“Klimawandel macht die Fische doof!” klingt ein wenig nach Boulevard. Auch auch wenn es tatsächlich ein bisschen plakativ ist: Herauszufinden, wie sich die Änderungen des Klimas auf die neurophysiologischen Tätigkeit von Fischen auswirkt, gehört zu den vielen Forschungsprojekten, die am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven untersucht werden.
Dort findet man die Fische im Keller. Hier werden sie zumindest untersucht und zwar in einer ganz speziellen Maschine. Ob ich einen Herzschrittmacher habe, möchte man wissen, bevor ich das Labor betreten darf. Zum Glück nicht, und solange ich mich von den grün markierten Bereichen fern halte, sollten auch meine diversen elektronischen Geräte keinen Schaden nehmen, wie mir erklärt wird, nachdem ich eingetreten bin. Die Gefahr für mein Handy und die Speicherkarte meines Fotoapparats geht von einem großen Kernspintomographen aus, der ein Magnetfeld mit einer Stärke von 4,7 Tesla (etwa 100.000 mal stärker als das Magnetfeld der Erde) erzeugt. Im Prinzip handelt es sich um die gleichen Geräte, die man auch in einem Krankenhaus findet, nur das hier keine menschlichen Patienten untersucht werden, sondern Fische. Zur Zeit ist es Kabeljau.
Drei junge Doktoranden erklären mir hier ihre Arbeit: Sie wollen in Experimenten herausfinden, wie sich die prognostizierten Änderungen des Klimas und des Meeres auf die Lebensweise der Fische auswirken. Was passiert, wenn sich die Wassertemperatur erhöht? Was, wenn die CO2-Konzentration immer größer wird? Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf den Kreislauf der Tiere und die kann man mit dem Kernspintomographen messen. Die Fische können dort hinein schwimmen und lebend beobachtet werden. 12 bis 24 Stunden kann sich der Kabeljau adaptieren und in Ruhe analysiert werden. Man macht dabei aber nicht einfach nur Bilder, sondern kann zum Beispiel auch durch spektroskopische Analysen die Stoffwechselprodukte der Fische ansehen. Und danach kommen die Tiere wieder zurück in ihr Aquarium und sind bereit für weiter Untersuchungen. Denn es ist gar nicht so einfach, entsprechende Versuchstiere zu bekommen. Man kann sie nicht einfach im nächsten Zooladen kaufen oder in der Nordsee vor dem Institut aus dem Meer fischen. Zumindest dann nicht, wenn es um Fische aus dem Polarmeer geht: Die müssen die Forschungsschiffe des Alfred-Wegener-Instituts auf ihre saisonalen Fahrten einfangen und zurück nach Bremerhaven transportieren. Und dementsprechend sorgfältig behandelt man sie auch.
Ein ruhiges Leben haben die Fische allerdings auch wieder nicht. Die Übersäuerung der Meere verändert die Art und Weise, wie sie ihren Energiehaushalt gestalten können. Und um das zu untersuchen, werden sie in einen Strömungskanal gesteckt und müssen zeigen, wie lange sie unter bestimmten Bedingungen schwimmen können. Je schneller die Strömung ist, desto mehr Energie kostet sie das und irgendwann schaffen sie das mit ihrem normalen aeroben Schwimmmodus nicht mehr. Ihren Normalmodus können sie im Prinzip beliebig lange aufrecht erhalten – wenn sie aber nun zum anaeroben Schwimmmodus wechseln müssen, wird es kritisch. Der ist eigentlich nur für die Jagd und die Flucht gedacht und nicht für den Dauerbetrieb. Irgendwann kann der Fisch im Strömungskanal nicht mehr und muss aufgeben. Wie lange die Tiere durchhalten, hängt von der Temperatur und dem CO2-Gehalt ab. Die Fische brauchen mehr Energie für ihren Metabolismus und haben weniger für Wachstum und Fortpflanzung übrig. Sie wachsen langsamer, werden nicht so groß und eher von ihren Fressfeinden gefangen. Das Fitness-Programm für den Kabeljau zeigt, dass es bestimmte Arten in Zukunft deutlich schwerer haben werden, in ihrer veränderten Umgebung zu erleben (Man hat mir übrigens versichert, dass im Strömungskanal nach Feierabend keine Fischwettrennen veranstaltet werden…).
Auch im Kernspintomograf befindet sich ein Strömungskanal und auch darin müssen die Tiere schwimmen. Die Geschwindigkeit der Strömung kann von außen verändert werden; genau so wie Temperatur und CO2-Gehalt des Wassers. Und tatsächlich zeigt sich, dass nicht nur der Kreislauf der Tiere unter den Veränderungen leidet, sondern auch das Gehirn. Clown-Fische, das haben australische Forscher schon früher herausgefunden, sind in saurem Wasser mit besonders viel CO2 nicht mehr in der Lage, vor ihren Fressfeinden zu fliehen, sondern so verwirrt, das sie ihnen oft direkt entgegen geschwommen sind. Sie hörten schlechter, sahen schlechter und starben so schneller. Ob es den Fischen in den polaren Ozeanen genau so gehen wird, wenn sich das Meer dort verändert, wollen die Forscher mit ihren Experimenten am Alfred-Wegener-Institut herausfinden. Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass das auch hier der Fall ist: Der Klimawandel macht die Fische tatsächlich doof!
Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.
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