Also werden die Krabben eben in Marokko geschält, wo die Arbeitskräfte so billig sind, dass es sich trotz des langen Transportweges für die Fischereibetriebe am Ende finanziell noch lohnt. Es gab immer wieder Versuche, die Krabben maschinell in Deutschland zu schälen und zu verarbeiten aber das ist eine so filigrane Angelegenheit, dass Maschinen damit nicht oder nur schlecht zurecht kommen. Die entsprechenden Geräte sind teuer, unzuverlässig und wartungsintensiv und liefern einen geringeren Output als bei der Verarbeitung mit der Hand. Oder aber sie können nur sehr kleine Menge verarbeiten. Versuche, große maschinelle Schälzentren direkt an der deutschen Nordseeküste einzurichten, wie man es zum Beispiel in Cuxhaven probiert hat, sind gescheitert und die entsprechenden Firmen pleite.
Was soll man tun? Wir wollen eben alle Nordseekrabben essen; in München genau so wie in Berlin, im Ruhrgebiet oder im Erzgebirge. Und um diesen Bedarf zu stillen, braucht es Massenproduktion die in Deutschland zumindest aus wirtschaftlichen Gründen nicht stattfinden kann. So wie in vielen anderen Branchen auch setzt man auf billige Arbeitskräfte in fernen Ländern und nimmt die damit verbundenen langen Transportwege in Kauf. Ebenso wie die so entstehenden CO2-Emissionen.
Die Welt ist eben tatsächlich “global” geworden. Wer früher frischen Fisch essen wollte, musste ans Meer fahren (oder sehr reich sein, um sich den umständlichen Transport und die aufwendige Kühlung leisten zu können). Wer tropische Früchte essen wollte, musste in die Tropen reisen. Und argentinisches Rindersteak gab es nur in Argentinien. Heute wollen wir all das aber in unserem Supermarkt vor Ort haben und zwar jeden Tag. Im Obstregal müssen Bananen und Papayas liegen und Erdbeeren (egal ob gerade Erdbeerzeit ist oder nicht und die Früchte vom anderen Ende der Welt kommen müssen). An der Fischtheke einer bayrischen Kleinstadt müssen die gleichen Produkte zu finden sein wie im schleswig-holsteinischen Hafenort. Und wenn im Weinregal nicht Flaschen aus mindestens drei Kontinenten zu finden sind, gibt es Ärger mit der Kundschaft. Für all das müssen Schiffe und Lastwagen ständig durch die ganze Welt fahren und treiben dabei den Klimawandel unweigerlich voran.
Eine Lösung für dieses Problem zu finden ist schwer. Es wäre naiv davon auszugehen, man könne zurück zu einer lokalen Welt in der es Nordseekrabben eben wirklich nur an der Nordsee gibt und nirgendwo sonst. Rückwärtsgewandte Strategien werden sich nie durchsetzen. Wir alle haben uns zu sehr an den Status Quo gewöhnt um davon wieder abzurücken. Es würde daher wenig bringen, zu irgendwelchen Boykotten aufzurufen oder dazu, nur noch lokale Produkte zu konsumieren. Die Sache mit den Krabben und dem Transport nach Marokko und zurück ist ja nur eines von vielen Beispielen und im großen Ganzen vermutlich nicht mal relevant. Wir werden weiterhin einer Welt leben, in der Produkte über den ganzen Planeten transportiert werden und Menschen ständig zwischen den Kontinenten hin und her reisen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir in Zukunft nur noch Lebensmittel aus unseren Vorgärten essen. Langfristig werden wir nicht umhin kommen, das Problem grundlegend zu lösen: Es spricht ja absolut nichts dagegen, wenn die Welt durch Transportmittel aller Art vernetzt wird. Wir müssen nur dafür sorgen, dass dieser ganze Verkehr nicht das Klima schädigt. Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen; weg von einer Energieproduktion, die nicht nachhaltig ist. Wir brauchen erneuerbare Energien; zumindest dort wo sie sinnvollerweise verwendet werden können und wir brauchen völlig neue Konzepte. Wir könnten ja mal probieren, die Kernfusion ernsthaft zu erforschen anstatt sie immer nur halbherzig zu fördern um uns dann darüber zu beschweren, dass die Ergebnisse so lange auf sich warten lassen. Wir könnten uns überlegen, was nötig wäre, um Strom aus dem Weltall zu gewinnen.
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