Während meiner Klimareise ist mir bis jetzt vor allem eines sehr deutlich bewusst geworden: Die Erde und das Klima sind wahnsinnig komplexe Systeme. Das liegt daran, weil hier wirklich fast buchstäblich alles mit allem zusammenhängt. Klima lässt sich kaum lokal betrachten, sondern nur in einem globalen Zusammenhang richtig verstehen und hier kann das, was in der einen Ecke der Erde passiert die Dinge ganz wo anders massgeblich beeinflussen. Es ist immer wieder erstaunlich und faszinierend zu sehen, wie die unterschiedlichsten Phänomene und Regionen unseres Planeten zusammenhängen. Zum Beispiel der Ozean und der Weltraum…
Seit einigen Tagen macht eine Meldung die Runde, nach der an der Außenseite der Internationalen Raumstation ISS Plankton entdeckt wurde. Plankton schwimmt normalerweise im Ozean herum: Wie also kommt das Material auf einmal zur Raumstation und dann noch auf deren Außenseite?
Mit den Raumschiffen der Astronauten kann es schwerlich eingeschleppt worden sein. Die starten von Baikonur in der Steppe Kasachstans und die ist nicht für ihre großen Ozeanen bekannt. Dort gibt es kein Plankton, dass irgendwie per Rakete vom Erdboden zur Raumstation transportiert hätte werden können.
Handelt es sich also vielleicht gar um außerirdisches Plankton? Es tauchen ja immer wieder mal (pseudowissenschaftliche) Forschungsergebnisse auf, die behaupten in Meteoriten hätte man fossile Mikrolebewesen gefunden. Oder dass der interplanetare bzw. interstellare Staub im All in Wahrheit aus Kleinstlebewesen besteht. Wenn der weltraum also voll mit kleinsten Lebewesen ist, dann ist es durchaus möglich, dass die ab und zu an der ISS kleben bleiben (wenn man mit dem Auto über die Landstraße fährt, ist die Windschutzscheibe danach ja auch voller Insekten…).
Ist das nun also der Nachweis außerirdischen Lebens? Nicht ganz… denn bevor man irgendwelche weitreichenden Konsequenzen aus dieser Nachricht zieht, sollte man erst mal abwarten wie die konkreten Daten aussehen. Eine offizielle Veröffentlichung der Funde steht nämlich noch aus. Bis jetzt ist nur bekannt, dass die Astronauten Proben von der Außenseite der Fenster des russischen ISS-Moduls genommen haben um herauszufinden, welche Arten von Verschmutzung im Weltall so auftreten können. Und dabei sollen angeblich besagte Plankton-Partikel gefunden worden sein.
Prinzipiell gibt es aber keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Entdeckung den Tatsachen entspricht. Wir wissen schon länger, dass es diverse Kleinstlebewesen auf der Erde gibt, die extrem widerstandsfähig sind. Diese Extremophilen ertragen Temperaturen weit unter Null und weit über Hundert Grad. Sie leben in der Tiefsee, in kilometerdickem Gestein und im radioaktiven Kühlwasser von Kernkraftwerken. Sie brauchen kein Licht, keinen Sauerstoff, können Jahrhunderte ohne Nahrung überstehen und überleben auch das Vakuum des Alls. Die Außenseite einer Raumstation ist in der Hinsicht kein besonders extremer Lebensort… Aber wie ist das Plankton dorthin gekommen?
Vielleicht gab es doch irgendeine Art der Verunreinigung der Module auf der Erde und die Mikroben haben den Start und den Aufenthalt im Orbit überlebt. Oder aber – und vermutlich ist das die wahrscheinlichere Version – sie waren schon vorher da. Die Atmosphäre ist voll mit solchen Kleinstlebewesen und sie können ziemlich weit nach oben gelangen. Und entgegen der gängigen Auffassung befindet sich die Raumstation nicht im “leeren Weltraum”. In knapp 400 Kilometer Höhe ist die Atmosphäre der Erde zwar recht dünn, aber nicht völlig verschwunden. Es herrscht dort oben immer noch genug Luftwiderstand, um die Bahnhöhe der ISS pro Tag zwischen 50 und 150 Meter zu verringern. Unternähme man nichts dagegen, würde die Raumstation irgendwann zurück zur Erde fallen und verglühen. Sie bleibt nur deswegen dort wo sie ist, weil sie von den andockenden Raumfahrzeugen immer wieder zurück nach oben geschoben wird.
Die Mikroben – sofern tatsächlich vorhanden – kommen also nicht aus dem Weltall. Man hat kein “außerirdisches Plankton” entdeckt. Vielmehr macht diese Geschichte deutlich, dass die Raumstation sich eigentlich nicht im leeren Weltraum aufhält… Nach offizieller Definition natürlich schon, denn da wurde die Grenze zum Weltall auf 100 Kilometer über der Erdoberfläche festgelegt. Aber diese Definition ist ziemlich willkürlich und ohne physikalische Bedeutung. Die Atmosphäre unseres Planeten reicht deutlich weiter nach oben. Und das was am unteren Ende dieser Atmosphäre passiert hat eben auch Einfluss auf das, was am oberen Ende geschieht – selbst wenn das die 400 Kilometer entfernte Raumstation ist. Unser Planet ist tatsächlich ein enorm komplexes System, in dem fast alles mit allem zusammenhängt…
Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.
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