Und das ist der Grund, warum ich eben nicht nur die Buchläden mag, sondern auch Amazon. Dort sitzt zwar kein Buchliebhaber, der mir persönlich erklärt, welche Bücher ich unbedingt lesen muss. Aber dafür gibt es einen Computer-Algorithmus, der weiß, was ich bisher gekauft habe und mir anhand dieser Daten Bücher vorstellt, die mich interessieren könnte und das ganz unabhängig davon, ob es sich gerade um den aktuellen Bestseller handelt oder irgendein obskures jahrzehntealtes Astronomiebuch oder ein Werk eines kleinen, ausländisches Verlages mit kleiner Auflage, das aber genau das ist, was ich brauche. Ja, ich weiß: Datensammeln ist pfui. Aber in diesem Fall ist es tatsächlich wirklich hilfreich. Ein großer Teil meiner Bibliothek besteht aus Büchern, von deren Existenz ich ohne das “Das könnte sie auch interessieren”-Feature von Amazon nie erfahren hätte.
Natürlich sind mir die Probleme eines Fast-Monopolisten wie Amazon durchaus bewusst. Ich kenne die Berichte über die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter; die Preisdrückerei gegenüber den Verlagen; die Manipulationen im Hintergrund, etc. Aber das ist weniger ein Problem von Amazon sondern mehr ein Problem der Politik. Würde Amazon heute verschwinden, würde morgen ein anderer Onlinehändler die gleiche Stelle einnehmen und seinen Mitarbeitern die gleichen schlechten Löhne zahlen und sie unter den gleichen schlechten Bedingungen arbeiten lassen. Löhne und Bedingungen, die nicht nur im Onlinebuchhandel existieren, sondern überall in unserem Wirtschaftssystem, dass diese Art der Ausbeutung und Manipulation fördert. Und die großen Buchladenketten sind auch nicht unbedingt reine Philanthropen. Wenn da zum Beispiel bundesweit in jedem Laden ein “Buch des Monats” präsentiert wird, dann vermutlich auch nicht, weil neutrale Literaturkritiker das aus dem verfügbaren Angebot ausgewählt haben, sondern weil es entsprechende Deals mit den Verlagen gegeben hat. Und wenn man mich bei jedem Bezahlvorgang an der Ladenkasse überreden will, doch bitte beim Bonus-Punkte-System mitzumachen, dann dürfte man dort wohl genau so sehr an meinen Daten interessiert sein, wie im Internet…
Aber das führt jetzt zu weit vom eigentlich Thema weg. Ich will den Onlinebuchhandel weder verteufeln noch unkritisch loben. Genau so wenig wie ich die Buchhandlungen vor Ort nostalgisch verklären möchte. Ich mag es, durch die Buchregale in den Läden zu schlendern, mir die Bücher anzusehen und dann, so wie heute, überraschend und ungeplant mit vier Kochbüchern nach Hause zu kommen. Und . Und wenn ich mich dann doch wieder einmal ein wenig darüber ärgere, dass das Angebot immer gleich und an den Massengeschmack angepasst ist, mag ich es genau so gerne, ein Stündchen vor dem Computer zu verbringen und mich von dem überwältigenden Angebot überraschen zu lassen und Bücher zu finden, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie finden wollte. Zum Beispiel dieser Bildband über die Bestimmung des Längengrades. Oder dieses britische Wanderbuch. Oder dieses Buch über Mathematik. Oder dieses Buch über osteuropäischen Fußball. Oder dieses Buch über unübersetzbare Wörter. Oder… ach ich sehe schon: Das könnte wieder ein teurer Nachmittag werden…
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