Amri Wandel hat die ganzen Zahlen und Wahrscheinlichkeiten in eine neue Formel umgearbeitet, die den durchschnittlichen Abstand zu einem “biotischen Planeten”, also einem Planeten mit Leben (Leben, kein intelligentes Leben) liefert. Je nachdem, welche Werte man für die – unbekannte! – Wahrscheinlichkeit der Lebensentstehung einsetzt, kommt er dabei auf Distanzen zwischen 10 und 100 Lichtjahren. Das klingt natürlich sehr beeindruckend. Wenn das wirklich so wäre, dann kann man davon ausgehen, das Leben in unserer Milchstraße sehr häufig ist und sehr viele belebte Welten existieren. Und vielleicht ist das ja auch wirklich so. Vielleicht aber auch nicht. Denn das ist das Problem, das ich mit der Drake-Gleichung (und all ihren Variationen) habe: Ihr numerischen Ergebnisse täuschen eine Präzision vor, die in der Realität nicht existiert. Wir wissen eben nicht, wie wahrscheinlich es ist, das Leben auf einem Planeten entsteht. Ja, auf der Erde ist Leben entstanden und das schon ziemlich bald nachdem die Entstehung von Leben prinzipiell möglich war. Aber ist das nun ein Zeichen dafür, dass Leben immer entsteht, wenn es die Möglichkeit dafür gibt? Genau so gut kann es sein, dass sehr viele, sehr spezielle Bedingungen erfüllt sein müssen und vielleicht nur ein oder zwei Planeten in der ganzen Galaxie Leben beherbergen.
Wir haben zwar viele gute Ideen, wie und unter welchen Bedingungen das Leben entstanden sein könnte. Aber Ideen sind keine konkreten Belege und ohne die kann man auch keine konkrete Wahrscheinlichkeit angeben. Jede Drake-Gleichung liefert also beliebige Resultate; es kommt ganz darauf an, welche Wahrscheinlichkeit man aussucht. Solange wir nicht mehr Daten haben, bringt es nichts, darüber zu spekulieren (abgesehen davon, dass es natürlich sehr interessant ist). Das gilt um so mehr, wenn man irgendwelche Zahlenspielereien zur Frage nach intelligenten Lebewesen anstellt. Hier ist die Datenlage noch schlechter. Und pessimistischer… Auf der Erde ist das Leben während des Großteils der Milliarden Jahre seiner Existenz wunderbar ohne Intelligenz ausgekommen. Wir Menschen sind erst eine neue und nach kosmischen Maßstäben sehr kurzfristige Erscheinung. Es ist nicht im geringsten belegt, das sich Leben zwangsläufig irgendwann zu intelligentem Leben weiter entwickeln muss. Hier mit Formeln berechnen zu wollen, wie häufig so eine Entwicklung anderswo vorkommen kann, ist müßig (weswegen ich den zweiten Teil von Wandels Arbeit, in dem er genau das macht, auch gar nicht weiter besprechen will).
Uns helfen nur mehr Daten weiter! Aber die werden wir hoffentlich bald kriegen. Wenn die neuen großen Teleskope (wie das European Extremly Large Telescope) fertig werden, können wir die Planeten in der näheren kosmischen Umgebung genauer unter die Lupe nehmen; ihre Atmosphären analysieren und nach den Anzeichen von Leben suchen. Je nachdem, wie viele und wie gute Hinweise wir da finden, können wir dann endlich daran gehen, Zahlen für die Drake-Gleichung abzuchätzen, die über reines Raten und Wunschdenken hinaus gehen! Erst dann machen die ganzen Zahlespielereien Sinn. Bis es soweit ist, werden wir noch ein oder zwei Jahrzehnte warten müssen (es sei denn, es findet zufälligerweise demnächst eine Alien-Invasion statt – dann hätte sich die Sache schon früher geklärt). Aber das Warten lohnt sich. Daten sind immer besser als Spekulationen…
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