Kaufe ich dagegen bei Amazon ein, läuft das viel besser. Ich bin nicht auf das Sortiment beschränkt, dass ein Buchhändler für mich – nach welchen Kriterien auch immer – ausgewählt hat. Ich kann alle Bücher sehen, die theoretisch lieferbar sind (und auch noch einen ganzen Schwung nicht mehr erhältlicher Werke). Und vor allem kann ich gezielt nach Stichworten suchen. Ein Beispiel: Für einen Magazinartikel zum Internationalen Jahr des Lichts habe ich zur Geschichte der Erforschung des Elektromagnetismus recherchiert. Ich habe vor allem Biografien der Entdecker der verschiedenen Strahlungsarten und ihrer Anwendungen gesucht, zum Beispiel Wilhelm Röntgen. Eine Röntgen-Biografie könnte in einem wirklich gut sortierten großen Buchladen vermutlich noch vorhanden sein. Aber wie sieht es mit Percy Spencer aus, dem Erfinder der Mikrowelle? Zu ihm gibt es sowieso schon kaum Material und das einzige (?) Buch, das ich bei meiner Amazon-Suche gefunden habe, ist mit ziemlicher Sicherheit in keinem Buchladen vorrätig… bei Amazon dagegen nur ein paar Klicks entfernt.
Ja, werden einige jetzt vielleicht einwerfen, aber bei deinem Buchhändler kannst du dir das Buch ja auch bestellen lassen! Das stimmt – aber kann mir mein Buchhändler auch sagen, dass es dieses Buch über Percy Spencer überhaupt gibt? Wenn der Buchhändler nicht zufällig ein Fan fremdsprachiger Literatur über Wissenschaftsgeschichte ist, dann wird er dafür genau so in seinen Online-Katalogen recherchieren müssen, wie ich es selbst in der Amazon-Datenbank getan habe. Und es ist mir ehrlich gesagt lieber, ich kann selbst in Ruhe recherchieren, als im Laden neben einem Verkäufer zu stehen, dem ich erklären muss, was er für mich recherchieren soll nur damit er mir dann erklärt, was er recherchiert hat, worauf ich nachfragen muss, welche Bücher da denn genau gefunden wurden; wie viel sie kosten, wer die Autoren sind, was die sonst noch so geschrieben haben, und so weiter. Und wenn ich mir den Betrieb in einem typischen Buchladen ansehe, dann gibt es diese Möglichkeit auch gar nicht. Da kann man froh sein, wenn die Schlange an der Kasse nicht allzu lang ist – die Angestellten mit langwieriger Recherche zu beauftragen ist da kaum möglich.
Klar, wenn ich nur beraten werde möchte, welchen der drölfzighundert Regionalkrimis gerade angesagt ist; etwas zu den Literaturklassikern wissen möchte, zur Spiegel-Bestsellerliste, oder den anderen “normalen” Thrillern, Liebesromanen und so weiter: Dann wird mir auch der Buchverkäufer weiter helfen können. Aber wenn es darum geht, die wirklich außergewöhnlichen Werke zu entdecken, brauche ich entweder einen Händler, der mich so gut kennt wie mein bester Freund oder zufällig exakt die gleichen Interessen hat, wie ich.
Versteht mich nicht falsch: Ich will auf keinen Fall sagen, dass Buchhändler keine Ahnung von Büchern haben. Oder Bücher nicht wertschätzen, etc. Gut, nicht jeder Angestellte in einem Buchladen wird diesen Job aufgrund begeisterter Bibliophilie und unstillbarer Liebe zu Büchern ausüben. Da werden sicherlich einige dabei sein, denen die Bücher eigentlich egal sind und für die der Job nur ein Job ist. Aber viele werden sich auch wirklich gut um ihren Laden und ihre Bücher kümmern. Sie werden die Kunden beraten, so gut es eben möglich ist. Sie werden Lesungen veranstalten oder probieren, lokale Autorinnen und Autoren zu fördern. Sie werden all die Dinge machen, die der Grund dafür sind, dass ich Buchläden mag und sie gerne und oft besuche.
Aber ich bin auch kein Freund überzogener Nostalgie. Der kleine und gemütliche Bücherladen mit den vollgestopften Regalen und dem bibliophilen Besitzer, mit dem man stundenlang über Literatur plaudern kann ist in der Realität nicht immer zu finden. Dort gibt es stattdessen die großen Ketten; Thalia, Hugendubel und Co. Auch das müssen keine schlechten Läden sein, aber man landet dann halt bei dem oben beschriebenen Problem: Es gibt im wesentlichen immer nur die gleiche, kleine Auswahl an Büchern.
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