Letzte Woche habe ich mit einer kleinen Artikelreihe zur Chaostheorie begonnen. Sie soll nicht so mathematisch sein wie meine frühere Serie (Einleitung, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) oder meine Podcast-Chaostrilogie (Folge 93, Folge 94, Folge 95), sondern einfach nur ein paar der enorm faszinierenden Phänomene vorstellen, die in chaotischen Systemen auftreten. Ein “Best of Chaos” also, und nachdem beim letzten Mal der wirklich seltsame “Seltsame Attraktor” an der Reihe war, geht es diesmal um ein Phänomen, das auf den ersten Blick ein klein wenig trocken und nichtssagend klingt: Die Verdoppelung der Perioden! Aber keine Sorge – es steckt mehr dahinter als man glaubt und am Ende des Artikels werden wir sogar in der medizinischen Forschung angelangt sein…
Die Geschichte der Perioden-Verdoppelung beginnt mit der Frage eines Biologen, der wissen wollte, wie man die Entwicklung einer Population von Lebewesen mathematisch beschreiben könnte. Der Biologe war Robert May und ihm war klar, dass ein realistisches Modell kaum zu finden sein wird, denn dafür ist die echte Welt einfach zu komplex. Also begann er mit einer ganz simplen Gleichung: Die Größe der Population im zukünftigen Jahr hängt von der Größe der Population im aktuellen Jahr ab; multipliziert mit einem “Wachstumsparameter”. Wenn jetzt zum Beispiel 100 Individuen eine Population ausmachen und nächstes Jahr 110 existieren, dann ist der Wachstumsparameter gleich 1,1. Ist der Wachstumsparameter größer als 1, dann wächst die Population; ist er kleiner, dann sinkt die Zahl der Individuen. Die Gleichung dazu sieht so aus (und keine Sorge, sie ist ganz simpel, nur eine von zwei Gleichungen die in diesem Artikel auftauchen werden und kein Grund, sich davor zu fürchten 😛 ):
“x” ist die Größe der Population und “r” der Wachstumsparameter. Im Fall von vorhin, wo der aktuelle Wert von x gleich 100 und der Wachstumsparameter gleich 1,1 ist, ist die Berechnung mehr als simpel: 100*1,1 = 110.
So weit, so simpel. Und so unrealistisch. Keine Population wird ewig weiterwachsen, denn irgendwann gehen zum Beispiel die Ressourcen aus. Es braucht also zumindest irgendeinen Rückkopplungsmechanismus und den findet man durch eine simple Modifikation der Gleichung. Sie wird logistische Gleichung genannt und sieht so aus:
Sieht ein bisschen komplizierter aus als vorhin, ist es aber nicht. Es wird ganz einfach, wenn wir uns die Größe der Population als Zahl zwischen 0 und 1 vorstellen. x=0 heißt, dass alle Individuen gestorben sind und x=1 sagt uns, dass die Population die durch ihre Umwelt vorgegebene Maximalgröße erreicht hat. Und da (1-x) um so kleiner wird, je größer x wird und umgekehrt, lässt diese Gleichung kein unbegrenztes Wachstum mehr zu. Was passiert also nun mit der Größe einer Population, wenn man verschiedene Werte für den Wachstumsparameter r einsetzt?
Das war es, was May herausfinden wollte. Aber in den 1970er Jahren, als er diese Forschung durchführte, war das nicht so einfach, denn damals gab es Computer nicht im gleichen Ausmaß wie heute. Man musste per Hand oder mit dem Taschenrechner arbeiten. Also einen Startwert x für die Population und einen festen Wert für den Wachstumsparameter r auswählen; daraus mit der Formel den neuen Wert für die Population berechnen und diesen neuen Wert als Startwert für einen weiteren Durchlauf verwenden. Das Ergebnis dient als weiterer Startwert, und so weiter – bis man irgendwann erkennt, was passiert.
May stellte fest, dass die Rechnung irgendwann “stehen” bleibt. Nach dem man die Gleichung ein paar mal durchlaufen hatte, kam immer wieder das selbe Ergebnis raus. Das lässt sich mit einem Beispiel leicht zeigen. Nehmen wir zum Beispiel einen Wert für den Wachstumsparamter von r=2,5. Und fangen mit der Größe der Population bei x=0,5 an. Jetzt müssen wir nur in die Gleichung einsetzen:
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