Die Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem auf dem wir Menschen leben können. Zumindest ohne dass wir dafür spezielle Vorkehrungen treffen müssen. Alle anderen Himmelskörper sind zu kalt, zu heiß und vor allem fehlt ihnen eine Atmosphäre, die wir atmen können. Aber wovon hängt das eigentlich ab? Und könnten wir das vielleicht irgendwann ändern? Die Frage, die ich heute in der Serie “Fragen zur Astronomie” beantworten will, lautet daher: Wovon hängt es ab, ob ein Himmelskörper eine Atmosphäre halten kann? Und könnte man dem Mars eine neue Atmosphäre geben?
Die Physik der Atmosphären ist alles andere als trivial. Selbst unsere eigene Atmosphäre haben wir noch nicht vollständig verstanden, was man ja immer dann merkt, wenn der Wetterbericht mal wieder nicht gestimmt hat. Die Atmosphären anderer Himmelskörper zu verstehen ist aus der Distanz noch einmal extra schwierig und ein eigenes Forschungsgebiet auf dem seit Jahrzehnten gearbeitet wird. In diesem kurzen Artikel ist es nicht möglich, die ganze Komplexität dieser Forschung zusammenzufassen – aber zumindest ein paar grundlegende Faktoren lassen sich angeben.
Die Masse eines Himmelskörpers spielt natürlich eine maßgebliche Rolle wenn es um den Erhalt eine Atmosphäre geht. Eine Atmosphäre besteht aus verschiedensten Gasmolekülen, die sich alle mehr oder weniger schnell bewegen. Je mehr Masse ein Himmelskörper hat, desto mehr und desto besser kann er mit seiner Gravitationskraft diese Gasmoleküle festhalten. Je leichter die Moleküle, desto schneller können sie sich bewegen und desto schwerer sind sie festzuhalten: Das ist auch der Grund, warum es in der Atmosphäre der Erde so gut wie keinen Wasserstoff und kein Helium gibt. Diese leichten Gase sind schon früh in der Geschichte der Erde in den Weltraum entkommen.
Andere Planeten waren da erfolgreicher. Jupiter und Saturn beispielsweise sind während der Entstehungsphase des Sonnensystems schnell genug gewachsen, um mit ihrer großen Masse auch die leicht flüchtigen Gase festhalten zu können. Sie konnten sich im Laufe der Zeit daher riesige Hüllen aus Wasserstoff und Helium zulegen, so dass sie heute im Wesentlich komplett aus Atmosphäre bestehen. Kleinere Himmelskörper wie zum Beispiel unser Mond schafften es dagegen nicht, überhaupt eine nennenswerte Menge an Gasen festzuhalten und sind heute atmosphärelose Felsbrocken.
Neben der Masse spielt hier auch die Temperatur eine Rolle. Je wärmer es ist, desto schneller die Moleküle und desto schwerer ist es, die Atmosphäre zu halten. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum der (im Vergleich zur Erde) kleine Saturnmond Titan eine wesentlich größere Atmosphäre hat als unser Planet (die Masse der Titan-Atmosphäre ist größer als die Masse der Erd-Atmosphäre). So fern der Sonne ist es enorm kalt und die Gasmoleküle sind langsamer. Vor allem aber ist es so kalt, dass Gase wie Ammoniak (ein Molekülverbindung aus Stickstoff und Wasserstoff) auf der Oberfläche in Form von Eis vorliegen. Ammoniak gast aus diesem Eis aus und kann von der UV-Strahlung der Sonne in Stickstoff und Wasserstoff gespalten werden. Der Wasserstoff entkommt ins All; der Stickstoff kann gehalten werden und bildet den Hauptbestandteil von Titans Atmosphäre. Man vermutet heute auch, dass Einschläge von Asteroiden und Kometen in der Frühzeit des Sonnensystems den Stickstoff aus dem Eis freigesetzt haben könnten. Das würde auch erklären, warum ähnliche Himmelskörper – wie zum Beispiel die Jupitermonde Ganymed oder Callistot – so gut wie keine Atmosphäre haben. Durch die größere Masse des Jupiters wurden die einschlagenden Kleinkörper dort stärker beschleunigt und beim Impakt mit der hohen Geschwindigkeit wurde so viel Energie frei, dass die Gasmoleküle ins All entschwanden.
Die Masse allein ist aber nicht der einzige Faktor, der bestimmt ob ein Himmelskörper eine Atmosphäre haben kann oder nicht. Man muss die Gasmoleküle nicht nur festhalten können, sondern auch vor destruktiven äußeren Einflüssen schützen können. Der Sonnenwind kann einer Atmosphäre beispielsweise ziemlich zusetzen. Der stetige Strom geladener Teilchen, den unsere Sonne ins All hinaus schickt, wirkt in diesem Fall wie ein Sandstrahler, der eine Atmosphäre langsam erodieren kann. Die energiereiche Strahlung trifft auf die Gasmoleküle, spaltet sie in ihre atomaren Bestandteile auf die dann viel leichter ins All entschwinden können. Unsere Erde hat zum Glück ein starkes Magnetfeld, das unsere Atmosphäre vor dem Sonnenwind schützt. Der Mars allerdings hat es nicht so gut.
