Heute wissen wir natürlich, dass man aus einer genauen Betrachtung der Leber zwar durchaus viele gesundheitliche Informationen gewinnen kann, sie sich aber nicht zur orakelhaften Vorhersage der Zukunft eignet und sie auch kein Modell des Universums darstellt. Das mag die eher mystisch eingestellten Zeitgenossen enttäuschen; aber andererseits haben wir ja auch mittlerweile herausgefunden, dass Menschen und Sterne viel direkter verbunden sind, als es sich Babylonier, Griechen oder Etrusker je vorstellen konnten. Nicht nur die Leber, unser gesamter Körper besteht aus Material, das von den Sternen stammt. Der Sauerstoff, der Kohlenstoff, der Stickstoff, der Phosphor und all die anderen chemischen Elemente, aus denen wir und unsere Organe aufgebaut sind, sind vor Milliarden von Jahren im Inneren von Sternen entstanden. All das gab es nach dem Urknall noch nicht; da war nur Wasserstoff und ein bisschen Helium vorhanden. Das Universum musste erst Sterne entstehen lassen, die in ihrem Inneren durch Kernreaktionen völlig neue Elemente erzeugen. Diese Sterne mussten leben und sterben und explodieren um diese neu geschaffenen Elemente überall zu verteilen, damit am Ende daraus neue Planeten und Menschen entstehen konnten.
Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber es lohnt sich trotzdem, sie nicht als selbstverständlich hin zu nehmen, sondern sich immer wieder Gedanken darüber zu machen. Nicht umsonst hat Neil deGrasse Tyson dieses Phänonomen die erstaunlichste Tatsache des Universums genannt. Es IST höchst erstaunlich und noch dazu enorm faszinierend, dass es eine ganz konkrete und völlig unesoterische direkte Verbindung zwischen den Sternen und uns Menschen gibt. Es IST beeindruckend, wie unser persönliches Menschenleben mit dem unpersönlichen Leben des Universums zusammenhängt.
Und es ist erstaunlich, dass diese beeindruckende Verbindung am Ende in so etwas profanem wie Leberkäse resultiert. Aber so ist das Universum eben: Beeindruckend und unvorstellbar und gleichzeitig auch alltäglich und vergänglich. Der Leberkäse hat in diesem faszinierenden Universum ebenso seinen Platz wie die kosmische Supernovaexplosion.
Der Leberkäse, den ich mir gestern in Österreich gegönnt habe, enthielt keine Leber und ich kann daher nichts über die Zukunft sagen (außer, dass ich wohl wieder ein ganzes Stück laufen muss, um die darin enthaltenen Kalorien wieder los zu werden). Die Leber ist kein Modell des Universums. Aber sie enthält das gesamte Universum. Frei nach Richard Feynmann kann man mit wissenschaftlicher Berechtigung durchaus sagen:
“A poet once said, ‘The whole universe is in a piece of Leberkäse.’ We will probably never know in what sense he meant it, for poets do not write to be understood. But it is true that if we look at a Käse-Leberkässemmel closely enough we see the entire universe. There are the things of physics: the twisting liquid of the molten cheese which cools depending on the wind and weather, the reflection in the greasy surface; and our imagination adds atoms. Meat and bread are a distillation of the earth’s life, and in its composition we see the secrets of the universe’s age, and the evolution of stars. What strange array of chemicals are in the mustard? How did they come to be? There are the ferments, the enzymes, the substrates, and the products. There in cheese and yeast is found the great generalization; all life is fermentation. Nobody can discover the chemistry of Käse-Leberkäse without discovering, as did Louis Pasteur, the cause of much disease. How vivid is the Semmel, pressing its existence into the consciousness that watches it! If our small minds, for some convenience, divide this Leberkäse, this universe, into parts — physics, biology, geology, astronomy, psychology, and so on — remember that nature does not know it! So let us put it all back together, not forgetting ultimately what it is for. Let it give us one more final pleasure; eat it and forget it all!”
Kommentare (64)