DIRAC zog die Lehren aus seinem Irrtum, der Kreationismus jedoch hat immer
den weltanschaulichen Joker des TERTULLIAN parat: „Credo, quia absurdum est!“
„Ich glaube, weil es unvernünftig ist!“ Und je absurder eine Annahme, desto fes-
ter, so scheint es, glaubt der Kreationismus.
Naturreaktoren, Meteoriten und Quasare belegen die Konstanz der Halb-
wertszeiten
Was den Kritikern ebenfalls entgangen zu sein scheint, ist die Tatsache, dass die
Frage nach der Konstanz der Halbwertszeiten seit Jahren intensiv erforscht
wird. Da bestimmte Formulierungen der String-Theorie innerhalb gewisser Gren-
zen veränderliche Naturkonstanten nahe legen, wurde nach Möglichkeiten ge-
sucht zu prüfen, ob dem tatsächlich so ist.
Eine Möglichkeit zur Beobachtung bot der Naturreaktor von Oklo (Abb. 2). Dabei
handelt es sich um einen natürlich entstandenen Kernreaktor, der in einer frühen
Ära der Erdgeschichte aktiv war. Im heutigen Gabun enthielt das Flusswasser des
Oklo große Mengen löslicher Uran-Komplexe, die in der schlammigen Uferzone zu
unlöslichen Verbindungen reduziert wurden. Im Mündungsdelta des Flusses la-
gerten sich so große Mengen Uran ab, dass die kritische Masse, bei der eine Ket-
tenreaktion einsetzen kann, überschritten wurde. In umliegendes Sandgestein
eindringendes Wasser bremste die Neutronen auf die für eine Kettenreaktion er-
forderliche Geschwindigkeit ab und „schaltete“ so den Reaktor an. Das Wasser
verdampfte und sickerte anschließend wieder in das trockene Gestein ein. So
wurde der Reaktor über mehrere Hunderttausend Jahre hinweg zyklisch an- und
wieder abgeschaltet. Man entdeckte den Naturreaktor, nachdem festgestellt wur-
de, dass die Lagerstätte gegenüber den übrigen sich auf der Welt befindlichen
Uranlagerstätten einen signifikant niedrigeren Gehalt an Uran-235 aufweist.
Um zu prüfen, ob sich die Halbwertszeiten im Lauf der Erdgeschichte verändert
haben, braucht man nur die relativen Konzentrationen der verschiedenen Isotope
in Oklo zu bestimmen und mit heutigen Isotopenverhältnismessungen zu verglei-
chen. Beispielsweise können Kerne des Elements Samarium-149 Neutronen ein-
fangen, die bei der Spaltung von Uran-235 freigesetzt werden, und werden
dadurch zum Isotop Samarium-150 (BOWLES 2004). Das Mengenverhältnis dieser
und anderer Isotope zueinander wird von der Geschwindigkeit des Neutronenein-
fangs sowie von den Halbwertszeiten der Nuklide bestimmt. Wären die Halb-
wertszeiten langlebiger Nuklide früher anders gewesen, hätte man in Oklo-
Proben dramatisch andere Isotopenverhältnisse vorfinden müssen als erwartet.
Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil, die Reaktionsprodukte längerer Halbwerts-
zeit existieren in genau jenem Isotopenverhältnis, wie man es von einem Kern-
reaktor mit verbrauchtem Brennstoff erwarten würde. Zerfallsprodukte mit kur-
zer Halbwertszeit fehlen im umliegenden Gestein, was zeigt, dass der Reaktor
vor 1,7 Milliarden Jahren endgültig „abgeschaltet“ wurde. Isotopenverhältnis-
messungen an Meteoriten bestätigen die Konstanz der Halbwertszeiten ebenfalls.
Abb. 2: Geologische Voraussetzungen des Naturreaktors in der Oklo-Mine: (1): Reaktor-
zonen, (2): Sandstein, (3): Erzflöz, (4): Granitstock. Bild: © MesserWoland – Wikipedia
(https://de.wikipedia.org/wiki/Naturreaktor_Oklo. Lizenz: CC-BY-SA-2.5,
www.creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.de
Es gibt weitere Möglichkeiten nachzuweisen, dass die Halbwertszeiten auf einem
Niveau von etwa 10-16 bis 10-18 ihres Werts konstant geblieben sind. Dazu zählt
die Beobachtung der Spektren sehr weit entfernter und somit auch sehr alter Ga-
laxien. Die Absorptionslinien so genannter Quasare (Abb. 3) entsprechen jenen,
die wir auch im Labor messen können. Die Übergänge hängen empfindlich vom
Wert der so genannten SOMMERFELD‘schen Feinstrukturkonstante Alpha ab, wel-
che die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. Wie oben be-
sprochen, beeinflusst die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung auch
die Halbwertszeiten radioaktiver Nuklide. Da die Spektren keine nennenswerten
Unterschiede zeigen, sind auch die Halbwertszeiten auf hohem Niveau konstant
geblieben. Die Invarianz der Feinstrukturkonstante beweist auch die Konstanz
weiterer Naturkonstanten, wie etwa der Lichtgeschwindigkeit.
Abb. 3: Zwei Quasare in Falschfarben-Darstellung. Als Quasare (quasi-stellare Objekte)
bezeichnet man die Zentren „aktiver Galaxien“, die nicht nur im sichtbaren Bereich
des elektromagnetischen Spektrums große Energiemengen abstrahlen. Sie gehören zu
den entferntesten Objekten, die man kennt. Die Auswertung der Absorptionslinien in den
Spektren erlaubt den Rückschluss, dass sich elementare Naturkonstanten wie die Fein-
strukturkonstante, die Lichtgeschwindigkeit usw. auch im Laufe von Jahrmilliarden sowie
in den entlegensten Winkeln des Universums nicht geändert haben. Bilder: NASA/ESA
Hubble-Space Telecope / ESO Very Large Telescope (VLT).
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