Der Mars ist kleiner und masseärmer als die Erde. Er hat daher erstens weniger Gravitationskraft, um eine Atmosphäre halten zu können. Er ist aber dadurch auch sehr viel schneller ausgekühlt als die Erde. Sein Kern ist erstarrt und ohne die Bewegung eines flüssigen Metallkerns kann auch kein Magnetfeld entstehen. Die Atmosphäre des Mars, die früher aller Wahrscheinlichkeit nach viel dichter und lebensfreundlicher war, war nach dem Auskühlen des Mars also dem Sonnenwind schutzlos ausgesetzt und verschwand im Laufe der Jahrmillionen. Heute ist davon fast nichts mehr übrig und der Mars wurde zu einer kalten und lebensfeindlichen Eiswüste.
Trotzdem ist der Mars immer noch der Planet, auf dem die Bedingungen der Erde am ähnlichsten sind. Zumindest ab und zu hat es dort halbwegs angenehme Temperaturen die über dem Gefrierpunkt liegen und den Rest der Zeit ist es dort in etwa so, wie in der Antarktis auf der Erde. Nur eben ohne die brauchbare Atmosphäre… In der Science-Fiction-Literatur ist daher das Terraforming ein beliebtes Thema. Dabei versucht man, den Mars wieder zu einem Planeten mit lebensfreundlichen Bedingungen zu machen. Man gibt dem Planeten eine dichtere und atembare Atmosphäre. Dadurch erhöht sich auch die Temperatur auf der Oberfläche; Wasser kann wieder in flüssiger Form existieren; Wasserdampf kann sich in der Atmosphäre ansammeln wodurch ein Treibhauseffekt entsteht, der die Temperatur weiter erhöht – und so weiter.
Aber ist das auch in der Realität möglich? Nun ja, möglich ist viel. Aber nicht alles davon ist auch zwingend realistisch. Ich will hier nicht auf die Details des Terraformings eingehen; das würde zu weit führen. Aber rein theoretisch gibt es einige Möglichkeiten, die Atmosphäre des Mars zu verändern. Man könnte dafür sorgen, dass das (Kohlendioxid)Eis an seinen Polen sublimiert und in die Atmosphäre gelangt. Man könnte den Planeten mit Asteroiden aus dem All bombadieren und dadurch nicht nur das Eis schmelzen sondern den Mars auch aufheizen. Man könnte mit Mikroorganismen experimentieren, die unter den extremen Bedingungen des Mars zurecht kommen und mit ihrem Stoffwechsel die Atmosphäre modifizieren. Man könnte große Spiegel in einer Umlaufbahn platzieren und dadurch die Oberfläche aufheizen. Und so weiter. Abgesehen davon, dass wir derzeit mal gerade so in der Lage sind, Astronauten zur nur 400 Kilometer entfernten Raumstation zu bringen und eine bemannte Marsmission in weiter Ferne ist und abgesehen davon, dass solche technischen Großprojekte heute vermutlich nicht mal auf der Erde realisierbar wären; geschweige denn auf einem anderen Planeten, hindern uns keine prinzipiellen Gründe daran, die Atmosphäre des Mars zu modifizieren.
Es würde vermutlich ein paar Jahrhunderte lang dauern, aber rein technisch wäre es möglich. Aber würde die Atmosphäre dann auch bleiben? Was ist mit dem Sonnenwind? Ja, das ist die große Frage… Wie ich zu Beginn schon gesagt habe, ist die ganze Sache mit den Atmosphären noch nicht einwandfrei verstanden. Die Atmosphäre würde vermutlich nicht sofort wieder verschwinden; die Erosion durch den Sonnenwind ist ein langsamer Prozess. Aber wenn man sich schon die Mühe macht, ein Jahrhunderte dauerndes Terraforming-Projekt anzugehen, dann möchte man vielleicht auf einen dauerhaften Effekt erzielen. Dazu müsste man dann irgendwie ein planetenweites künstliches Magnetfeld aufbauen und wie das technisch gehen soll, weiß heute niemand. Man könnte eventuell mit der vorhandenen Technik kleinere, nur einige Dutzend Meter durchmessende Magnetfelder aufbauen, die stark genug wären. Aber dann kann man sich den Kram mit dem Terraforming auch ganz sparen und einfach entsprechende Habitate errichten.
Bei der Besiedelung des Mars ist die Atmosphäre sowieso nicht das, worüber man sich als erstes Gedanken machen sollte. Wie gesagt: Es dauert lange, bis man die einigermaßen eingerichtet hat. Und in der Zwischenzeit sind alle Marsianer von der kosmischen Strahlung umgebracht worden. Denn ohne Magnetfeld kommt die ebenfalls ungehindert zur Oberfläche durch und die Messungen unserer Satelliten und Rover am Mars zeigen, dass die Strahlenbelastung dort sehr viel höher ist, als es gesund für uns wäre. Die meisten Marskolonisten würden sehr bald an den Schäden durch diese Strahlung sterben; lange bevor sie sich Gedanken über Terraforming oder Ähnliches machen können.
Ja, wir könnten die Atmosphäre des Mars verändern, wenn wir wollten. Aber es ist fraglich, ob der Mars dadurch dauerhaft ein so lebensfreundlicher Planet werden wird, wie es unsere Erde ist. Bis auf weiteres haben wir keine große Alternative, was den Lebensraum im Sonnensystem angeht. Wir haben nur die Erde – und sollten dementsprechend gut darauf aufpassen.
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