Wichtig sind natürlich auch die Pflanzen. Hummeln brauchen Blumenwiesen. Früher, als es eher kleine, von Blumen und Hecken getrennte Felder gab, gab es auch viele Hummeln. Heute gibt es große Felder in Monokultur ohne Blumen dazwischen, die aus Sicht der Hummeln große Wüsten ohne Nahrung darstellen. So ein verändertes Ökosystem hat Auswirkungen auf Artenvielfalt und Population der Hummeln – andererseits können Hummeln selbst ganze Ökosysteme verändern, was Goulson und seine Kollegen bei ausführlichen Expeditionen in Tasmanien und Neuseeland untersucht haben, wo die Hummel “aus Versehen” eingeschleppt worden sind. Ob das “Versehen” aber wirklich eines war, bezweifelt Goulson. Denn Hummeln können sehr effektiv Tomatenblüten bestäuben, was ansonsten von Arbeitern per Hand erledigt werden muss. In Australien und Neuseeland, wo es keine heimischen Hummelarten gab, war man daher was die Tomatenproduktion im Nachteil gegenüber den restlichen Ländern, die sich dabei auf die Hummel verlassen können:
“Hummeln hatten es über hundert Jahre lang nicht von Neuseeland nach Tasmanien geschafft – und kurz nachdem man ihren großen materiellen Wert entdeckt hatte, gelang ihnen plötzlich diese Reise. Da mag jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.”
schreibt Goulson.
Andererseits war es vielleicht auch nicht so schlecht, dass britische Hummeln ans andere Ende der Welt exportiert worden waren. Denn in England war diese spezielle Art mittlerweile ausgestorben und Goulson versuchte mit seinem Team, sie von Ozeanien aus wieder zurück in die alte Heimat zu übersiedeln. Warum das allerdings nicht geklappt hat und sich die eigentlich “fremden” schwedischen Hummeln als bessere Migranten erwiesen haben, ist wieder eine ganz eigene und spannende Geschichte. So wie alle Geschichten in diesem Buch: Die Geschichte über die besondere Genetik der Hummel. Oder die Geschichte über die Hummelkrankheiten. Die Geschichte über den Handel mit Hummelvölkern. Und so weiter.
Ich weiß schon, ihr denkt euch jetzt: “Hmm – Hummeln. Mag ja ganz spannend sein, wenn man sich für Insekten und so interessiert. Aber ich glaube, das ist nicht so mein Ding.” Aber da irrt ihr euch! Ganz gewaltig sogar. Ich schwärme nicht oft so enorm für ein Buch, aber in diesem Fall tue ich es, weil es wirklich hervorragend ist. Es genau die Art von Buch, die man mit immer mehr Freude und Spannung liest, je länger die Lektüre dauert und bei der man sich am Ende denkt: “Hummeln! Wer hätte gedacht, dass diese Tiere so enorm interessant sind. Was bin ich froh, dass ich mich überreden hab lassen, dieses Buch zu lesen!”.
Ernsthaft – auch wenn ihr mit Insekten überhaupt nichts am Hut habt und euch nicht vorstellen könnt, dass ein Buch über Hummeln interessant sein könnte: Dieses Buch IST interessant und wenn ihr auch nur einen Funken Interesse an der Welt habt, werdet ihr euch freuen, es gelesen zu haben (Sicherheitshalber hier ein Disclaimer: Die deutsche Ausgabe des Buchs ist zwar im gleichen Verlag erschienen in denen auch meine Bücher erscheinen. Der Verlag hat mich aber weder aufgefordert, eine Rezension zu schreiben noch bin ich irgendwie am Verkauf dieses Buches beteiligt. Ich kenne auch Dave Goulson nicht persönlich).
“Und sie fliegt doch” ist das ideale Buch für einen Sommerurlaub. Am besten liest man es, während man im sommerlichen Garten zwischen Blumen auf dem Liegestuhl liegt (dann kann man sich auch gleich an den im Buch beschriebenen Experimenten beteiligen, die alle vom Liegestuhl aus durchgeführt werden können) und die Insekten um sich summen hört. Und wer keinen eigenen Garten hat, wer während der Lektüre des Buchs das immer drängendere Gefühl verspüren, sich möglichst bald auf den Weg nach draußen zu machen um sich dort selbst ein paar Hummeln und Blumen anzusehen.
Mit seiner Begeisterung für Hummeln hat Dave Goulson mittlerweile schon ganz Großbritannien angesteckt und vor einiger Zeit den Bumblebee Conservation Trust gegründet (und dessen Gründung ist wieder eine ganz besonders amüsante und interessante Geschichte im Buch, die wunderbar das Spannungsfeld zwischen Forschung und Öffentlichkeitsarbeit demonstriert).
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