. Und selbst die Zeit, die eine Pflanze braucht um neuen Nektar zu produzieren, wird berücksichtigt und die Hummeln warten länger, bis sie schon “benutzte” Blüten wieder aufsuchen, wenn die Pflanze länger braucht um sie nachzufüllen. Wie machen sie das? Dazu muss man den Nektar in den Blüten exakt vermessen (bei den winzigen Mengen ein mühsames Geschäft); sich ein experimentelles Setup ausdenken, in dem man die verschiedenen Variablen kontrollieren kann um zu sehen, auf welche Art die Hummeln die Informationen über die (von außen nicht sichtbare) Menge an Nektar gewinnen; die Blumen untersuchen und so weiter – um am Ende dann endlich ein überraschendes Ergebnis zu bekommen.
Will man Hummeln untersuchen, muss man auch irgendwie an ihre Nester kommen. Die sind aber gut versteckt und nicht leicht zu finden. Warum nicht einfach einen “Hummelspürhund” ausbilden lassen, dachte sich Goulson und hat gemeinsam mit dem Royal Army’s Veterinary Corps genau das gemacht. Man kann aber auch Menschen dazu “ausbilden”, nach Hummeln Ausschau zu halten und die Arbeitsgruppe von Goulson hat sich in verschiedenen Citizien-Science-Projekten damit beschäftigt, wie man aus der täglichen Gartenarbeit oder den Spaziergängen die all die Menschen überall machen, wissenschaftliche Informationen über Hummeln extrahieren kann.
Goulson hat Experimente gemacht, die belegen sollen, auf welche Art Hummeln sich orientieren und welche Strecken sie zurücklegen können und die Hummeln dazu mit winzigen “Nummertafeln” ausgestattet und sie mit dem Auto durchs ganze Land gekarrt. Er und seine Mitarbeiter haben sich Methoden ausgedacht, um Hummeln wiegen zu können oder ihr Paarungsverhalten zu untersuchen. Ganz besonders hat Goulson sich aber in letzter Zeit mit Arterhaltung und Biodiversität beschäftigt. Denn viele Hummelarten sterben aus beziehungsweise sind schon ausgestorben. Sie reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen im gesamten Ökosystem und es ist oft absurd, wie vertrackt die Zusammenhänge sind. Wie viele Hummeln es gibt, hängt zum Beispiel unter anderem von der Zahl der Mäuse ab, die die Nester der Hummeln zerstören können. Die Zahl der Mäuse hängt aber von der Zahl der Katzen ab und davon gibt es in der Nähe menschlicher Ansiedlungen viel mehr weswegen dort auch mehr Hummeln zu finden sind. Andererseits nutzen die Nagetiere den Hummeln aber auch, weil sie in deren verlassenen Nestern ihre eigenen Nester bauen können. Wie die optimale Zahl von Nagetieren für die Hummeln aussieht, ist aber noch nicht bekannt.
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